Ein gutes Gewissen ist ein ständiges Weihnachten.
© Benjamin Franklin (1706–1790, amerikanischer Politiker)
Danke an Theresa für das Foto!
Der letzte Donnerstag vor Weihnachten, der vorletzte Jupitertag 2018. Wenn das Jahr zu Ende ist, habe ich mich 52 Wochen lang auf Donnerstag gefreut, meinen Lieblingstag. Manchmal hat er die Erwartungen bestens erfüllt, manchmal blieb der Tag weit hinter den Möglichkeiten zurück. Wie es eben ist im Leben. Auch wir können nicht jeden Tag unser gesamtes Potential abrufen, sind nicht immer fit, froh, schlagfertig, schlau oder was immer gerade notwendig wäre. Wir sind schlichtweg Menschen, also glücklicherweise unperfekt. Oft genug macht uns das Probleme – das nicht perfekt sein. Ich glaube, restlose Perfektion ist angsteinflößend, weil klar ist, dass wir das weder immer erreichen könnten noch dass das auch sinnvoll wäre. Gut ist gut genug.
Schmeckt ein Keks mit einer abgebrochenen Spitze weniger gut? Sind es nicht die uralten Tassen, die wir am meisten mögen, die mit der angestoßenen Kante, dem Sprung? In Japan werden Dinge seit alters her repariert, oft genug wird die „Nahtstelle“ mit Gold aufgewertet. Wie wäre es, wenn wir die Narben der Erfahrung auf unserer Seele, die Bruchstellen unseres Herzens, alles, was nicht mehr so ganz einwandfrei ist, in Gold hüllen und uns damit zu Bewusstsein bringen, wie wertvoll uns all das ist?
Allen heute jupitermäßig (= Bringer des Frohsinns) genug Goldstaub, um alle Narben, Blessuren und Beschädigungen, die uns das Leben als Ehrenmale beschert hat, zu ehren, denn sie machen uns zu dem Unikat, das wir sind. Einzig statt artig. Mit güldenen Ecken und Kanten.
Mein Beruf bringt es mit sich, dass ich viele Menschen sehe. Manche kommen von sich aus, andere werden geschickt – „wenn du nicht … dann lass ich mich scheiden“ oder es sind Kinder, die sich das auch nicht ausgesucht haben. Das ist die Gruppe der Klienten, vor der ich am meisten Respekt habe, denn sie müssen sich einer fremden Person gegenübersehen, die sie nicht kennen, der sie aber sagen sollen, wo sie der Schuh drückt und das oft in Anwesenheit der Eltern oder Geschwister, die neugierig sind, was ja jetzt wohl ans Licht kommen mag.
Kinder sind großartig. Kinder sind Meister des Überlebens. Kinder sind pragmatisch. Sie erkennen sofort, was Sache ist. Sie gehen neugierig an die Welt heran und erwarten, dass die Welt ebenso neugierig auf sie ist. Sie ergreifen die Welt mit ihren Händen und hoffen, dass die Welt ihre Hände nicht zertrümmert, sondern liebevoll annimmt. Sie öffnen ihr Herz und zeigen, was sie denken und fühlen. Wenn sie älter sind, haben sie bereits jede Menge Erfahrungen gemacht, gute und schlechte. Sie sollen den Erwartungen entsprechen, sich einfügen, bereits als kleines Kind ganztägig berufstägig in einer Institution sein, die das feine Wort des „Kindergartens“, in dem man hoffentlich wachsen und werden durfte, nicht mehr trägt, sondern neudeutsch den Begriff „KITA“ in die Welt hackt. Dort werden sie großgezogen in einer Gruppe Menschen, die das gleiche Schicksal teilen, weil die Eltern berufstätig sein müssen, um Haus, Auto und Unterbringung zu finanzieren, weil es sonst nicht reicht. Kein Wunder, dass manches Kind nicht ins „so pflegeleicht wie möglich“-System passt. Vierjährige haben bereits Ergotherapeuten, Logopäden, Tagesmütter und Psychologen. Und sie haben Angst. So viel Angst, dass daraus im Lauf der Jahre Depressionen werden können, Lebensverweigerungen. Sie ritzen und hungern, um auf sich aufmerksam zu machen. Sie stehen wie nackt im eisig kalten Wind der Welt und warten auf einen barmherzigen Samariter, der ihnen sagt, dass Nonkonformität ein Qualitätskriterium ist. Der ihnen zugesteht, Dinge anders, neu, kreativ zu denken, denn nur das rettet diese Welt. Sie werden mit Fähigkeiten für die Zukunft geboren und oft von Menschen begleitet, die den status quo mit aller Macht aufrechterhalten wollen, weil sie selbst Angst haben.
Kinder an die Macht? Nein. Vielleicht noch nicht. Aber: Würde! Würde! Gebt den Kindern ihre Würde zurück. Lasst sie Liebe der Eltern spüren, anstatt sie in Institutionen zu pressen. Lasst sie rennen, toben, hüpfen, damit sie später Balancen wahren können. Nehmt ihnen ihre Angst, aber schaut in ihre Augen, nicht auf Displays. Lauscht ihren Weisheiten, denn sie bringen den Himmel auf die Erde und seine Wahrheiten mit in ihrem Lebensgepäck. Nehmt sie ernst und achtet ihre Integrität. Lasst sie bunt und vielfältig sein, diese Welt wird nicht von Einheitsschwachhirnen gerettet, sondern von denen, die den Mut haben, alles in Frage zu stellen, neu zu sehen, unbequem zu sein. Weniger „mein Kind ist nicht normal“, sondern ein „wie viel verrückt ist gut“?
Danke allen Eltern, die mir in diesem Jahr ihre Kinder vorgestellt haben. Ich habe viele Meisterinnen und Meister gesehen, die großartige Dinge mit auf diesen Planeten bringen. Mit ihren Ängsten werden sie fertig. Sie brauchen dazu nur ein Umfeld, das ihnen Vertrauen schenkt, ihre Besonderheit nicht als Manko, sondern als Qualität schätzt und Liebe, Liebe, Liebe. Danke allen Kindern, die mir ihre Nöte anvertraut haben. Mir gesagt haben, was sie drückt, aber auch, was sie freut. Die mir gezeigt haben, was sie mitgebracht haben aus den Weiten des Kosmos, aus denen sie hierhergekommen sind auf die Erde, um sie zu einem guten Ort für alle zu machen. Einem gesunden, heilen, ganzen Raum für alle.
Allen einen Mittwoch voller Entdeckerfreude und einen Tag der Ermutigung für alle Kinder! Seid einzigartig, wunderbar und zeigt uns, wie Leben geht.
Am Sonntag war der zweite Kurstag in der Rogersfortbildung. Es ging um die zentrale Frage, was jetzt in den jeweiligen Leben Thema ist und wie es gelingen kann, mit einem wertschätzenden, liebevollen Blick auf das zu schauen, was ist und wahrzunehmen, wie andere das sehen und spiegeln. Oft erst wenn wir etwas mit den Worten eines anderen hören, können wir Klarheit über eine Frage erlangen, genau hinschauen oder Zusammenhänge erkennen. Wir haben blinde Flecken für uns selbst, das ist ganz normal. Aber wenn in einer liebevollen Umgebung etwas sichtbar wird, kann man damit gut umgehen lernen.
Wir haben auch darüber gesprochen, dass jetzt eine wunderbare Zeit ist, das alte Jahr ausatmen zu lassen, Dinge abzuschließen. In alten Zeiten wurden bis zum Thomastag die Schulden beglichen, die noch offen waren. Jetzt kann man gut nachdenken, was man mit ins neue Jahr mitnehmen will an Denkweisen, Projekten, Verhaltensmustern und Glaubenssätzen und was zurückbleiben soll. Was möchte im neuen Jahr entstehen, wachsen, gedeihen, vielleicht ganz neu in mein Leben treten? Wer bei Rogers noch mitgehen will – gern, am 3. 2. geht es weiter.
Heute gab es eine ganz spannende Wendung in einem Klientengespräch. Die zentrale Frage des Lebens wurde gestellt: Warum bin ich da? Und ich habe vorgeschlagen, die Frage genau so zu stellen, nur das Wort warum wegzulassen. Überraschung, Schweigen. Und dann die neue Sicht: Wenn ich doch gar nicht wirklich präsent bin, kann ich auch keine Antwort auf irgendeine Frage finden – ja. Manchmal ist ein einziges Wort entscheidend. Auch dann, wenn wir es weglassen. Achte auf deine Worte …
Allen einen spannenden Dienstag, der uns mit den Kräften des Mars auch gut anschubsen kann. Was möchte ich heute neu lernen und was dafür weglassen?
Er hatte vieles von dem gelernt, was Menschen mit gutem Verstand lernen können, und er war ein ziemlich kluger Mann. Was er aber nicht gelernt hatte, war dies: mit sich und seinem Leben zufrieden zu sein. Dies konnte er nicht, er war ein unzufriedener Mensch.
Hermann Hesse, Der Steppenwolf
Danke an Anne für das Foto!
Das dritte Adventwochenende ist fast Vergangenheit. So schnell fliegt die Zeit. Viele Dinge werden jetzt arbeitstechnisch zu Ende gebracht. Ich wünsche mir zwischen den Jahren ein paar Stunden, in denen ich mir noch einmal bewusst werde, was denn die Ernte, das Resümee des Jahres, die Essenz 2018 für mich war. Es gibt manches, das 2018 neu war wie die Schule und manches, das 2019 neu kommt wie das Lebenskunstseminar, das wir gemeinsam gestalten, die gemeinsame Praxis und unser Tag der offenen Tür in Schule und Praxis am 1. Mai, denn wir haben 2019 etwas zu feiern: 10 Jahre Praxis SeelenGarten & LebensRaum. Das ist eine lange Zeit, ein Jahrzehnt. Ich hatte das unglaubliche Glück, dass mir viele Menschen in diesen Jahren ihr Vertrauen geschenkt haben. Ich durfte viele Menschen durch schwere Krisen begleiten, seien es persönliche Beziehungsthemen, Krankheiten, vor allem Depressionen und Krebs, aber auch ganze Familien sind mir in diesem Jahrzehnt ans Herz gewachsen. Ich war Entwicklungshelfer und Hebamme, bin selbst gewachsen und gereift und habe lernen dürfen, lernen von jedem, der mit mir gearbeitet hat. Oft stelle ich fest: ich stehe am Anfang, bei jeder ersten Begegnung, vor einem leeren Heft. Vielleicht schreiben wir es miteinander voll oder fangen damit an, üben uns, wachsen und gedeihen miteinander. Vielleicht bleibt es dann einige Jahre unbenutzt oder wird ab und an hervorgeholt und das nächste Kapitel miteinander begangen. So, wie es eben im Leben geht und ist.
Ich sehe viele Menschen und bin von tiefer Dankbarkeit erfüllt. Voller Respekt davor, wie sie ihr Schicksal tragen, wie sie mit ihren Sorgen und Nöten umgehen. Wie sie Meister sind, die üben (wie es Jwala Gamper so schön formuliert hat). Wir haben miteinander auch 2018 gelacht, geweint, uns in guter Kommunikation probiert, miteinander gesungen, viel gelernt in den Kursen. Unser Haus hat seine Herzenstüren weit aufgemacht und wir waren gesegnet, dass so viele Menschen voller Lernfreude über unsere Türschwelle gekommen sind. Wir haben neue Kurse angefangen wie diesen unglaublichen inneren Schulungsweg-Kurs, der bislang Cardea 2 heißt, aber für den ich einen neuen eigenen Namen finden werde. Wir hatten neu die Führungskraftseminare – was für Tage waren das.
Unsere Nachbarn staunten über die Eurythmie auf der Terrasse, die Laterne, die brennt an den Kurstagen als Willkommensgruß. Fast 260 Blumenvasen habe ich in diesem Jahr für die Schule gefüllt, damit es im Haus schön ist für alle. Damit wir einfach ein bisschen was von dieser Kultur, dieser sozialen neuen inneren Haltung, die wir hier pflegen möchten, weitergeben können. Das ist so im Hintergrund eine meiner Lieblingssachen, die ich für die Schule mache – Deko, Blumen, es schön haben. Wir kommen hier zum Lernen zusammen, zum Wachsen, zum Entwickeln, zum Innehalten und Besinnen, zum Menschwerden im besten Sinne. Und das ist auch unser Wunsch für 2019. Mögen viele Menschen unseren Einladungen folgen, damit wachsen kann, was sinnvoll ist.
Allen einen guten Start in die für manche schon letzte Arbeitswoche dieses Jahres. Bitte fahrt langsam. Bitte behaltet die Nerven, schenkt euch ein Lächeln. Alle möchten gut und gut gelaunt nach Hause kommen am Abend. Machen wir die Welt einfach mit unserer Haltung ein Stück schöner. Wir haben es in der Hand.
Weltenweiter Wandrer,
walle fort in Ruh……….
Also kennt kein andrer
Menschenleid wie – du.
Wenn mit lichtem Leuchten
du beginnst den Lauf.
schlägt der Schmerz die feuchten
Augen zu dir auf.
Drinnen liegt – als riefen
sie dir zu: versteh ! –
tief in ihren Tiefen
eine Welt von Weh………
Tausend Tränen reden
ewig ungestillt, – –
und in einer jeden
spiegelt sich dein Bild.
Frühes Gedicht, 1894
Rainer Maria Rilke
Das dritte Adventswochenende steht an. „Jetzt geht es voll fix“, sagte die Maus, als die Katze sie die Bodentreppe hochtrug. Das sagte einer meiner Lehrer immer, wenn alles so hektisch durch die Gegend hüpfte. An meinem Stoffadventskalender hänge ich jedes Jahr Weihnachtskarten auf und ich stelle fest – die meisten Grüße kommen per Mail. Im Anhang zum Glück recht selten singende Weihnachtsmänner in Badehosen, pupsende Rentiere und abstürzende Schlitten mit betrunkenen Zugtieren. Es stellt sich doch immer wieder die Frage, was mir das sagen will über den Sinn von Weihnachten, ich fürchte, wenig.
Deshalb – lasst es ruhig angehen, dieses dritte Adventswochenende. Stopft die letzte Woche nicht restlos voll, damit alle genervt die Kugeln nächsten Sonntag auf den Baum werfen und sich anschreien. Das ist alles überflüssig. Gönnt euch einen langsameren Gang und fahrt Straßenbahn, es gibt eh keine Parkplätze in der Stadt, fürchte ich. Und trinkt ausreichend Tee bei den Temperaturen, damit das Herz gewärmt wird. Allen, die in den Geschäften arbeiten, wünsche ich gute Nerven und freundliche Kunden. Allen, die einkaufen, ebenfalls gute Nerven und macht euch klar – euer Gegenüber gibt auch sein/ihr Bestes. Freundlichkeit ist der Schmierstoff menschlicher Beziehungen.
Hier werden wir uns nach dem heutigen Heilpraktikerstoff, bei dem es um Kinder- und Jugendpsychiatrie gehen wird, mit Carl Rogers am Wochenende befassen, dem Großmeister der Wertschätzung, Annahme und Authentizität. Ich freue mich sehr, das ist so bereichernd und die Gruppe besteht aus Menschen, die diesen Kurs zur Selbsterfahrung nutzen, aber auch aus angehenden Therapeuten, die die Gesprächsführung in ihre Arbeit mit einbauen möchten. Das ist wunderbar, denn Carl Rogers hat keine Technik entwickelt, sondern lädt den Menschen ein, er selbst zu sein und den anderen einfach so zu nehmen, wie er ist – sehr befreiend und von falschen Erwartungen lösend. Wer da spontan mitmachen will – melden, gern!
Auch die Interessenten für die nächste Heilpraktikerausbildung haben noch bis 1. Februar Gelegenheit, freitags ab 16 Uhr am Probeunterricht teilzunehmen. Auch hier einfach bitte anfragen.
Vor lauter Gerenne nicht vergessen – am 27. Januar ist FührungsKRAFTseminar, das ist auch ein hervorragendes Weihnachtsgeschenk für Menschen, die Führungsverantwortung tragen oder sich selbst gut führen möchten. Es gibt jede Menge sinnvoller Geschenke, so ein Kurstag kann dazugehören.
Allen ein Wochenende, das euch darauf einstimmt, dass wir das Jahr bald ausatmen lassen können. Einfach nur ausatmen.
Ich habe drei Schätze, die ich hüte und hege. Der eine ist die Liebe, der zweite die Genügsamkeit, der dritte ist die Demut. Nur der Liebende ist mutig, nur der Genügsame ist großzügig, nur der Demütige ist fähig zu herrschen.
Laotse, 6. Jhdt. vor Christus
Danke an Theresa für das portugiesische Kachelfoto!
Gestern konnte ich einen hochspannenden Film über die Arbeit von Prof. Richard Davidson sehen, „Free the mind“. Er hat seine persönlichen Erfahrungen mit Meditation gemacht und forscht darüber, wie Meditationstechniken Menschen mit Posttraumatischer Belastungsstörung, aber auch Kindern mit der Diagnose ADHS helfen können. Die Frage ist nicht, wie wir Traumata vermeiden können – das würden wir uns alle wünschen, dass nichts Schlimmes geschieht. Die Frage ist: Wenn Menschen schon grausames Schicksal erlebt haben, wie kann ihnen geholfen werden jenseits einer krassen Medikamentierung, damit sie mit dem Erlebten fertigwerden und wieder Selbstbestimmung über ihr eigenes Leben erlangen können.
Der Film zeigt auf, was im Gehirn geschieht, wenn Bewusstheit, Achtsamkeit ins Leben treten. Wenn wir uns inneren Frieden wieder erlauben dürfen und ihn als eine innere Haltung pflegen. Weil wir ein gutes Leben leben wollen, mit allem, was uns widerfahren ist – das ist gelebte Würde, das ist es, worum es geht.
In meiner täglichen Arbeit mit Menschen geht es immer darum, wie man wieder in seine Würde kommt, die man sich oft selbst abgesprochen hat durch negative Glaubenssätze, Erlebnisse, die handlungsunfähig machen, was immer auch geschehen ist. Es geht darum, sich selbst anzunehmen, das Negative als Bestandteil der eigenen Biographie einzugliedern und „trotzdem Ja zum Leben“ zu sagen, wie es Viktor Frankl in seinem Buch über sein Überleben im KZ benannt hat. Damit wird man abermals zum Gestalter seines eigenen Lebens, anstatt zum Erleider von Macht, die andere über ihre Opfer zu haben vermeinen. Damit kommt der Mensch auch wieder in seine Kraft, wird handlungsfähig und selbstbestimmt und kann verarbeiten, annehmen und dennoch auf seinem Weg weitergehen. Mit jedem Atemzug, den wir tun, haben wir die Chance, unser Leben grundlegend zu verändern, Rollen zu verlassen, die wir nicht sind, nie waren und sein wollten und uns auf den Weg zu uns selbst machen. In Hoffnung, Würde, Selbstbestimmung und dem Glauben an sich selbst. Mindfullness works. Check it out.
Ich war aus Versehen in der Stadt, weil ich einen Termin hatte. Mit der Straßenbahn, so ein Glück. Alle Parkhäuser voll. Lange Warteschlangen davor in den verstopften Straßen. Wir sprechen übrigens von 10 Uhr am Morgen!! In der Straßenbahn halbe Kindergärten, Weihnachtslieder singend, unterwegs ins Theater zu „Ronja Räubertochter“. Erstaunlich. Da ich schon Monate nicht mehr in der Stadt war, befiel mich leichte Verwirrung. Wo früher die Spiegelstraße befahren war, ist Baustelle und Weihnachtshütten ziehen sich jetzt bis tief in die Eichhornstraße. Am Theater vollstes Chaos, weil Riesenbaustelle. Ich teile mir die Baustellenfußgängerumleitung (ist die deutsche Sprache nicht ein Phänomen für sich mit ihren Bandwurmworten?) mit den Kindern. Sie singen lautstark „Schneeflöckchen, Weißröckchen“, weil drei Schneeflocken vom Himmel torkeln. Ich rette mich förmlich in die Arztpraxis. Hätte ich auch gleich draußen bleiben können. Da wars genauso voll wie in der Stadt. Wegen Wasserschaden ist die Zweitpraxis gerade nicht nutzbar und alles stapelt sich also hier. Na dann! Dafür flutscht der Terminplan ganz gut. Rein, Spritze, OP, 20 Minuten später – draußen im Irrsinn der Stadt. Zum Glück nur um die Ecke, da steht das Kind mit dem Auto und karrt Mama heim. Selten hab ich die Ruhe hier oben so wohltuend empfunden wie heute. Wenn man nicht mitten in der Stadt lebt, kommt einem das Chaos im Advent vor wie ein unfassliches Schauspiel der Rennerei. Es ist ein ganz normaler Mittwoch. Nicht man der 23. Leute! Entspannt euch! Selten hab ich mich so auf mein Zuhause und das Arbeiten in der tiefen Ruhe hier oben auf dem Berg gefreut wie heute. Und ich danke meinem Doc, der mir so viel Betäubung ins OP-Gebiet gejagt hat, dass ich auch drei Stunden später nix spüre und ich danke meiner Vorausschau, dass ich alle Kontroll- und Fadenziehtermine hier um die Ecke beim Hausarzt haben darf. Nee, aus mir wird nie ein Städter werden. Was für ein Glück.
Allen einen ruhigen, entspannten und freudigen Jupitertag!
Ein Männlein steht im Walde ganz still und stumm,
Es hat von lauter Purpur ein Mäntlein um.
Sagt, wer mag das Männlein sein,
Das da steht im Wald allein
Mit dem purpurroten Mäntelein.
Das Männlein steht im Walde auf einem Bein
Und hat auf seinem Haupte schwarz Käpplein klein,
Sagt, wer mag das Männlein sein,
Das da steht im Wald allein
Mit dem kleinen schwarzen Käppelein?
Hoffmann von Fallersleben