Yearly Archives: 2018

Freuden und Leiden

Die Freuden können wir in der Gegenwart,
Die Leiden aber erst in der Zukunft schätzen.
Die ersteren sind Geschenke des guten Gesetzes,
Die letzteren aber sind die Lehrer der Weisheit.

Rudolf Steiner

Danke an Theresa für das Foto vom Camino in Portugal

Donnerstags-Nachdenk-Input

Am Dienstagabend gab es in der Alten Synagoge in Kitzingen den Vortrag zum Thema Einsamkeit. Es war ein wunderschöner Abend gemeinsam mit vielen Menschen, die das Gefühl von Einsamkeit kennen und gern etwas dagegen unternehmen möchten. Ich hoffe, dass ich viele Anregungen vermitteln konnte. Ich habe mich sehr gefreut, danach doch einige Grüppchen im Gespräch zu erleben. Die Vortragsabende in der Synagoge sind getragen von der guten Atmosphäre dort und dem großartigen Vertrauensverhältnis, das zwischen den Zuhörenden und mir seit einigen Jahren wachsen darf. Der Kreis wird größer und ich bin dafür von Herzen dankbar. Am 22. Januar werde ich das nächste Mal in diesem Rahmen sprechen dürfen. Für mich berührende, besondere und wertvolle Abende.

Ich würde gern eure Schwarmintelligenz etwas fragen: Was wünscht ihr euch denn an Vortragsthemen und Kursen? Wo habt ihr Bedarf nach mehr Wissen, Können, Ausbau von Potentialen? Braucht ihr mehr im Bereich Persönlichkeitsentwicklung und wenn ja, in welcher Form? Oder mehr im Bereich Fortbildung, berufliche Qualifikation? Auch da ist die Frage nach der Form. Viele von euch möchten kürzere Einheiten haben über fünf, sechs Wochenenden, die sich dann modular zu etwas Größerem zusammenbauen lassen. Was ist eure Meinung dazu? Gern auch direkt privat an mich, ich sammle gerade Ideen. In den nächsten Wochen werden wir hier ebenfalls in eine Klausurtagung gehen und unser Angebot auf Herz und Nieren prüfen. Da würde ich eure Ansichten und Wünsche gern mitnehmen und ihnen Raum in unseren Herzen geben. Ich danke euch sehr für euer Feedback.

Allen einen frohen Jupitertag.

Seele, sei still

Ich sprach zu meiner Seele, sei still und warte, ohne zu hoffen,

Denn Hoffen wäre auf Falsches gerichtet: Warte, ohne zu lieben,

Denn Liebe wäre auf Falsches gerichtet: da ist noch der Glaube,

Doch Glaube und Liebe und Hoffen sind alle im Warten.

Warte, ohne zu denken, denn zum Denken bist du nicht reif,

Geraune fließenden Wassers, Wetterleuchten im Winter,

Der ungesehene wilde Thymian und die Waldbeere,

Das Lachen im Garten, Echo der Ekstase

Nicht verloren, aber fordernd, weisend auf die Agonie

Von Tod und Geburt.

T.S. Eliot, aus East Coker

Danke an Theresa für das Foto aus Afrika!

Mittwochs-Nachdenk-Input

Schon wieder Wochenteilungstag! Letzte Woche am Mittwoch fuhren wir zur Klausurtagung ins Kloster Schöntal! Manchmal staune ich, wie schnell die Tage verfliegen. Sie sind gefüllt mit spannenden Terminen. Zum Beispiel heute (Dienstag)Abend ist um 19.30 Uhr in der Alten Synagoge Kitzingen der Vortrag zum Thema „Einsamkeit“, gern noch dazukommen, und am morgigen Mittwochabendfindet im Rahmen der GlücksWERKstatt unser Austausch zum Thema „Lieblingsgedicht/e“ statt. Wir werden reihum hören, welche Texte zu euren Favoriten gehören und vielleicht auch, warum sie euch so am Herzen liegen.

In den Pausen zwischen einzelnen Gesprächsterminen und Veranstaltungen denke ich über den Vortrag für nächste Woche nach „Vom guten Leben“. Was ist denn ein gutes Leben? Welche Leben könnten wir denn als gelungen bezeichnen und gibt es Kriterien für dieses gute Leben? Was kann man tun, um „gut zu leben“? Ich bin gespannt, was letztlich als Vortrag entstehen will. Bitte für diesen Vortrag am Donnerstag, 15. 11., 19.30 Uhr in der Praxis anmelden.

So nach und nach kommen die Weihnachtsvorbereitungen an ein Ende. Ich gehöre zu den Menschen, die ihre Weihnachtspost schon Anfang Dezember aufgeben, weil einiges ins Ausland geht und ich nicht möchte, dass Postboten am 24. 12. keuchend irgendwo bemüht sein müssen, zu spät aufgegebene Päckchen noch abzuliefern. Lieber rechtzeitig und entspannt. Praktisch, einige Menschen haben auch Anfang oder Mitte Dezember Geburtstag und dann ist das alles gleich in einem Paket drin, macht Sinn.

Ich sammle das ganze Jahr über Geschenke. Wann immer ich mal irgendwo hinkomme, schaue ich, was es dort gibt und wer sich darüber freuen wird. Ich weiß jetzt schon, wer sich über die Räuberlinsen aus dem Kloster Schöntal und eine dort geweihte Marienkerze freuen wird. Noch ist mir kein guter Text für die Weihnachtskarte eingefallen, aber da ich die Weihnachtspost ohnehin zum Großteil vermaile, ist das auch noch nicht schlimm.

Wer ein gutes Werk tun möchte, kann heute gleich zweifach tätig werden. Heute steht für eine liebe Klientin ein sehr, sehr schweres Gespräch an zur Behandlung ihres schwerkranken Jungen. Wer mag, schickt ihr einfach liebe unterstützende Gedanken, damit das Beste für das Kind herauskommen kann. Und wir brauchen alle guten Wünsche und Gebete für einen Familienpapa, der einen Hirntumor hat. Er ist gutartig, aber leider immer wieder schnell nachwachsend. Und heute, kurz nach einer sehr schweren OP, gab es Komplikationen. Nehmen wir die beiden, ihre Familien und Freunde, aber auch alle Menschen, die in irgendeiner Weise Unterstützung brauchen, mit in unser Herz und, wo das nötig ist, auch in unser Handeln hinein.

Allen einen feinen Merkurtag.

 

 

 

 

Was zu vermeiden ist

Ganz besonders sollte man jedoch die Verdrießlichen meiden, die alles bejammern und denen jeder Anlass hochwillkommen ist zum Lamentieren.

Seneca

Danke an Steffi für das atemberaubende Foto von heute Vormittag!

Dienstags-Nachdenk-Input

Der Geist ist beschäftigt mit dem morgigen Vortrag über Einsamkeit 19.30 Uhr, Alte Synagoge Kitzingen. Noch nie war ich so knapp mit Vorbereitungen wie dieses Mal. Ich bin nicht dazu gekommen und der heutige Tag ist nicht dazu angetan, da viel zu bewegen. Ich bin gespannt. Im Kopf bin ich seit Wochen mit diesem Thema befasst, aber ich muss es noch in eine vortragsfähige Form bringen. Welche der vielen Fakten werde ich nehmen? Was hat Aussagekraft, was ist hilfreich? Welche Menschen kommen, aus welchen Gründen tun sie das und was erwarten und wünschen sie sich von so einem Abend? Solche Fragen wollen bedacht werden.

Themen entstehen entweder aus dem, was mir die Klienten oder Schüler rückmelden, oder dem, was ich so allgemein höre. Was wird Menschen in einem halben Jahr bewegen? Der Planungsrahmen für Veranstaltungen dieser Art liegt zwischen einem Vierteljahr und 15 Monaten. Der Planungsrahmen für Kurse im Haus bei drei Jahren, denn Termine anderer Institutionen müssen abgeglichen und eingetaktet werden, damit die Abstände zwischen den Kursen einigermaßen passen. Ferien werfen Planungen durcheinander und vor allem Veränderungen. Wenn irgendwo sich etwas verschiebt, geht die krasse Umterminiererei los. Ein Horror. Das Jahr hat nun mal nur 52 Wochenenden, viele sind Feiertage oder Ferienzeit, also auch nicht belegbar, dann wird es je nach Anzahl der Veranstaltungen eng. Solche Fragen bedenkt kaum jemand, der damit nichts zu tun hat. Deshalb höre ich oft: Verleg das doch einfach. – Genau das geht nicht bei drei Jahren Vorlaufzeit, an einer Institution sind es sogar vier, deren Termine ich berücksichtigen muss. Schulen mit 60 Dozenten können nicht aus der Hüfte heraus Termine legen, wie es irgendjemandem in den Kram passt oder Rücksichten nehmen. Es braucht mehr Verbindlichkeit in Zusagen, mehr Ja zu dem, was man tut, weniger Halbheiten und „mach ich, wenn ich Lust hab, sonst nicht“. Verlässlichkeit ist ein gesunderhaltender Faktor im menschlichen Dazwischen wie vieles andere auch, was wir mal als Kultur gepflegt haben, heute aber nicht mehr. So verlieren wir Stück für Stück viele unserer Hilfssicherheiten im Leben (Sicherheiten gibt es kaum), wird das Leben unberechenbarer und damit auch schwieriger. Vorbeugen ist einfach: Tu, was du tust. Und wenn du Ja sagst, meine Ja.

Allen einen spannenden Marstag.

Vögel sitzen und träumen

Der Nachtwind hat in den Bäumen
Sein Rauschen eingestellt,
Die Vögel sitzen und träumen
Am Aste traut gesellt.

Die ferne schmächtige Quelle,
Weil alles andre ruht,
Lässt hörbar nun Welle auf Welle
Hinflüstern ihre Flut.

Und wenn die Nähe verklungen,
Dann kommen an die Reih
Die leisen Erinnerungen
Und weinen fern vorbei.

Dass alles vorübersterbe,
Ist alt und allbekannt;
Doch diese Wehmut, die herbe,
Hat niemand noch gebannt.

Nikolaus Lenau

Danke an Theresa für das Frühlingsfoto aus dem Veitshöchheimer Hofgarten.

Montags-Nachdenk-Input

Heute ist der neue Rogerskurs gestartet. Wie schön, wenn sich Menschen zusammenfinden, um Authentizität, Empathie und Wertschätzung zu erfahren, zu erleben und zu erarbeiten, wie dies in unsere tägliche Arbeit einfließen kann. Der Kurs wird von Therapeuten aller Arten belegt, denn sprechen müssen alle Therapeuten mit ihren Klienten/Patienten, aber auch von Chefs, die ihre Mitarbeiter auf gute Weise führen möchten und er wird auch gern zur Selbsterfahrung genutzt. Wer noch mit einsteigen will, hat am 16. Dezember Gelegenheit dazu. Wir haben dann noch fünf Kurstage vor uns.

Die Woche wird spannend. Am Dienstag geht es um 19.30 Uhr in der Alten Synagoge in Kitzingen im Rahmen der VHS-Vorträge um das Thema „Einsamkeit“. Einsam fühlen wir uns alle hin und wieder, aber Einsamkeit ist heute ein ganz anderes Phänomen von der Menge der Betroffenen und der Schwere der Wahrnehmung her. Wir haben Kontakte, aber keine Freundschaften, pflegen unsere „Connections“, aber nicht die Begegnung von Herz zu Herz. Soziale Isolation ist ein großes Thema. Wer sich dafür interessiert – einfach vorbeikommen.

Am Mittwoch ist hier im Haus bei uns wieder GlücksWERKstatt und ihr habt euch das Thema Gedichte gewünscht. Ich werde ein paar Sätze zu Gedichten sagen, aber der Schwerpunkt liegt auf dem Austausch – was ist DEIN persönliches Lieblingsgedicht oder was sind deine Favoriten? Wer Lust hat, kann gern mit dazu kommen, bitte Bescheid geben wegen der Plätze. Mitzubringen ist gute Laune, Neugier auf „noch’n Gedicht“ und das eigene Lieblingsgedicht oder die meist geliebten, wenn es mehrere sind (was bei den meisten Menschen der Fall sein dürfte). Erlaubt ist, was gefällt. Vielfalt erwünscht.

Ansonsten hoffe ich darauf, diese Woche innerlich mit dem Thema ein bisschen weiterzugehen, das im Kloster Schöntal angeregt wurde und wo ich dann passend wenigstens wieder mal die erste Hälfte des Films „Die stille Revolution“ dazu angeschaut habe, um das Thema auch von der Businessseite aus anzugehen. Ich werde drei Tage in Vaihingen an der Akademie für Kurse sein und gedenke, die Abende/Nächte gut zum Nachdenken zu nutzen. „Wo und wie finde ich den Geist?“ – das ist die Frage. Gemeint ist damit, sich bewusst zu werden, was wir heute in unserer Welt unter Geist verstehen. Dazu passt unsere derzeit intensivere Beschäftigung wegen der Kursvorbereitung zu der im Januar startenden Reihe „LebensKUNSTseminar“ mit einem der Unterthemen Tugenden und Werte. Geistes-Gegenwart, geist-reich, geistige Klarheit, Erkenntnis und ihre Wirkung auf den Alltag – all das sind Schlagworte, die mich derzeit innerlich stark bewegen und viele Fragen hochwirbeln. Wäre ich Hilde Domin, würde ich sagen: Wer es könnte, die Welt hochwerfen, damit der Wind hindurchfährt. So ist das Nach-Denken, das Bewegen in Herz und Sinn, etwas, das schwer fällt neben dem normalen Alltag her. Da braucht es sehr bewusst die Entscheidung, sich ab und an innerliche Auszeiten zu nehmen, damit Gedanken bis zum Ende durchdacht werden können, ohne Ablenkung, ohne Flucht vor Erkenntnisschwere in Arbeit oder irgendwelchen Alltagskrempel. Ich glaube, dass das ein wichtiges Thema unserer Zeit ist: Geistes-Gegenwart zu erfahren, denn das ist es, was ich dauernd bei den Menschen, mit denen ich arbeite, erleben darf – die Sehnsucht nach der Wiederanbindung an etwas, das größer ist als wir selbst. Wir nennen das „religio“, wieder anbinden. Wo können wir unsere Sehnsucht anbinden, unter welchen Schutz und Schirm unser Menschsein stellen? Spannend. Mal sehen, wie wir das dann letztlich in den LebensKUNSTseminaren umsetzen werden.

Allen einen gelungenen Start in diese neue Woche. Mögen wir gut behütet durch die Tage kommen.

Geistesschulung

Einsamkeit, verbunden mit einem klaren heiteren Bewusstsein ist, ich behaupte es, die einzig wahre Schule für einen Geist von edlen Anlagen.

Gottfried Keller

Danke an Theresa für das Foto vom Camino in diesem Sommer!

Wochenend-Nachdenk-Input

Nach zwei Tagen Klausur mit wegweisendem Miteinander für die Akademie Vaihingen in Kloster Schöntal wieder zurück im Alltag. Die Akademie wird 21, also erwachsen und es stehen viele Dinge an, die nun neu gegriffen werden möchten. Das Schöne daran – wir haben wieder einmal gesehen, wie viel bewirkt werden kann, wenn man sich außerhalb des örtlichen Rahmens befindet, sich zusammensetzt und nur auf das konzentriert, was ansteht. Kein Kochen und Wäsche waschen zwischendurch, keine Mails beantworten, kein Telefonat führen, nichts anderes außer Konzentration auf die Aufgabe. Da bewegt man dann auch in zwei Tagen eine gewaltige Menge.

Mich hat das sehr beeindruckt, weil es auch zu spannenden eigenen Überlegungen geführt hat, die mit Konsequenzen für meine Arbeit und die Gestaltung meines Lebens verbunden sind. Es hat zu zentralen Lebensfragen meinerseits geführt. Interessant, denn normalerweise verbringe ich ein Wochenende im Monat in Vaihingen, um dort die angehenden Heilpraktiker für Psychotherapie zu unterrichten, die Akademie ist aber auch eines meiner geistigen Mutterhäuser und genau diese Bedeutung ist mir wieder sehr bewusst geworden. Wir brauchen heute Verbindlichkeit, Wiederanbindung an das Geistige, inneres Wachstum, innere und äußere Stabilität sowie Kenntnisse über das Leben, die tiefgreifend sind, aber auch weitreichend genug, um die Herausforderungen der Zeit zu bewältigen. All das  habe ich erleben können. Das wird sich auch auf mein Angebot hier bei uns im LebensRAUM auswirken. Wir müssen uns gut aufstellen für die Aufgaben der Welt, seien sie ganz real im Alltag, aber auch geistig in unserer Menschheitsentwicklung.

Am Abend dann ganz spontan ins Kino. Bohemian Rhapsody. Gut, dass wir den Film im Kino angeschaut haben. Die große Leinwand und der Wummersound vor Ort sind einfach ganz anders, als wenn wir uns irgendwann die DVD daheim reingezogen hätten. Fast durchgehend Mittelalter im Kino, das hat man auch selten und wenig freie Plätze. Wie wahr die Story wirklich am Leben von Queen war, sei dahingestellt. Fakt ist, dass der Film klasse war. Na gut, derzeit könnte man ohnehin im Kino übernachten, weil viele gute Sachen am Laufen sind. Entschädigt für letzten Winter, außer Phantastische Tierwesen war da ja kaum ein Highlight am Start.

Dafür dann am Morgen im Schwimmbad Wettstreit der lahmen Enten. Ich bin zu alt, um mir Nächte um die Ohren zu hauen. Insofern war das eine Woche, die nicht so oft wiederholt werden sollte. Aber wann trifft man auf eine Gruppe Menschen, die sich in der Konstellation vielleicht nie wiedersehen wird? Schicksalsfäden, die sich verweben, ganz direkt und spürbar. Wer weiß, was sie für Seile bilden sollen für Gemeinschaften. Oder, wie es ein Teilnehmer aus Ungarn so schön bezeichnete: Weggefährten. Jep. Ein bisschen so haben wir uns auch gefühlt. Nur ohne Ringe und Elbenbrot (das Büffett hat das gut ersetzt).

Allen ein schicksalsträchtiges (im positivsten Sinne) Wochenende.

 

 

Herbst

O du wunderschöner Herbst,
Wie du die Blätter golden färbst,
Deiner reinen Luft so klar und still,
Noch einmal ich mich freuen will.

Ich geh den Wald, den Weiher entlang;
Es schweigt das Leben, es schweigt Gesang,
Ich hemme den Schritt, ich hemme den Lauf
Erinnerungen ziehen herauf.

Erinnerungen sehen mich an,
Haben es wohl auch sonst getan.
Nur eins hält nicht mehr damit Schritt.
Lachende Zukunft geht nicht mehr mit.

Vergangenheit hält mich in ihrem Bann,
Vergangenheit hat mir’s angetan;
Den Blick in den Herbst, den hab ich frei,
Den Blick in den Herbst. Aber der Mai?

Das Foto habe ich aus dem Seminarraum der Klausurtagung diese Woche gemacht im Kloster Schöntal.

Theodor Fontane

Freitags-Nachdenk-Input

Wenn morgens der erste Blick Richtung Decke geht und man blickt in ein meterhohes Kreuzgewölbe, ist das schon gigantisch. Wird einem dann bewusst, dass man dort übernachtet, wo Jahrhunderte Mönche gelebt haben, wo man am Vorabend bei einer Aufstellung mitbeteiligt war, die tiefgreifend für alle war und man mit Menschen in einer Klausurtagung sitzt, bei der es mehr geht als zur Gestaltung eines Festes, ist der Ort Kloster gut gewählt. Nicht nur besaßen die Mönche und Nonnen des Mittelalters ein unglaublich gutes Gespür für Kraftorte, sondern Klöster sind Stätten des Glaubens und des Gebets. Geht man als moderner Mensch an einen solchen Ort, wird bei genügend Aufmerksamkeit sehr wohl spürbar, wie viel an guten Gedanken (nicht nur natürlich, aber eben auch) diese Orte aufgesogen haben. So, dass sie auch Jahrhunderte später in der Lage sind, Kraft zu spenden, auch wenn wir heutigen Menschen vieles anders sehen als die mittelalterlichen Menschen.

Manchmal geschehen bei Aufstellungen Dinge, die weit jenseits der eigentlichen Fragestellung stehen. Und wenn ich sonst immer selbst die Aufstellungen leite und mit einem Mal in der Situation war, selbst innerhalb einer Aufstellung zu stehen, haut es mich noch immer von den Socken, was in den jeweiligen Stellvertreterpositionen zu erleben und zu erfahren ist. Deshalb wurde ich an diesem Vorabend, an dem der Rest der Welt Halloween feierte, plötzlich ganz bewusster Besucher der Zwischenwelten zwischen Himmel und Erde auf eine ganz andere Art und Weise als die Kinder, die Süßigkeiten suchend von Haus zu Haus gehen. Erwacht man dann in den Allerheiligentag, bekommt der Tag Würde, Ernst und ein ganz neues Verständnis.

So gehe ich jetzt in ein Wochenende, an dem wir nicht nur mit den Heilpraktikern Kurstag haben, sondern auch der neue Kurs in Gesprächstherapie startet. Und ich freue mich, denn nicht nur für die Akademie Vaihingen, bei deren Klausurtagung wir jetzt zwei Tage zu Gast sein durften, ist in diesen Stunden viel entwickelt worden, sondern für uns beide wurden so viele Dinge mit einem Schlag klarer. Wenn Klarheit herrscht, kann man seinen Weg besser sehen. Und sieht man seinen Weg, entfallen manche Nebenwege, die man sonst im Nebel genommen hätte.

Insofern ein höchst bemerkenswertes Halloween und ein ganz tief begriffenes Allerheiligen.

Allen einen guten Neustart in diesen Freitag.

Foto: Aufwachen im Kloster Schöntal mit Blick zur gigantischen Decke. Unglaublich.

Hinter Klostermauern schläft es sich gut

 

Der hat sich wohl gebettet, / der aus der stürmischen Lebenswelle, / zeitig gewarnt, sich herausgerettet / in des Klosters friedliche Zelle, / der die stachelnde Sucht der Ehren / von sich warf und die eitle Lust / und die Wünsche, die ewig begehren, / eingeschläfert in ruhiger Brust.

Friedrich Schiller

Das Morgen-Foto aus einem Zimmer im Kloster Schöntal im Jagsttal

Donnerstags-Nachdenk-Input

Eine spannende Debatte ist entstanden wegen meiner These, Mozart sei für Junge und Alte. Die Mozartfans haben mir das sehr übel genommen. Was ich damit meine: Kinder haben sofort Zugang zu Mozarts Musik. Sie werden gleich eingenommen von seinen Werken. Alte Menschen hören in ihm das Genie. Und ich persönlich musste 40 werden, bis ich Zugang zu Mozart fand und seine Werke sehr schätzen kann. Dazu brauchte es viele Jahre viel Mozart, um das Bild von Rock me Amadeus aus dem Kopf zu bekommen und mich dem Menschen Mozart anzunähern, dessen Genius in höchste Höhen griff, um den Klang direkt von dort aufs Papier zu bringen. Es ist etwas sehr Persönliches, die Frage nach der Musik. Bei vielen Komponisten ist das so, entweder findet man Zugang oder keinen.

Fakt ist: Musik ist für uns Menschen so unglaublich wichtig. Jeder Mensch ist Schwingung, also auch Klang und alle können singen, auch wenn sie es nicht glauben. Tun wir es ruhig. Forschungen haben belegt, dass schon 10 Minuten Singen in einem Chor Oxytocin ausschüttet, das Hormon, das für das Gefühl der Verbindung zuständig ist. Singen pflegt unsere Stimme und die hat nicht nur vom Namen her viel mit unserer Stimmung zu tun. „Wo die Sprache aufhört, fängt die Musik an“, heißt es.

Ich habe für jede Stimmung die passende Musik, quer durch alle Zeiten (na gut, nicht quer. Sehr eingeschränkt im Vergleich zu vielen, weil bachlastig). Im Studium fragte ich im Plattenladen nach einer Musik, die richtig, richtig krass schwer sei, so passend für „ich kann nicht mehr“-Momente im Leben. Der Händler – ein Meister seines Fachs übrigens, dessen Wissen meine Hörbibliothek immens bereichert hat mit seinen Tipps – drückte mir Rachmaninoffs 3. Klavierkonzert mit den Worten „zum Sterben schön“ in die Hand. Der Mann hatte, wie immer, Recht. Später jubelte er mir die Schottische Fantasie von Bruch unter, Verhängnis. Ich darf sie seit Jahren nicht auflegen, weil mein Umfeld Sorge trägt, die nächsten 10 Jahre nichts anderes mehr zu hören. Immer wieder lande ich bei meinen Klassikern. Meine Hitliste kann man bequem auf einer CD unterbringen. Das würde mir zeitlebens reichen und mir wäre keine Minute hörlangweilig.

Deshalb muss ich mir trotzdem Bohemian Rhapsody im Kino anschauen. Danach kann ich mich ja bei Bachs „Schafe können sicher weiden“ erholen.

Allen einen Feiertage, der viele zu Familientreffen führen wird. Mögen es gute Gespräche und Zusammenkünfte sein. Wer aus dem Kampf den Kampf entfernt, wird überrascht sein, was möglich ist.

Novemberstimmung

Die Flur umher
es kalt durchweht,
wo nirgend mehr
ein Blümlein steht.

Im Wald zerstiebt
das welke Laub –
Die ich geliebt,
sind alle Staub.

Sich frühe neigt
der Sonne Lauf,
am Himmel steigt
der Mond herauf.

Es füllt sich sacht
das Sternenzelt.
Sie sind erwacht
in jener Welt.

Martin Greif, 1839–1911

Danke an Ursula für dieses starke Foto