I have a dream
Wenn ich meine Augen schließe und mir die Welt vorstelle, sehe ich die Vielfalt von unterschiedlichsten Menschen auf dem Planeten. Sie leben an unglaublichen Orten, angepasst an ihre Umgebung. Sie nehmen sich aus der Umgebung, was sie brauchen und vergeuden nichts.
Die Menschen haben gelernt, ihre Verschiedenheit als Qualität zu sehen. Menschen aus warmen Ländern tauschen sich mit Menschen aus dem Eis aus, um voneinander zu lernen. Sie wissen: Jeder ist an seinen Lebensraum gut angepasst. Keiner muss dem anderen etwas beweisen, alle sind Menschen. Sie lauschen auf das, was andere sagen, denn es geht um den einen Planeten, den alle Lebewesen Heimat nennen.
Sie sitzen an runden Tischen real oder online zusammen und beraten, wie sie gemeinsam Zukunft gestalten. Mit an den Tischen sind die Vertreter aller Reiche – berücksichtigt werden Interessen der Tiere, der Pflanzen und Mineralien, nur alle zusammen machen Erde und Welt aus. Es geht um die Rettung der Regenwälder, um den Erhalt der Lebensräume seltener Arten. Es geht um den Schutz des Wassers, des Rohstoffs, den alle brauchen und dessen Reinheit und vor allem Lebendigkeit die Grundlage unseres Lebens darstellt. Es geht um die Luft, die wir atmen und um einen vernünftigen Umgang mit allen Rohstoffen, sie sind nicht unser Eigentum, sondern eine Leihgabe. Was entnommen wird, muss adäquat zurückgegeben werden.
Ich träume von Gemeinschaften, die Kinder respektvoll großziehen. Sie werden nicht kaserniert, gedrillt und zu auswendiglernenden Nichtdenkern erzogen, sondern lernen von klein auf, sowohl mit der Hand als auch mit dem Kopf und dem Herzen zu denken. Ihre Lehrer werden Weise sein, die sich ausgezeichnet haben durch ihre Klugheit in Verbindung mit tiefster Menschenliebe. Ihre Lehrer werden Meister ihres Fachs sein, die nicht aus Büchern, sondern Erfahrung und Wertschätzung heraus lehren. Je jünger das Kind, desto sorgsamer die Wahl der Begleiter und desto mehr Gemeinschaft braucht der Mensch. Gefördert werden Begabungen, eine Nivellierung findet nicht statt. Es braucht eine Schulung im Scheitern, eine Ermutigungspädagogik, die auch Frustrationsskills lehrt, Mut, Durchhaltevermögen und Vertrauen ins Schwarmwissen. Kunst, Kultur und Sport sind essentielle Menschenbildner.
Wir leben in Gemeinschaften, in denen Menschen mit Kindern ebenso ihren Raum und Schutz finden wie Menschen, die gern alleine sind. Gemeinschaften sind open spaces. Jeder gibt, was er kann und spricht offen aus, was er braucht. Er darf bitten, weil gegeben wird.
Ich träume davon, dass wir aufhören, einander zu bekriegen. Zu beargwöhnen. Neid, Hass, Angst, Wut, Verzweiflung sind keine Wachstumsfaktoren. Wachstumsfaktoren basieren auf Respekt, Würde, Liebe, Offenheit, Verbindlichkeit und Vertrauen.
Ich träume von Regierungen, die ihre Völker begleiten, weil sie dafür gewählt wurden. Auf einem Weg, der frei ist von Lüge, von Bevormundung, von Übergriffigkeit ebenso wie von Gewalt, Unterdrückung und Zerstörung. Wer eine Führungsposition hat, egal, auf welcher Ebene, muss sich als integrer Mensch ausgezeichnet haben. Er muss sein Handwerk verstehen, aber er muss auch als Mensch Werte und Tugenden besitzen. Es geht nicht um Macht von Lobbys. Es gibt nur eine Lobby und die stellt nur eine Frage: „Was dient dem Ganzen?“
Ich träume von Offenheit und Ehrlichkeit, nur dann wachsen Vertrauen und Stärke. Ein Volk ist bereit, viel auf sich zu nehmen, so, wie Angestellte einer Firma bereit sind im Notfall, sehr viel auf sich zu nehmen, um das System zu retten. Aber nur dann, wenn Ehrlichkeit herrscht. Wenn von oben nach unten (so es das brauchen sollte) klar kommuniziert wird, was der Stand der Dinge ist und wie man gemeinsam gute Wege erarbeiten kann. Menschen sind zu vielem bereit, wenn sie anständig gefragt werden und wissen, dass niemand Informationen zurückhält aus Gier und Egozentrik.
Ich träume von Vertrauen. Man kann und darf sagen, was einen bewegt, ohne Angst vor Unterdrückung, Verschleppung, Folter. Glaube ist eine stärkende Wurzel, kein Ausschlusskriterium mehr, weil er nicht mit Macht verbunden sein darf.
Ich träume von Klarheit, die Ruhe bringt. Dinge geschehen. Virenwellen überrollen die Welt. Und was ist unsere Antwort darauf? Angst. Gegnerschaft. Lagerbildung. Verleumdung, Anschwärzung, Missgunst, Hass.
Ich bin kein Sozialromantiker und gebe mich nicht der Illusion hin, dass alle Menschen gut sind. Aber ich gebe mich dem Wissen hin, dass alle Menschen dazu geboren sind, gute Menschen zu werden, wenn sie die Chance dazu haben. Wir leben in krassen Zeiten. Deshalb brauchen wir sehr andere Arten zu denken, zu leben und respektvoll zu sein. Freundlichkeit, Höflichkeit und Anstand sind Mangelware, sie sind jedoch die Grundlage des Lebens.
Ich möchte nicht nur träumen. Viele andere auch nicht. So, wie wir jetzt gerade miteinander umgehen, biegen wir als Menschheit auf einen Weg ab, der nicht weiterführt. Legen wir die Waffen nieder, mit denen sich Menschen bekriegen, die bis vor kurzem Freunde waren und jetzt „Lagern“ angehören. Wir stehen alle auf derselben Seite, denn es gibt nur eine Seite: Die Seite der Menschen auf diesem Planeten im Jahr 2020. Wir sind aufeinander angewiesen in Freude, Liebe, gegenseitiger Achtung, Fürsorge und aufgerufen, in ein gemeinsames Handeln zu kommen. Wo ist die Einheit der Menschen, die uns im Frühjahr global verbunden hat? Wachen wir auf und setzen wir den Traum von einem gesunden, wunderbaren Planeten um. Wir sind viele. Und wo viele zusammenwirken, wird es gut, wenn das Ziel stimmt. Dann kommt auch Hilfe von Ebenen, die wir nicht erwartet hätten.
Allen einen Venustag, der ganz im Zeichen der Liebe steht.
Danke an Silke für dieses herrliche Bild.