Monthly Archives: November 2020

Ich freu mich auf Januar

Rund um mich herum ist Lichterparty angesagt. Es blinkt in Blau, Rot, Grün, mit Lauflichtern als Dauerlicht, es leuchtet von Rentieren und Rehen und Schlitten. Sowie die Dämmerung kommt, geht es los. Das freut den Stromanbieter. Ich habe wie immer provokativ eine Bienenwachskerze auf den Tisch gestellt. Klar hängt hier auch Deko, aber nicht wegen mir. Ich bin im Januar froh, wenn ich wieder mehr Licht durch die Fenster habe. Das ist alles echt schön im Advent, keine Frage, aber insgeheim freu ich mich auf Januar. Der Rest hier liebt Deko, weshalb ich natürlich englische Stoffherzen in Weihnachtsfarben an Türklinken hänge und spätestens ab 18. Dezember meine Laufwege so habe, dass ich nicht mehr dran hängenbleibe oder das Stoffherz einklemme, weil ich die Tür wieder mal zu schnell zumachen wollte. Das zwingt zur Entschleunigung, so soll Advent ja sein, heißt es.

Mein Zweigestrauß, an dem die netten Zwerge mit Bärten baumeln und der Kindergartenschmuck meiner inzwischen über 30 Jahre alten Töchter (Traditionen sind sehr wichtig), verliert mehr Nadeln pro Stunde als ich atme. Vermutlich sind die Zweige vor der Pandemie geschnitten, um das Infektionsthema gar nicht aufkommen zu lassen. Wieder freue ich mich auf Januar.

Ich wurde schon gefragt, ob ich einen Stollen möchte (nein, aber mein Mann), Nusskekse (dito) und ob ich einen Adventskalender habe (nein. Ich gehöre zu den grauenvollen Menschen, die sofort gucken, ob am 24. ein größeres Stück drin ist und dann denken „jetzt kommt es auch nicht mehr drauf an“ und fertig ist das Ding) und ob ich schon Geschenke habe (die hab ich seit August, da hatte ich ein paar Tage frei und da erledige ich solche Sachen). Mein Postbote machte mich vorhin aufmerksam, ich soll die Pakete rechtzeitig schicken. Nett von ihm, sie sind schon weg bis auf zwei. Ich bin da übermotiviert, weil ich Sorge habe, sie kommen nicht mehr an. Also kommen sie vier Wochen zu früh. Das ist gut, da haben die Zimtsterne Zeit, um weich zu werden. Während ich mich auf Januar freue.

Vorgestern bekam ich – ohne Witz – einen Stern, der hat Klapppailetten (mein erstes Wort mit drei p). Wenn man den umkippt, wird alles, was rot war, golden und umgedreht. Ich dachte so – wow. Wie kommt man denn auf sowas? Und wer klappt das den ganzen Tag hin und her? Da freute ich mich so richtig auf Januar.

Ich fürchte, im Gegensatz zu den meisten Mitmenschen bin ich nicht gerade das, was man einen Weihnachtstraditionalisten nennt. Wegen mir wäre Weihnachten mit einem Topf voller Spaghetti mit Tomatensoße vollkommen, weil es nicht ums Essen geht für mich. Zwischen 23. 12. und 6. 1. jeden Tag um den Baum rum Berge Nadeln saugen und hoffen, dass keiner dranrempelt und das Ding nackig da steht im vollen Wassertopf gehört auch nicht zu meinen Lieblingsdingen. Mein Traum vom perfekten Weihnachten sähe so aus: Ohrensessel. Bach im Player. Bücherstapel rechts. Bücherstapel links. Eine sich permanent neu füllende Teekanne. Und dann nix außer Ruhe. Lesen, Schlafen, Lesen, Schlafen. Bei vollster Gesundheit natürlich, sonst macht es keinen Spaß. Ich gehe davon aus, dass die Wirklichkeit anders wird. Weshalb ich mich auf Januar extra freue.

Allen, die jetzt richtig aufblühen und ihrer Dekorationsfreude huldigen – macht es euch hygge. Falls jemand einen Pailettenumklappstern dringend braucht – ich hab einen abzugeben. Ich hab meinen Weihnachtsstern draufgestellt als Untersetzer (oh ja, ich hab einen. In pink natürlich. Rot kann jeder). Und es wäre ausnehmend freundlich, wenn die blauen Lichterketten vielleicht nicht die ganze Nacht blinken. Wenn ich nachts schlaflos in Rottenbauer durchs Haus wandere, sieht alles so in blau mit Flacker irgendwie ungesund aus. Rentiere und Schlitten auf grünem Gras wirkt auch irgendwie seltsam. Aber es soll ja schneien und dann wird es sicher alles wie jedes Jahr: unglaublich schön. Während ich mich einen Moment lang sehr auf Januar freue.

Allen einen wunderbaren tatkräftigen Dienstag mit viel Power und Schwung für alle Vorhaben.

 

Annes Foto aus den Bergen für diejenigen, die keinen Schnee heute sehen möchten und dafür ein bisschen von den Bergen träumen wollen. Danke für dein Foto!

Eisblumen am Fenster

Warum sollen wir uns alle nach derselben Mode kleiden? Der Frost malt mir nie dieselben Eisblumen zweimal an mein Fenster.

Lydia Maria Child, 1802–1880

So sah mein Praxisfenster heute im Morgengrauen aus. Die Natur ist unfassbar! Jeder Stern ein Geschenk.

Wann ist Mensch ein Mensch?

Was macht den Menschen menschlich? Diese Frage fand ich am Wochenende spannend, denn sie zog sich wie ein roter Faden durch die Tage. Was braucht der Mensch? Das war die Ausgangsfrage gewesen. Folgendes hätten wir zusammengetragen: Erfüllung der Grundbedürfnisse (Essen, Trinken, Dach über dem Kopf, Zugang zu sauberem Wasser und Wärme). Wertschätzung, Respekt, Anerkennung. Ein Umfeld, in dem er sein Potential entfalten kann. Würde. Freundlichkeit. Liebevolle Ansprache. Vertrauen. In diesen Tagen kam ein Begriff überraschend oft auf: Hoffnung.

Hoffnung und Zuversicht sind wichtig, denn sie helfen dem Menschen, mit sehr komplexen Schwierigkeiten klarzukommen. Mastery Experience entsteht, wenn wir ein sehr schwieriges Problem mal bewältigen konnten und nun bei einem neuen Problem vertrauensvoll denken: Na, ich hab schon andere Sachen geschafft, da werde ich das auch hinbekommen. Wie schön, wenn Menschen von klein auf darin gestärkt werden, sich ruhig was zuzutrauen und ihnen nicht wohlmeinende Erwachsene alles auf dem Silbertablett servieren. So erziehen wir lebensunfähige Menschen. Wir dürfen von klein auf lernen, etwas selbst zu schaffen, uns was vorzunehmen und zu scheitern, also Dinge realistisch einzuschätzen, uns anzustrengen und nicht aufzugeben.

Warum sind wir in diesen Tagen so niedergestimmt? Bei dem Berg an Aufgaben auf dem Planeten hat im Grunde keiner Zeit für Trauer und Gejammer. Da draußen sind Meere zu säubern, das Klima zu retten, der Hunger muss bekämpft werden. Wir brauchen neue Formen der Bildung und der Möglichkeiten, out of the box  zu denken und mal reichlich schräg über den Tellerrand zu schauen. Wir brauchen Mut und Demut, Gelassenheit und Offenheit, Freude und Entdeckerspaß. Ende der Komfortzone. Welcome magic und Abenteuerland.

Herzliche Einladung an alle, ihr Potential zu zeigen. Zeigt eure Wunder und Wunden, eure Fröhlichkeit und euren Humor, eure Freude und eure Ideen für die Zukunft. Lasst uns gemeinsam die Herausforderungen der Epoche annehmen und werden wir Gestalter. Wer gestaltet, hat Selbstwirksamkeit und keine Angst. Wer verwaltet wird, hat Angst. Was wählst du dir?

Einen guten Start in die neue Woche an alle.

 

Ein Miniausschnitt aus einer Tischreihe mit wunderbaren Zusammenstellungen von Tees und Hilfsmittel für vielerlei Beschwerdebilder in Zusammenhang mit Düften.

Schönheit aus Schlamm

Wie von einem Kehrichthaufen in der Straße faule Lüfte Lüfte hebt sich ein Lotos frei empor, voller Schönheit, voller Duft.

Buddha

Dem Duft der Rose kamen wir im Sommer bei einer Destillation von Rosenblüten ganz nahe.

Was ist dein Beitrag für die Zukunft?

Im Augenblick befasst sich mein Gehirn mit einigen neuen Projekten, die sich aus den Erfahrungen von 2020 ergeben. Wir werden Menschen im neuen Jahr brauchen, die mutig sind. Die sich bestmöglichst aufstellen, ausbilden, lernen, weil Zukunft nicht in Quarantäne ist, sondern gestaltet werden mag. Das Jahr hat gezeigt, dass wir einfach weggeweht werden von den Winden der Entwicklung, wenn wir nicht gut in uns ruhen.

Damit wir eine stabile innere Mitte haben, müssen wir wissen, wer wir sind. Die Fähnchen-im-Wind-Nummer erweist sich als sinnfrei. Menschen, die Zukunft gestalten, müssen sich gut kennen, einschätzen können, wer sie sind, wo sie hinwollen, für welche Werte sie stehen und wie man kommuniziert auf eine neue Art und Weise, nicht im Befehlston, nicht im Genöle, nicht mit fehlender Wertschätzung oder dem bei uns üblichen Gejammer und Geklage. Der neue Mensch bildet sich stets weiter, er arbeitet an sich, er kennt seine Schattenanteile und fördert den Sonnenteil, er ist liebevoll und liebt, er hat Werte. Respekt, Wertschätzung, Authentizität sind seine Grundhaltungen. Er kann sein Gehirn benutzen, anstatt dass er sich instrumentalisieren lässt, von wem oder was auch immer.

Wir erleben derzeit viele extreme Haltungen. Ich nehme sie wahr, um nachzudenken, denn Extreme bilden so etwas wie Koordinaten, dazwischen findet sich meist ein Weg. Viele denken nach wie vor von der Hand in den Mund. Anders denken bedeutet, sich von der Zukunft her führen zu lassen. Was wird in fünf, zehn, zwanzig Jahren für die Welt wichtig sein? Wie gelingt Leben zwischen Corona und Kurzarbeit, schwindenden Perspektiven und gewaltigen Herausforderungen auf der anderen Seite?

2020 zeigt das Ende einer Zeit an. Die Pandemie ist eine Art Brandbeschleuniger für Entwicklungen, die sich seit Jahren abzeichnen, oft schon länger. Es geht eine Ära des Nehmens zu Ende. Eine Zeit, in der bestimmte Menschen, Länder, Völker dachten, dass ihnen alles zusteht. Es geht eine Zeit des Ausnutzens zu Ende, eine Zeit, in der wir genommen haben ohne zu überlegen, ob wir das dürfen. In der wir konsumiert und weggeworfen, missachtet, erodiert, inflationiert und gedemütigt haben, uns selbst und andere. Werte und Wissen wurden ignoriert, soziale Ideen verachtet und der Egozentrik Altäre gebaut. Nun begreifen wir, dass der Egozentriker im Frost der Pandemieeinsamkeit stirbt, weil Nähe unabdingbar ist. Damit meine ich nicht, dass wir aufeinanderkleben, damit meine ich innere Nähe, die aus dem Herzen kommt. Die Liebe, die wärmt, die den Kleinen groß werden lässt, die gönnt und mitfreut, nicht missgönnt und gierig starrt.

Es ist gut, wenn wir aufgerüttelt werden. Es ist gut, wenn wir nachdenken, wer wir sind und wie weit wir weg sind vom Bild des „guten Menschen“, der die Erde als guten Ort zurücklässt nach seiner Stippvisite auf dem Planeten. Im Frühjahr erinnerten wir uns an Worte wie Nächstenliebe, Mitmenschlichkeit, Achtsamkeit, Miteinander, Gemeinschaft. Wir haben es damit in diesem Jahr weit gebracht (* Ironie *). Es wird Zeit, sich selbst im Spiegel ehrlich zu betrachten, um gemeinsam mit den anderen Milliarden Erdbewohnern der Sorte Mensch an einem einzigen großen Tisch Zukunft zu gestalten. Dazu brauchen wir Menschen, die klug sind – im Herzen und im Kopf. Die einen gesunden Menschenverstand pflegen und anpacken können. Die lieben und engagiert sind, weil sie zu einer Zeit geboren sind, in der es auf jeden Einzelnen ankommt. Wenn du schon entschieden hast, jetzt zu leben – dann lebe auch und bringe dich ein.

Es KOMMT auf jeden Einzelnen an. Die Welt braucht DICH. Als liebenden Menschen, in deiner Ganzheit. In deiner Liebe, deiner Freude und deiner Authentizität. Sei dabei. Was ist DEIN Beitrag für die Zukunft?

Allen ein nachdenkliches Wochenende und viel Spaß am ersten Advent.

Einfach mal einen Gang runterschalten

Wenn die Wochen vollgestopft sind, versuche ich mir, ein Zeitfenster freizuschaufeln, um das zu erledigen, was Muße braucht. So war der Plan für den Donnerstagmorgen. Dann ging es Schlag auf Schlag. Telefonate. Der verschobene Wartungstermin für die Heizung. Eine Tischreparatur, die dazwischengequetscht werden musste. Ein Besuch und mein Budget an Minuten wurde immer kleiner. Leicht gepanikt fiel mir auf, dass ich das nicht mehr alles unterbringe, was gemacht werden muss. In dem Moment fiel mir das Zitat von Rumi ein, das ich letztes Wochenende ans Flipchart geschrieben hatte, weil es mir wieder mal in den Sinn gekommen war. Es hat meinen Tag gerettet. Vielleicht hätte ich innerlich meckernd versucht, so viel wie möglich zu schaffen.

Heute hab ich mir erstmal einen Tee gemacht und entschieden, das, was ich jetzt noch gut erledigen kann, bestmöglich zu erledigen, weil es eben hundert Arten gibt, um niederzuknien und den Boden zu küssen. Lieber mache ich das Wenige gut, damit ich mich nicht über schusslige und unschöne Dinge ärgern muss und ich bin mir sicher, der Rest fädelt sich rein. Die Erfahrung zeigt, dass dann, wenn ich die Dinge in Ruhe mache, seltsamerweise mehr erledigt werden kann als geplant.

Hätte ich das nicht gemacht, wäre mir nicht die Lösung für eine Frage eingefallen, die seit Wochen einen Teil meines Gehirns blockiert, weil ich da nicht wusste, was wie zu entscheiden ist. Während ich also schön Kekse in Tüten stapelte, ergab sich ganz von selbst eine Antwort. Wie so oft wird viel Energie frei, wenn wir etwas loslassen. In meinem Fall die Erwartung, vieles zu erledigen, was schon lange nach Erledigung schreit. Ehrlich gesagt ist es den Socken wurscht, ob sie heute geflickt werden oder ein anderes Mal, ich hab noch andere Socken. Gleiches gilt für den abgerissenen Aufhänger vom Waschlappen und einem Loch in einem Pullover sowie einer laufenden Masche in Strickware. Ich hab alles fein auf den Flickkasten gestapelt und dort wartet es bis zu den Tagen zwischen den Jahren. Ich wette, da kommt noch mehr zusammen, dann werde ich mir eine Kanne Tee kochen, eine schöne Musik auflegen (vermutlich wird das das Weihnachtsoratorium von Bach werden, das wir dieses Jahr nicht live hören werden können) und dann genieße ich das Flicken. Dann wird es auch superschön und nicht hingemurkst unter Zeitdruck.

Niederknien – für mich sind Niederwerfungen ein Symbol für Demut. Wir machen jeden Tag vieles. Manchmal ist es besser, weniger zu tun, wenn sonst die Qualität leidet. Dann lieber demütig wenig machen und das dafür ausgezeichnet. Dann wächst auch der Mut, das Liegengebliebene anzugehen. Socke für Socke, ganz im Sinne von Beppo Straßenkehrer – Atemzug, Besenstrich.

Allen einen gesunden Freitag mit vielen Momenten des Innehaltens, Niederknieens und der Schönheit.

Danke an Gabi für das Foto der Karde. Wir verwenden ihre Wurzeln gegen Borreliose heute, früher diente sie zum Kardieren der Wolle. Wie schade, dass wir das alte Handwerk so vergessen und uns in unserem Konsumwahn gar nicht mehr der Arbeit bewusst sind, die gutes Handwerk bedeutet. Fiel mir auf, als der Heizungsmonteur meinte, er habe Probleme rumzukommen, weil er keine Mitarbeiter findet. Handarbeit ist sehr oft sehr ehrliche Arbeit. Ehrlicher als vieles andere.

Wo bleibt euer Vertrauen?

An Webers Text über das wachsende Brot in der Winternacht habe ich diese Woche schon ein paar Mal gedacht, wenn Menschen sehr verzweifelt in der Sprechstunde saßen. Viele Ängste sind vorhanden. Um den Arbeitsplatz, die Gesundheit, kranke, schwache, alte Familienmitglieder. Kälte, Dunkelheit, Nebel, der sich in die Knochen frisst und dort eine Kälte platziert, die viele auch im Außen wahrnehmen können. Der Tonfall ist harsch, Nerven angespannt. Mitteilungen der Bundesregierung werden erwartet wie Gerichtsurteile. Davon machen viele ihren Tag abhängig, ob sie die Ärmel des Widerstands aufkrempeln, in die Resignation gehen oder irgendwo dazwischen eine Meinungsbildung versuchen. Immer häufiger höre ich: „Wenn das nur endlich mal rum wäre. Ich möchte es wieder normal haben.“

Es ist schwer, wenn man gegen Verzweiflung wenig Fakten setzen kann. Menschen sind verwirrt, wenn sie mit den spannenden Herausforderungen konfrontiert werden, die die Zeit bietet. Die Komfortzone war nicht für alle komfortabel, aber vertraut. Unbekanntes löst Angst aus. Seit vielen Jahren bemühen sich Menschen rund um den Globus, das Bewusstsein auf Missstände zu richten, egal in welchem Bereich. Ich nehme daraus die Erkenntnis mit: alle Menschen möchten etwas Sinnvolles arbeiten, ihren Beitrag zum Gelingen leisten und in Frieden mit ihren Lieben leben.

Viele Stimmen haben auf klimatische Probleme hingewiesen. Auf die Folgen unbedachten Wachstums und Konsums von wenigen reichen zu Ungunsten anderer Länder. Studien haben gezeigt, dass unsere Kinder nicht gut ausgebildet werden, weil sie wenig dafür lernen, was man Leben nennt. Wir haben Einserabiturienten hochgezüchtet und vergessen, dass die Mitte der Gesellschaft funktionierendes Handwerk ist. Außer Acht gelassen haben wir die Landwirtschaft. Düngereinsatz, Erosion, Rodung zugunsten billiger Massenprodukte haben einen Großteil der Nahrungsgrundlage zerstört. Die Erwärmung mit ihren Folgen ist seit Jahrzehnten bekannt ohne allzu große Folgen.

Nun summieren sich all diese Dinge und zeigen auf, dass der Flügelschlag eines Schmetterlings durchaus einen Tsunami auslösen kann. Was machen wir? Wir sitzen da und jammern um unsere nicht stattgefundenen Urlaube, zählen Klopapiervorräte und wollen Weihnachten as usual.

Ich finde, dass die Situation gerade sehr komplex und schwierig ist. Wir sind damit alle überfordert. Alle haben Angst, alle machen sich Sorgen, so gut wie alle sind müde, erschöpft und unruhig. Es nutzt jedoch nichts. Mit Jammern und Klagen, Nölen, Rückzug oder Energievergeudung durch gegenseitiges Beschimpfen lösen wir die Themen der Zeit nicht, sondern machen uns nieder, suchen Schuldige und führen Maskengefechte, anstatt auf die wirklichen Punkte, auf die es ankommt, zu blicken. Damit zerstören wir Kraft, die anderweitig gebraucht wird.

Herzliche Einladung an alle: Kommt heraus aus der Angst. Sie ist der schlechteste Ratgeber. Keiner weiß alles oder kann die Komplexität der Dinge einschätzen. Nur gemeinsam, Hand in Hand, können wir die Herausforderungen dieser Zeit lösen und auf gute Wege bringen.

Wir werden lernen, mit Corona zu leben. Wir werden lernen, die Herausforderungen anzunehmen. Wir werden richtig viele Fehler machen und auch daraus lernen, wenn wir begreifen, dass keiner Patentlösungen hat, aber der Schwarm in der Lage ist, sein Wissen zu bündeln. Wir werden unsere Gewohnheiten überprüfen und manche Bequemlichkeit hinter uns lassen müssen. Wir werden die Erfahrung machen, dass gemeinsames Arbeiten Freude macht. Dass alte Berufe durch neue, alte Lösungsstrategien durch andere, alte Beziehungsmuster durch veränderte ersetzt werden dürfen und das nicht schlechter ist, anders eben. Wir werden mit allem fertig, wenn wir aufhören, uns gegenseitig fertig zu machen.

Wo ist der Gemeinschaftssinn des Frühlings abgeblieben? Es ist hohe Zeit, Verantwortung auf eine gute Weise zu übernehmen. Zeit, sich als Mensch zu zeigen. Zeit, das Herz zu öffnen und sich klarzumachen: niemand überblickt die Komplexität. Niemand hat perfekte Lösungen. Niemand ist ohne Irrung und Wirrung. Wer etwas weiß, wer etwas kann, wer Ideen hat, stelle es in die Welt, damit wir lernen, damit wir an einem Menschenstrang ziehen. Alles andere ist Zerfledderung jeglicher Moral, Ethik, Zerstörung von Mut, Menschlichkeit und Benehmen. Wo bleibt die Würde? Wo die Liebe? Wo das Vertrauen? DAVON ernährt sich unser Mut, davon werden wir stark und gehen neue Wege, auch wenn sie uns unbekannt sind und Angst machen.

Allen an diesem Jupitertag ganz viel Mut, Freude, ein warmes Lächeln. Lassen wir uns berühren von Menschen, die unermüdlich die Lichter hochhalten, damit alle den nächsten Schritt des Weges sehen können. Achten wir auf uns, auf andere liebevoll. Und befleißigen wir uns eines Tonfalls, der verhindert, dass wir und andere das Gesicht verlieren, die Lebensfreude und das Vertrauen, dass sich für diese Menschheit das Aufstehen und Losgehen lohnt. Es ist Zeit, Zukunft einzuladen, sie schickt permanent Nachrichten, doch unser Ohr dafür ist verstopft durch Hass, Polemik und unangemessenes Verhalten. Stay strong. Licht macht jede noch so kleine Kerze.

Das Foto entstand vor zwei Jahren um diese Zeit in Oy.

Keine Angst vor Wandel

In der Winternacht

Es wächst viel Brot in der Winternacht,

weil unter dem Schnee frisch grünet die Saat;

erst wenn im Lenze die Sonne lacht,

spürst du, was Gutes der Winter tat.

Und deucht die Welt dir öd und leer,

und sind die Tage dir rau und schwer:

Sei still und habe des Wandels acht –

es wächst viel Brot in der Winternacht.

Friedrich Wilhelm Weber, 1813–1894

Der Frost hat um Sigrids Schmetterling einen Saum aus Eiskristallen gewebt. Danke für das Bild!

Von der Raupe zum Schmetterling

Das Gefühl, selbst groß zu werden, ist lebenswichtig für uns. Wir wünschen uns von klein auf, zu wachsen und zu werden. Bettine von Arnim formulierte: „Der Mensch ist nicht, er wird“; wir sind alle werdende Wesen. In jedem von uns stecken ungezählte Talente, Fähigkeiten und sich entwickelnde Meister. Es braucht wie beim Samenkorn eine passende Umgebung, damit wir wachsen und gedeihen können. Lehrer oder Mentoren gehören für mich dazu. Sie sind die Rankgerüste, an denen der Schützling emporwächst und eines Tages seinen Lehrer überflügeln darf. Ich suche mir immer ein Rankgerüst und manchmal darf ich sogar eines selbst sein (was bedeutet, dass ich erst recht gut stehen darf, ich soll ja andere halten!).

Wenn ich mich im Moment in der Welt umschaue, ist das Deckeldraufdrücken eher die Methode. Wir stecken fest in Angst und Sorge. Ihr Lieben – das darf nicht geschehen. Seien wir nicht so verzagt! Wachsen wir mit den Herausforderungen mit! Die Zukunft reicht jedem von uns die Hand. Sie schenkt uns so verwirrende Zeiten, dass wir alles neu angehen und denken dürfen. Wenn eine alte Welt untergeht, bedeutet es, dass eine neue aufgehen wird. Wir können uns jetzt anschauen, was nicht mehr länger trägt und kein Zukunftsmodell mehr ist, sondern was wir mit einem Danke auf die Seite legen und darüber hinauswachsen dürfen.

Wenn Zeiten schwer werden, bedeutet es, dass die Raupe genug gefressen hat. Sie ist dick und fett und kugelrund und übersättigt. Jetzt muss sie sich in einen Kokon spinnen und eine Phase des äußeren Stillstands bei maximalem innerem Umbau sein, ehe sie als Schmetterling durch die Lüfte tanzt. Genau das haben wir doch gerade! Puppenstadium. Im Außen geht nicht viel. Wenn das Außen still wird, wird das Innen lebendig, baut um, gestaltet neu.

Frage dich also die nächste Zeit so intensiv wie noch nie: WAS an mir bleibt, weil gut und hilfreich und was möchte nun zurückgelassen werden? Wo möchte ich Neues lernen, mich ausbilden, damit ich stark für die Aufgaben der Zukunft werde? Welche Lehrer dürfen mich auf meinen nächsten Wachstumsschritten begleiten? Wer ist mir eine Inspirationsquelle und wo könnte sogar ich selbst eine Quelle für andere sein? Habe ich mein Licht auf den Scheffel gestellt oder packe ich es drunter, so dass es einfach nicht hell werden kann?

Nehmen wir die Herausforderungen an, die die Zeit uns anbietet – wachsen wir, werden wir, entwickeln wir uns und inspirieren wir uns gegenseitig! Was für eine Zeit, in der wir leben. Verabschiedung der bisherigen Komfortzone, rein ins Abenteuerland. Entdecken wir die Welt des Neuen miteinander. Gehen wir Hand und Hand, dann muss keiner Angst haben. Ist das nicht einfach atemberaubend? Natürlich haben wir Ängste, Sorgen, Bedenken und können vieles nicht einordnen. Alles andere wäre auch dumm. Dennoch – gehen wir los, Hand in Hand, Schritt für Schritt, Stufe für Stufe.

Steffis Bilder sind Ermutigung und Augenferien. Dankeschön für diese tolle Unterstützung, Steffi!

Werde groß!

Halte dich fern von denjenigen, die versuchen, deinen Ehrgeiz herabzusetzen. Kleingeister tun das immer, aber die wirklich Großen geben dir das Gefühl, dass auch du selbst groß werden kannst.

Marc Twain, 1835–1010

Danke an Steffi für das tolle Foto!

Lebenswichtige Wärme

Menschen brauchen eine bestimmte Menge an Wärme. Ist uns zu kalt, geht nicht mehr viel. Der Körper bemüht sich um Wärmeregulation, Hände und Füße werden eisig und dann setzt das Denken  beachtlich aus. Das ist mir am Wochenende aufgefallen, als wir so massiv gelüftet haben, wie das in den Schulen ist und ich nicht mit so einer erstaunlichen Kälte gerechnet habe. Es kühlt binnen Minuten ab. Was dann geschieht, ist spannend: Die Menschen können sich nicht mehr so gut konzentrieren. Das innere Feuer, sprich, die Begeisterung ist kaum aufzubauen, wenn der Körper friert. Und dadurch kommt so ein Angstgefühl hoch Marke „hoffentlich hol ich mir keine Erkältung/Blasenentzündung“ und ähnliches. Die Stimmung wird schlechter.

Wir haben mal gelernt, dass das Immunsystem gut bei 37 Grad Körpertemperatur arbeitet. Wir sind oft kälter, bewegen uns zwischen 36.2 und 36.5 Grad, weil wir ja heute alle so „cool“ sind. Ein heruntergesetztes Immunsystem ist nicht wirklich hilfreich im Kampf gegen Bakterien und Viren. Hat jemand Fieber, wird das gesenkt, damit man business as usual betreiben kann. Ein runtergeregeltes Immunsystem erkennt nicht nur weniger Viren und Bakterien, sondern auch weniger Krebszellen und vieles mehr – was kann daran hilfreich sein?

Was brauchen wir? Wärme im Sinne von Beseeltheit, innerem Feuer, dass wir für das brennen, was wir lieben und arbeiten, dass wir innere Begeisterung spüren, weil wir mit der Sache, die wir gerade tun, im Herzen verbunden sind. Menschliche Wärme  ist nötig, damit wir uns gehalten, getragen, beschützt und geborgen fühlen. Die Experimente mit Babys, mit denen nicht gesprochen, die nur grundversorgt wurden, nicht getragen, gestreichelt, besungen und bepäppelt, gingen in der Geschichte tragisch aus – die Kinder starben.

Einem unvernünftigen Umgang miteinander, der Menschen gefährdet, wird hier nicht das Wort geredet. Aber machen wir uns bewusst, was Angst und Vermeidungsverhalten mit uns innerhalb weniger Monate machen können. Überlegen wir, wie ein vernünftiger und stärkender Weg aussehen könnte. Und achten wir auf warme Füße, Hände und Herzen. Alles andere ist viel krankmachender als uns bewusst ist.

Allen wärmende Momente an diesem Tag der Tatkraft, denn der Dienstag ist Mars gewidmet.

 

Rebekka hat diesen Wacholder entdeckt. Die schwarzen Beeren wandern bei mir zur Zeit ganz oft ins Sauerkraut. Es braucht grad so ein Mittagessen, damit der Mensch gut gewärmt beieinanderbleibt. Danke für dein Bild, liebe Rebekka.

Freundschaft

Dem Vogel ein Nest, der Spinne ein Netz, dem Menschen – Freundschaft.

William Blake, 1757 – 1827

Das tolle Spinnennetz im Frost hat Sigrid festgehalten. Dankeschön!

Zeitfragen

Kurswochenende in Vaihingen unter Coronakonditionen. Noch einmal in diesem Jahr, falls überhaupt noch Ausbildungskurse stattfinden dürfen! Wer weiß, wie die nächsten Tage und Wochen werden, vorhersagen kann man keine 24 Stunden. Herausfordernd sind die Tage.

Es gab spannende Gespräche am Wochenende mit Menschen, die in höchst unterschiedlichen Lebensräumen leben unter dem Aspekt, wie Bildung der Zukunft aussehen kann und wie Kinder in Coronazeiten gestärkt werden können. Eine andere Runde tauschte sich über spirituelle Wege in Ost und West aus. Für mich waren das bereichernde Momente in einem Jahr, in dem Austausch anders geworden ist. Ich merke, wie selbstverständlich es bis zum Frühling für mich war, mit absolut unterschiedlichen Menschen in Gespräche zu gehen, um zu lernen. Wie macht ihr das? Wie seht ihr diese Fragestellungen? Für mich sind das Herzensgeschenke, von denen mein Geist lange zehrt. So manches Gespräch führte zu tiefen Denkprozessen und neuen Erkenntnissen, Einsichten und es gab Momente, in denen ein Satz in einem Gespräch wie ein Hinweis auf eine fällige Kursveränderung war.

Nun benutzen wir andere Kanäle für den Austausch, weil Austausch lebenswichtig ist. Lauschen auf das, was andere sagen, wie andere etwas sehen und erleben, worauf sie achten und welche Erkenntnisse sie aus ihren Lebensbereichen gewinnen. Das kann stützend und stärkend sein in Zeiten, in denen wir uns nicht sonderlich gut mit Fachwissen ausgestattet zu orientieren haben. Wir sind Menschen, die Zukunft gestalten möchten, andere mit Ausbildungen stärken, die Herausforderungen der Zeit anzunehmen.

Wir leben in so enorm spannenden Zeiten! So etwas gab es noch nie, dass eine weltweite Pandemie die gesamte Menschheit zum Nachdenken bringt. Nutzen wir diese Zeit auch intensiv und bereiten uns innerlich und äußerlich auf die Herausforderungen der Zukunft vor?

Was ist wichtig? Zu erkennen, dass wir Menschen sind. Unabhängig von Alter, Geschlecht, Volkszugehörigkeit, Religion oder Anschauung – wir sind alle Menschen, die auf einem einzigen Planeten leben und eine einzige Erde retten dürfen, damit die Nachwelt gut darauf leben kann. DAS ist es, was zählt. Der Rest sind Befindlichkeiten und Nebenkriegsschauplätze.

Kommt gut in die neue Woche!

 

Steffi ist mit der Kamera unterwegs gewesen und schenkt uns dieses Foto! Schaut euch nur diese Farben an. Ist die Natur nicht ein Künstler?