Monthly Archives: August 2019

Mittwochs-Nachdenk-Input

Garten und Bibliothek – ich würde noch die Tasse Tee ergänzen, dann ist das Paradies perfekt. Ich freue mich sehr, wenn für uns auch die Ferien anbrechen, denn dann ist der Garten herbstfertig zu machen. Ich habe den wahnsinnigen Plan, meine Bibliothek durchzusortieren. Das habe ich vor einigen Jahren gemacht, als wir einen Bücherschrank angeschafft haben. Blöderweise ist das eine lebendige Bibliothek, das bedeutet, ich hole dieses und jenes, weil ich es für Kurse, Vorträge oder anderes brauche, ich sortiere neu ein und die Sammlung wächst, irgendwann rutschen Bücher dann in die zweite Reihe, sie liegen quer und meine Systematik gerät ins Wanken. Ich weiß noch nicht, ob ich dieses Unterfangen ernstlich vornehmen will, denn ich suche immer noch seit dem letzten Sortieren Bücher, aber da wir damals so viele verkauft haben, gehe ich mal davon aus, dass sie einem Anfall von „brauch ich sicher nicht mehr, geben wir ab“ zum Opfer gefallen sind. Bücher sind für mich lebendige Wesen und ein sehr wesentlicher Bestandteil meines Lebens. Die Bibliothek umzusortieren kommt einem Großumzug gleich. Wir werden sehen, ob es genug Regentage gibt, um das wirklich zu machen oder ob das ein 2020er Projekt werden mag. Immerhin ist erst die Krankengymnastik für die Schulter gestartet, vielleicht ist da das Umräumen schwerer Folianten noch nicht so der Plan. Oh, ich stelle fest, dass ich schon Argumente dagegen suche … Vielleicht nehme ich mir doch meinen Vortrag über Prokrastination (= Aufschieberitis) noch mal vor.

Allen einen aufschiebefreien Wochenteilungstag!

Das Foto fiel mir heute in die Hände. Es entstand bei einem wunderbaren Abend der GlücksWERKstatt, als wir aus Blüten und Karten ein herrliches Mandala legten.

Dienstags-Nachdenk-Input

Sich treiben lassen – das ist das, was wir im Urlaub üben. In den Tag hineinleben und verwundert feststellen, dass er vorbeigeht ist eine Erfahrung, die die Ferienmenschen derzeit vielleicht machen. Ohne Uhr, ohne Zeitmesser, verlieren wir im Urlaub schnell das Gefühl für Tag, Datum und Uhrzeit. So mancher stand einen Tag zu spät im Flughafen, weil er aus der Zeit geraten ist.

Was Seneca vermutlich eher aufregte, war die Erkenntnis, dass wir oft nicht wissen, wie wir von A nach B gekommen sind vor lauter Träumerei unterwegs und Abgelenktsein. Das nennt er schimpflich und für ihn ist gehen offensichtlich ein achtsamer Prozess. Am Samstag hab ich mir beim Warten auf einen Zug viele Menschen angeschaut, die die Bahnhofshalle gequert haben. Manche sehr zielgerichtet zu den Gleisen, andere sehr zielgerichtet nach draußen zur Straßenbahn oder zu abholenden Menschen. Andere sind wie kleine Inseln durch die Halle geschwommen, hier mal in einer Zeitschrift geblättert, dort einen Kaffee geholt, noch schnell Shampoo kaufen und dann aber in größter Hektik beim Blick auf die Bahnhofsuhr Sprint zum Gleis. Der Bahnhof ist wie ein Hafen, an dem Schiffe anlegen und abfahren, dazwischen ist die Halle wie eine Pufferzone, in der holt man sich Proviant zum Essen, zum Lesen, vertreibt sich die Zeit und überlegt, ob Nudeln vom Asiaten noch gehen oder doch nur das belegte Brötchen reinpasst. Hier eine Auskunft, dort ein Blick. Menschen fallen sich in die Arme, trennen sich. Mikrokosmos Bahnhof als Abbild für den Makrokosmos Welt. Ich erinnerte mich an die Aussage von Beuys, dass moderne Einweihungen im Hauptbahnhof stattfinden, also mitten in unserem Leben. Dieser Gedanke hat mich das gesamte Wochenende begleitet. Wir erleben Einweihungsmysterien im Alltag, früher waren das jahrelange Ausbildungen, abgeschottet von der Welt. Ob uns das allen so bewusst ist, dass unsere Schicksalsschläge Prüfungen auf dem Weg zur geistigen Welt sein können? Vermutlich ist uns der Bahnhof da als alltägliches Durchgangstor zwischen zwei Welten näher. Ein bisschen was von Gleis 10 ¾ wie bei Harry Potter hatte diese Bahnhofszeit auch, denn Rowling greift das Thema zweier Welten da auch ganz bewusst auf. Also Frage: Welche Welt wählst du heute, ob mit oder ohne Bahnhof?

Allen einen aktiven Dienstag.

Danke an das Wanderstiefelfoto von Theresa

Wie bin ich bloß hierhergekommen?

Schimpflich ist es, nicht zu gehen, sondern sich treiben zu lassen und mitten im Wirbel der Dinge verblüfft zu fragen: Wie bin ich bloß hierher gekommen?

Seneca, römischer Dichter und Philosoph, 1 – 65

 

Dieser Pilger im alten Pilgergewand weiß vermutlich, wie er auf den Jakobsweg gekommen ist. Danke an Theresa für das Foto!

Montags-Nachdenk-Input

„Der beste Weg zur Gesundheit ist der Fußweg“, sagt ein Sprichwort, und „es ginge alles besser, wenn wir mehr gingen“. Da steckt viel Wahrheit drin. Wenn wir schnell für fünf Tage ans Ende der Welt fliegen, ist das nicht nur  ökologisch problematisch. „Europa in 14 Tagen“ war lange Zeit für Menschen aus Asien das Nonplusultra und auch Europäer haben so die Vorstellung, bestimmte Länder in zwei Wochen gut kennen zu lernen. Ich denke, man lernt ein Land nicht kennen, indem man die Hauptstadt besucht und die sogenannten Hotspots besichtigt hat. Man lernt es kennen, indem man Kontakt mit den Menschen hat, die dort leben. Isst, was sie essen, ihre Lieder lernt und beobachten kann, wie sie mit ihrem Nachwuchs umgehen. Das braucht Zeit.

Wandern ist modern. Multifunktionskleidung, GPS-gestützte Wanderkarten, ein Jahr im voraus gebuchte Plätze in den angesagten Hütten. Für mich ist Wandern mit Rucksack verbunden. Mit zwei Paar Socken in knöchelhohen Stiefeln mit langen Bändeln und einem Anorak. Mit Taschenmesser und Wasserflasche, Äpfeln. Daran erinnere ich mich gern. Wir hatten keine Funktionskleidung. Wir sind im Wald herumgestolpert ohne Insektenschutzmittel und Zeckenkarte in der Hoffnung, irgendwann aus der Wildnis aufzutauchen. Wir hatten weder Karte noch Handy und lauschten gebannt den Geschichten von „achte auf das Moos am Baum, es sagt dir was über die richtige Himmelsrichtung“ und abends am Lagerfeuer gab es Stockbrot und Lieder mit Gitarre.

Suum cuique, jedem das Seine. Ich freue mich über jeden, der etwa zu Fuß erkundet, er entschleunigt, bewegt sich und ist draußen. Er hat Muße, auch etwas zu sehen. Er bemerkt Schnecken am Wegesrand ebenso wie Flora und Fauna direkt. Er lernt, die Wolken zu beobachten und weiß, dass es sich im Frühtau besser geht als mittags in der Hitze. Und wer zu Fuß geht, sortiert dabei sein Gehirn automatisch. Perfekt also für alle, deren mind full ist und die auf der Suche nach mindfullness sind.

Allen einen guten Wochenstart! Ich freue mich auf die Klienten, mit denen ich diese Woche arbeiten werde und auf ihre Themen. Für mich ist das so spannend, die Innenwelten der Menschen zu erkunden wie für andere, fremde Länder kennen zu lernen.

Theresas Foto zeigt das „Ende der Welt“, Finsterra, in Spanien

 

Fuß-Gänger

Nur wo du zu Fuß warst, bist du auch wirklich gewesen.

Johann Wolfgang von Goethe, 1749 – 1832

Danke an Theresa für das Foto vom diesjährigen Jakobsweg

Wochenend-Nachdenk-Input

Fahnen vieler Länder – für mich ein Symbol für Ferien. Viele Menschen nutzen die Ferienzeit, um fremde Länder, andere Kontinente zu bereisen und ihren Horizont zu erweitern. Andere Länder, andere Sitten, und „wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erzählen“. Mögen alle Ferienmenschen, die fremde Länder besuchen, dies mit Respekt vor der Natur, der Kultur und dem tun, was dieses Land auszeichnet. Sie kommen als Gäste, Gäste sind höflich, lernen Neues kennen und bedanken sich. Dann entsteht Offenheit, dann werden Begegnungen zur Bereicherung. Urlauber sind Besucher, keine Invasoren. Urlauben wir so, wie wir uns wünschen würden, dass uns vollkommen fremde Menschen in unseren vier Wänden für eine Zeitlang leben.

Drei Tage Krankenhaus liegen hinter mir, der Schulter geht es soweit gut. Ärztliche Kunst hat Vorteile. Nachdem ja in den letzten Monaten Krankenhäuser die von mir am meisten aufgesuchten Örtlichkeiten waren durch die Krankheiten innerhalb der Familie, muss ich sagen – ich habs gut erwischt. Supernette Schwestern, aufmerksam, hilfsbereit und nett. Eine Schwester, die sich an mich erinnert hat, als ich vor 30 Jahren dort Patientin war! Sie ist seit 40 Jahren dort und das spricht auch für sich. Ich hatte den Beginn der Ferien erwischt und das Megaglück, allein im Zimmer zu sein, auch das war toll. Ein kleineres Haus hat andere Qualitäten als die Uniklinik mit ihren Tausenden von Betten und Patienten und dem Durchsatz dort.

Erstaunlich, was man im Krankenhaus alles lernt und wie es sich anfühlt. Ich war in der Theresienklinik mitten in der Stadt und doch ist eine Klinik ein Kosmos für sich, beschränkt sich der Tag auf wenige Meter rund ums Bett, wenn überhaupt, wird die Welt drinnen klein und die draußen groß. Erstaunlich, wie laut angetrunkene Menschen nachts in der Stadt unterwegs sind. Ich habe die letzten Monate viel vom Arbeitsalltag der Ärzte und Schwestern miterlebt in drei Kliniken und habe großen Respekt vor ihrer Arbeitsleistung, ihrem Bemühen um die Patienten und den Druck, dem alle standhalten müssen. Ich staune über die Fortschritte der Medizin und die rasche Mobilisierung der Patienten. In meiner Kindheit waren Menschen manchmal Monate lang zu Behandlungen in Sanatorien. Pflege war ein wichtiger Bestandteil des Klinikalltags. Vieles hat sich verändert. Vieles zum Positiven. Manches hinterlässt Fragen, ob nicht erst der menschliche (und darüber hinaus medizinisch relevante) Aspekt einer pflegerischen Anwendung zur Genesung von Menschen auf eine ganz andere Weise beiträgt und den Menschen wieder zum Menschen macht.

Allen, die dieses Wochenende in die Ferien starten – habt eine gute Auszeit. Allen anderen ein feines Wochenende.