Yearly Archives: 2019

Dienstags-Nachdenk-Input

Sich treiben lassen – das ist das, was wir im Urlaub üben. In den Tag hineinleben und verwundert feststellen, dass er vorbeigeht ist eine Erfahrung, die die Ferienmenschen derzeit vielleicht machen. Ohne Uhr, ohne Zeitmesser, verlieren wir im Urlaub schnell das Gefühl für Tag, Datum und Uhrzeit. So mancher stand einen Tag zu spät im Flughafen, weil er aus der Zeit geraten ist.

Was Seneca vermutlich eher aufregte, war die Erkenntnis, dass wir oft nicht wissen, wie wir von A nach B gekommen sind vor lauter Träumerei unterwegs und Abgelenktsein. Das nennt er schimpflich und für ihn ist gehen offensichtlich ein achtsamer Prozess. Am Samstag hab ich mir beim Warten auf einen Zug viele Menschen angeschaut, die die Bahnhofshalle gequert haben. Manche sehr zielgerichtet zu den Gleisen, andere sehr zielgerichtet nach draußen zur Straßenbahn oder zu abholenden Menschen. Andere sind wie kleine Inseln durch die Halle geschwommen, hier mal in einer Zeitschrift geblättert, dort einen Kaffee geholt, noch schnell Shampoo kaufen und dann aber in größter Hektik beim Blick auf die Bahnhofsuhr Sprint zum Gleis. Der Bahnhof ist wie ein Hafen, an dem Schiffe anlegen und abfahren, dazwischen ist die Halle wie eine Pufferzone, in der holt man sich Proviant zum Essen, zum Lesen, vertreibt sich die Zeit und überlegt, ob Nudeln vom Asiaten noch gehen oder doch nur das belegte Brötchen reinpasst. Hier eine Auskunft, dort ein Blick. Menschen fallen sich in die Arme, trennen sich. Mikrokosmos Bahnhof als Abbild für den Makrokosmos Welt. Ich erinnerte mich an die Aussage von Beuys, dass moderne Einweihungen im Hauptbahnhof stattfinden, also mitten in unserem Leben. Dieser Gedanke hat mich das gesamte Wochenende begleitet. Wir erleben Einweihungsmysterien im Alltag, früher waren das jahrelange Ausbildungen, abgeschottet von der Welt. Ob uns das allen so bewusst ist, dass unsere Schicksalsschläge Prüfungen auf dem Weg zur geistigen Welt sein können? Vermutlich ist uns der Bahnhof da als alltägliches Durchgangstor zwischen zwei Welten näher. Ein bisschen was von Gleis 10 ¾ wie bei Harry Potter hatte diese Bahnhofszeit auch, denn Rowling greift das Thema zweier Welten da auch ganz bewusst auf. Also Frage: Welche Welt wählst du heute, ob mit oder ohne Bahnhof?

Allen einen aktiven Dienstag.

Danke an das Wanderstiefelfoto von Theresa

Wie bin ich bloß hierhergekommen?

Schimpflich ist es, nicht zu gehen, sondern sich treiben zu lassen und mitten im Wirbel der Dinge verblüfft zu fragen: Wie bin ich bloß hierher gekommen?

Seneca, römischer Dichter und Philosoph, 1 – 65

 

Dieser Pilger im alten Pilgergewand weiß vermutlich, wie er auf den Jakobsweg gekommen ist. Danke an Theresa für das Foto!

Montags-Nachdenk-Input

„Der beste Weg zur Gesundheit ist der Fußweg“, sagt ein Sprichwort, und „es ginge alles besser, wenn wir mehr gingen“. Da steckt viel Wahrheit drin. Wenn wir schnell für fünf Tage ans Ende der Welt fliegen, ist das nicht nur  ökologisch problematisch. „Europa in 14 Tagen“ war lange Zeit für Menschen aus Asien das Nonplusultra und auch Europäer haben so die Vorstellung, bestimmte Länder in zwei Wochen gut kennen zu lernen. Ich denke, man lernt ein Land nicht kennen, indem man die Hauptstadt besucht und die sogenannten Hotspots besichtigt hat. Man lernt es kennen, indem man Kontakt mit den Menschen hat, die dort leben. Isst, was sie essen, ihre Lieder lernt und beobachten kann, wie sie mit ihrem Nachwuchs umgehen. Das braucht Zeit.

Wandern ist modern. Multifunktionskleidung, GPS-gestützte Wanderkarten, ein Jahr im voraus gebuchte Plätze in den angesagten Hütten. Für mich ist Wandern mit Rucksack verbunden. Mit zwei Paar Socken in knöchelhohen Stiefeln mit langen Bändeln und einem Anorak. Mit Taschenmesser und Wasserflasche, Äpfeln. Daran erinnere ich mich gern. Wir hatten keine Funktionskleidung. Wir sind im Wald herumgestolpert ohne Insektenschutzmittel und Zeckenkarte in der Hoffnung, irgendwann aus der Wildnis aufzutauchen. Wir hatten weder Karte noch Handy und lauschten gebannt den Geschichten von „achte auf das Moos am Baum, es sagt dir was über die richtige Himmelsrichtung“ und abends am Lagerfeuer gab es Stockbrot und Lieder mit Gitarre.

Suum cuique, jedem das Seine. Ich freue mich über jeden, der etwa zu Fuß erkundet, er entschleunigt, bewegt sich und ist draußen. Er hat Muße, auch etwas zu sehen. Er bemerkt Schnecken am Wegesrand ebenso wie Flora und Fauna direkt. Er lernt, die Wolken zu beobachten und weiß, dass es sich im Frühtau besser geht als mittags in der Hitze. Und wer zu Fuß geht, sortiert dabei sein Gehirn automatisch. Perfekt also für alle, deren mind full ist und die auf der Suche nach mindfullness sind.

Allen einen guten Wochenstart! Ich freue mich auf die Klienten, mit denen ich diese Woche arbeiten werde und auf ihre Themen. Für mich ist das so spannend, die Innenwelten der Menschen zu erkunden wie für andere, fremde Länder kennen zu lernen.

Theresas Foto zeigt das „Ende der Welt“, Finsterra, in Spanien

 

Fuß-Gänger

Nur wo du zu Fuß warst, bist du auch wirklich gewesen.

Johann Wolfgang von Goethe, 1749 – 1832

Danke an Theresa für das Foto vom diesjährigen Jakobsweg

Wochenend-Nachdenk-Input

Fahnen vieler Länder – für mich ein Symbol für Ferien. Viele Menschen nutzen die Ferienzeit, um fremde Länder, andere Kontinente zu bereisen und ihren Horizont zu erweitern. Andere Länder, andere Sitten, und „wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erzählen“. Mögen alle Ferienmenschen, die fremde Länder besuchen, dies mit Respekt vor der Natur, der Kultur und dem tun, was dieses Land auszeichnet. Sie kommen als Gäste, Gäste sind höflich, lernen Neues kennen und bedanken sich. Dann entsteht Offenheit, dann werden Begegnungen zur Bereicherung. Urlauber sind Besucher, keine Invasoren. Urlauben wir so, wie wir uns wünschen würden, dass uns vollkommen fremde Menschen in unseren vier Wänden für eine Zeitlang leben.

Drei Tage Krankenhaus liegen hinter mir, der Schulter geht es soweit gut. Ärztliche Kunst hat Vorteile. Nachdem ja in den letzten Monaten Krankenhäuser die von mir am meisten aufgesuchten Örtlichkeiten waren durch die Krankheiten innerhalb der Familie, muss ich sagen – ich habs gut erwischt. Supernette Schwestern, aufmerksam, hilfsbereit und nett. Eine Schwester, die sich an mich erinnert hat, als ich vor 30 Jahren dort Patientin war! Sie ist seit 40 Jahren dort und das spricht auch für sich. Ich hatte den Beginn der Ferien erwischt und das Megaglück, allein im Zimmer zu sein, auch das war toll. Ein kleineres Haus hat andere Qualitäten als die Uniklinik mit ihren Tausenden von Betten und Patienten und dem Durchsatz dort.

Erstaunlich, was man im Krankenhaus alles lernt und wie es sich anfühlt. Ich war in der Theresienklinik mitten in der Stadt und doch ist eine Klinik ein Kosmos für sich, beschränkt sich der Tag auf wenige Meter rund ums Bett, wenn überhaupt, wird die Welt drinnen klein und die draußen groß. Erstaunlich, wie laut angetrunkene Menschen nachts in der Stadt unterwegs sind. Ich habe die letzten Monate viel vom Arbeitsalltag der Ärzte und Schwestern miterlebt in drei Kliniken und habe großen Respekt vor ihrer Arbeitsleistung, ihrem Bemühen um die Patienten und den Druck, dem alle standhalten müssen. Ich staune über die Fortschritte der Medizin und die rasche Mobilisierung der Patienten. In meiner Kindheit waren Menschen manchmal Monate lang zu Behandlungen in Sanatorien. Pflege war ein wichtiger Bestandteil des Klinikalltags. Vieles hat sich verändert. Vieles zum Positiven. Manches hinterlässt Fragen, ob nicht erst der menschliche (und darüber hinaus medizinisch relevante) Aspekt einer pflegerischen Anwendung zur Genesung von Menschen auf eine ganz andere Weise beiträgt und den Menschen wieder zum Menschen macht.

Allen, die dieses Wochenende in die Ferien starten – habt eine gute Auszeit. Allen anderen ein feines Wochenende.

Dienstags-Nachdenk-Input

Eine OP ist keine leiche Sache und kann auch nicht auf die leichte Schulter genommen werden, zumal wenn es genau die Schulter ist, die operiert wird. Aber wir können einen Teil dazu beitragen, dass so eine OP gelingt. Wir informieren uns, suchen einen guten Arzt, es werden alle notwendigen Voruntersuchungen gemacht und dann gehen wir ins Krankenhaus uns überlassen uns der Ophut des OP-Teams. Dass ist der Moment, den die Chinesen „Wu Wei“ nennen, was oft mit „Handeln durch Nichthandeln“ übersetzt wird, was aber eigentlich meint, dass wir immer wieder in unserem Leben an einen Punkt geraten, an dem wir alles uns Mögliche getan haben und dann dürfen wir getrost loslassen. Mache sagen dann, das Schicksal nimmt seinen Lauf, ich weiß, dass es außer unserem menschlichen Denken, Wollen und Handeln noch andere Mächte gibt, die unser Leben begleiten und denen wir uns anvertrauen dürfen „Von guten Mächten wunderbar geborgen …“ so hat es Dietrich Bonhoeffer genannt.
Schließlich ist dann die OP gut verlaufen und jetzt dürfen wir wieder „Wu Wei“ sagen, denn auf den nun folgenden Heilungsprozess haben wir auch nur sehr bedingt Einfluss, auch da können wir allenfalls die Rahmenbedingungen vorgeben, den Rest muss der Körper auf seine wunderbare Weise vollbringen.

Allen einen guten Dienstag, der vieleicht mit einem „Wu Wei“-Moment noch besser wird!

Montags-Nachdenk-Input

Digital detox für eine Woche mindestens ist angesagt. Nicht wegen Ferien oder sonstigen Gründen, sondern wegen einer Schulter-OP. Deshalb nicht wundern, alles ist fein, der Flügel braucht nur Ruhe.

Das Wochenende stand ganz im Zeichen von immer freier werdender Hypnotherapie und am Sonntag von Aufstellungen. Das sind sehr tiefgehende Methoden, die gut geübt werden wollen und mit denen so vieles bewegt werden kann. Respekt, Achtsamkeit, Liebe zu allem sind Grundlagen dieser Arbeit. Wir konnten mehrere Menschen mit ihren Fragestellungen begleiten und ihnen gute neue Wege aufzeigen, mit ihrer momentan schwierigen Situation auf gute Weise umzugehen. Aufstellungen bringen viele Erkenntnisse und Hypnotherapie schenkt dem Klienten das Vertrauen, dass in ihm selbst die Lösungsmöglichkeiten liegen, die gerade er für seine spezielle Frage hat. Und es stärkt Menschen ungemein, wenn sie erkennen, dass sie selbst in der Lage sind, mit ihren Themen weiter zu arbeiten. So darf man sich Hilfe holen, wenn es not-wendig ist und holt sich Kompetenzen, die im Leben immer gebraucht werden. Vielen Dank allen, die mit uns aufstellen, für das Vertrauen! Für September und Oktober sind wir schon ausgebucht, aber Anmeldungen für November und Dezember sind jetzt bereits möglich.

Allen eine gute Woche, für viele die erste Ferienwoche!

Danke an Theresa für das Wüstenfoto aus Australien. Mich faszinieren diese grafischen Muster, vom Wind gemalt

Wunder

Es gibt nur zwei Arten zu leben: Entweder so, als wäre nichts ein Wunder oder so, als wäre alles ein Wunder.

Albert Einstein

Danke an Theresa für das wunderbare Foto aus Australien

Wochenend-Nachdenk-Input

 

Wolken zeigen sich am Himmel. Heute haben wir im Haus Rekordtemperaturen, weil es nachts nicht mehr runterkühlt. Nun, die Kursteilnehmer am Wochenendkurs werden dieses Mal keine Klagen bezüglich zu viel Frische haben. Da sind meine Ansichten und die anderer Menschen nicht wirklich kompatibel. Alles über 18 Grad ist für mich schon Hitze und alles unter 25 Grad den Kursteilnehmern zu kalt J. Mal schauen, wie es dann am Wochenende wird. Freut euch, es soll warm sein. Ich freu mich derweil auf den Herbst.

Die letzten Tage waren arbeitsreich, vieles will vor den Sommerferien fertig werden, denn dann erreicht man sechs Wochen kaum jemanden mehr und bis im September alles anläuft, dauert es auch bis Oktober. Das überrascht mich jedes Mal, weil die wenigsten Menschen sechs Wochen weg sind. Beim Einkaufen heute herrschte ein wenig Kriegszustand, alle wollten ganz früh alles erledigen, damit sie dann im Stau auf der Autobahn hängen. Mit 70 übern Mittleren Ring war heute um 9 Uhr Standard und die A 3 war um die Zeit schon fast dicht. Massenflucht.

Überfrachten wir die Urlaubstage nicht mit unerfüllbaren Erwartungen. Ganz oft ist das eine sehr konfliktträchtige Zeit! Wir wollen Ruhe, Erholung, alles soll nett und schön sein, wenn man schon mal im Urlaub ist. Nicht Meer acht Kilometer die Autobahn entlang, dreckiger Stand, Höllenlärm nachts und defekte Klimaanlagen oder so eingestellte, dass die Grippe droht. Ich wünsche allen, dass sie ihre Urlaubsziele so antreffen, wie sie es sich wünschen. Dass sich alle erholen können. Erholung fängt mit der ersten Minute an. Kommt alle gesund wieder nach Hause! Und allen daheim – die Eisläden sind jetzt unsere. Wir schlafen in sehr bequemen Betten. Unsere Nachbarn reservieren keine Liegestühle auf unserer Terrasse. Wo immer ihr seid – habt es gut. Und allen, die so wie wir auch noch eine gute Zeit Arbeit haben, ein feines Wochenende und gute Abkühlung möglichst ohne Hurrican, Hagel und anderen Wetterunbill.

Danke an Ursula für das feine Foto.

Meeresstille

Meeresstille

Tiefe Stille herrscht im Wasser,

Ohne Regung ruht das Meer,

Und bekümmert sieht der Schiffer

Glatte Fläche ringsumher.

Keine Luft von keiner Seite!

Todesstille fürchterlich!

In der ungeheuern Weite

Reget keine Welle sich.

J.W. von Goethe

Danke an Steffen für das Foto!

Freitags-Nachdenk-Input

 

Jane Goodall, Primatenforscherin, hat in ihrem Berufsleben ausreichend Gelegenheit gehabt, die Heimat ihrer Forschungsobjekte kennen zu lernen und beobachten zu müssen, was mit dieser Heimat geschieht. Es ist das Werk weniger Stunden, einen Urwaldriesen zu fällen und das Resultat von Jahrhunderten, ihn wachsen zu lassen. Wie sich das anfühlt, keine Heimat mehr zu haben, weil sie zerstört worden ist, wissen viele Menschen auf diesem Planeten. Sie müssen aus Kriegsgründen flüchten und inzwischen auch deshalb, weil ein gutes Leben in ihrer Heimat nicht mehr möglich ist aufgrund der klimatischen Verschiebungen. Handeln wir so, dass wir niemandem die Heimat wegnehmen, denn letztlich sägen wir den Ast ab, auf dem wir sitzen.

40 Grad zeigt mein Gartenthermometer im Schatten an. Was für eine Meisterleistung vollbringen alle, die draußen arbeiten müssen, sei es als Gärtner, Straßenbauer, Dachdecker. Aber auch allen, die in Backstuben stehen und für uns backen, die Pakete schleppen, im Supermarkt Regale füllen – Respekt. Besonderen Respekt allen, die mit schwerer Montur ihren Dienst tun als Feuerwehrleute, Rettungssanis und Notärzte. Auch wenn Ärzte vielleicht im OP Klimaanlagen haben, haben sie doch vielleicht nachts wie der Rest der Welt schlecht geschlafen und müssen auf den Punkt Höchstleistung bringen, denn davon kann Leben abhängen. Patienten, Senioren, kranke Menschen haben es in diesen Tagen sehr schwer. Mögen sie liebe Menschen haben, die gut auf sie achtgeben. Stellen wir Wasserschalen auf für die Tiere im Garten.

Allen ein gutes Durchkommen durch die Hundstage. Denjenigen, die an diesem Freitag in den Urlaub starten – gute Fahrt allen und gesunde Heimkehr. Schöne Ferien euch!

Danke an Steffen für das sensationelle Foto aus China

Respekt

Ich bin zutiefst überzeugt, dass es unendlich wichtig ist, vor allem Kindern beizubringen, allem Leben gegenüber respektvoll zu sein.

            Jane Goodall

Danke an Theresa für das Foto des heiligen Bergs in Australien!

Donnerstags-Nachdenk-Input

Die Natur ist der größte Künstler. Wenn ich mir im Garten die Pflanzen anschaue mit ihrer Vielfalt, weiß ich – der Mensch kann das nicht nachahmen. Selbst die weltbeste Klöppelspitzenkünstlerin kann keine Schafgarbenblüte herstellen. Wind und Wasser gestalten an Felsen wie an dem auf dem Foto in Australien. Sie formen über Jahrtausende hinweg und verwandeln das Antlitz der Erde.

Wie wenig nehmen wir von all dem wahr. Wir sind so beschäftigt mit unserem Krempel, dass es uns eher geht, wie Lichtenberg überspitzt beschrieben hat. Eher sehen wir das Sandkorn denn das Haus. Klar, weil unser Augenmerk in dieser Welt mittlerweile im Detail haften bleibt. Wir haben die Welt atomisiert. Ein Arzt ist für die Schulter zuständig, mit Durchfall kennt er sich nicht aus. Der Zahnarzt zieht nur noch selten Zähne, das macht heute der Kieferchirurg.

Jeder kann in seinem Mikrobereich etwas, allesamt ein Volk von Spezialisten. Das hat zu einer Überbewertung des Details geführt und zu Unsicherheit, denn das ist, als hielten wir das Puzzleteil für das Puzzle. Kaum jemand, der die Überschau besitzt, Entwicklungen erkennt und das ganz große Schiff sich zu steuern zutraut. Wer möchte schon viel Verantwortung haben?

Führungspersönlichkeiten werden reglementiert, in Lobbyistenzwangsjacken gequetscht und ihre Flügel, die notwendig sind, damit auch mal Großes umgesetzt werden kann, was die Welt Richtung Verbesserung schiebt, werden gerupft. Die Aufmerksamkeit wird vom Detail gefesselt, damit das große Ganze nicht ins Blickfeld wandert. Gefahr und Taktik. Schafe, die mit dem Fressen von Blättern und Gras befasst sind, machen sich wenig Kopf über die Welt, ihre endet am Zaun.

Natur kennt weder Grenzen noch Führungsprobleme. Jeder Teil der Natur ist selbstverantwortlich und existiert, weil das Gesamte existiert. In sich hochperfektioniert übrigens, denn Pflanzen und Tiere sind älter als der Mensch, von den anderen Bestandteilen des Planeten mal abgesehen und hatten mehr Zeit, sich optimal anzupassen. Wer daran stört, sind wir mit unserer Nehmen-statt-Geben-Mentalität, unserem Hang zur Unterjochung und unserer mangelhaften Erkenntnis der Schönheit, die wir zerstören, ohne zu erkennen, was wir da letztlich tun. Vielleicht ist der Regenwald, den wir gerade abholzen, die letzte Apotheke der Menschheit mit seinen unerforschten Pflanzen. Wenn er zerstört ist, nutzt diese Erkenntnis auch nicht mehr.

Bitte mehr Blick aufs große Ganze und wer detailfreudig ist, möge das sein, aber es braucht beides. Den Spezialisten, der von wenig alles weiß und den Generalisten, der den Überblick hat und die Spezialisten braucht für die Detailfragen. Gemeinsam wird ein Schuh draus, der der Welt passen könnte.

Allen einen freundlichen Jupitertag

Danke an Theresa für das Australiennaturwunderfoto

Vom Sand

Er war ein solcher aufmerksamer Grübler, ein Sandkorn sah er immer eher als ein Haus.

Georg Christoph Lichtenberg

 

Danke an Theresa für das Sandfoto aus Australien