Yearly Archives: 2020

Licht und Wärme im Herzen

In meinem Herzen strahlt die Kraft der Sonne

In meinem Herzen

strahlt die Kraft die Sonne

In meiner Seele

Wirkt die Wärme der Welt.

Ich will atmen

die Kraft der Sonne.

Ich will fühlen

Die Wärme der Welt.

Sonnenkraft erfüllt mich

Wärme der Welt durchdringt mich.

Rudolf Steiner

Als ich Sigrids herrliches Baumfoto bekam, dachte ich – genau das ist der passende Text dazu. Danke!

Inspirationsquellen

Nur fünf Minuten täglich, schlägt Steiner vor, sollten wir das betreiben, was früher der herrliche Begriff der Seelenhygiene beschrieb. Sich in sich selbst versenken wäre in heutige Sprache übersetzt Meditation. Seine Lebensgrundsätze sollen wir in diesen Minuten prüfen – was haben wir denn für Lebensgrundsätze? Welche Werte haben für uns Priorität, auf welcher Leitlinie schreiten wir dahin? Machen wir uns täglich bewusst, wo wir bereits Kenntnisse erworben oder gravierende Lücken haben? Sind wir uns bewusst, dass wir auch Pflichten haben? Oft genug stellen wir auf unsere Rechte ab, denken egozentrisch und wenig sozial. Welche Pflichten habe ich? Habe ich sie freiwillig übernommen oder sind sie mir aufgezwungen? Wie gehe ich damit um?

Besonders tiefgreifend finde ich die Anregung, über den Inhalt und den wahren Zweck des Lebens nachzudenken. Das trifft genau den wunden Punkt der meisten, die zentrale Frage nach dem Sinn des Lebens. Menschen rutschen in schwere Depressionen, wenn sie ihr Leben als nicht sinnvoll erachten. Vielleicht finden wir nicht DIE unfassbar großartige Aufgabe, zu der wir berufen sind und wo sich alles in uns hinentwickeln möchte.

Es kann ein sehr tiefer Sinn im Leben darin bestehen, seine Arbeit gut zu tun, in seinem Umfeld freundlich zu wirken, Kinder zu erziehen, das, was man tut, mit stiller und froher Liebe zu tun, egal, wie klein oder groß einen das dünken mag. Das sind äußere Wertungen. Keine Arbeit ist zu gering, als dass sie kein Ritterschlag wäre, wenn sie mit Würde und Liebe zur Sache getan wird. Das adelt alles. Mancher verzweifelt, weil er keine großartigen Dinge tut. Sind es nicht viel häufiger die Stillen, Liebenswerten, Freundlichen, Gütigen, die unser Herz bereichern, uns ihre Nähe suchen lassen, weil sie nicht verurteilen, lauschen statt gegentexten und ihre Menschlichkeit natürlich ist? Na also. Jeder sei, wer er ist und gebe an diesem Platz, an dem er steht, jeden Tag sein Bestes. Dazu helfen diese fünf Minuten enorm.

Als ich Kind war, legte ich mir eine Liste an mit Menschen, die ich toll fand. Da waren Menschen drauf, die waren weder berühmt noch berüchtigt, aber ich liebte sie. Meine Erstklasslehrerin war wunderbar! So jung und schon Lehrerin, schön angezogen war sie. Ich war beeindruckt von Mondfahrern, Herzchirurgen, Sauerbruch, Schweitzer und früh von Lyrikern, denn ich merkte, dass ihre Meisterarbeit an der Sprache sofort ins Herz geht und Menschen verändern kann. Bis heute gibt es Menschen, die mir ein tiefes Vorbild sind. Sie sind wie ein Bambusstab für Jungpflanzen im Garten und wechseln mit den Jahren. Wer ist deine Inspirationsquelle?

Komm gut in die neue Woche hinein.

 

Annes Strand in Spanien. Großartig, mit dem Meer zu leben.

Der wahre Zweck des Lebens

Zusammenfassung

Von Zeit zu Zeit Blicke in sein Inneres tun, wenn auch nur fünf Minuten täglich zur selben Zeit. Dabei soll man sich in sich selbst versenken, sorgsam mit sich zu Rate gehen, seine Lebensgrundsätze prüfen und bilden, seine Kenntnisse – oder auch das Gegenteil – in Gedanken durchlaufen, seine Pflichten erwägen, über den Inhalt und den wahren Zweck des Lebens nachdenken, über seine eigenen Fehler und Unvollkommenheiten ein ernstliches Missfallen haben, mit einem Wort: das Wesentliche, das Bleibende herauszufinden trachten und sich entsprechende Ziele, zum Beispiel zu erwerbende Tugenden, ernsthaft vornehmen. (Nicht in den Fehler verfallen und denken, man hätte irgendetwas gut gemacht, sondern immer weiter streben, den höchsten Vorbildern nach.).

Man nennt diese Übung auch „die richtige Beschaulichkeit“.

Rudolf Steiner

Diese Übung kann wie ein Leuchtturm im Alltag sein. Anne, die in Spanien lebt, hat uns ihren „Haus-Leuchtturm“ geschickt! Beste Grüße nach Spanien! Danke!

Lebst du oder schläfst du noch?

Ich liebe seit Jahren die Wochenend-Übungen von Rudolf Steiner. Da ich Samstag und Sonntag meistens irgendwo Kurse gebe, sind sie – manchmal vorgelesen, manchmal nur Bestandteil meiner Morgenmeditation – mit mir unterwegs.

Die Samstagsanregung liest sich schön, ist jedoch eine wahre Herausforderung. Nur bedeutsame Gedanken soll man denken! Wie viele tausend Mal ertappe ich mich am Samstag (und an allen anderen ist es nicht besser!), dass ich Gedanken bewege, die im Grunde keine Sekunde die Energie wert sind, die das Denken erfordert. Was ich von allen Wochensprüchen am schwersten umzusetzen finde, ist der zweite Teil des Samstags: Werde in dir still, wenn dein Gesprächspartner spricht und verzichte auf jede Wertung – selbst in Gedanken und Gefühlen. Seom singt auf seiner neuen CD „Leuchttürme“ „Glück ist meine Superkraft!!“ – ich glaube, wenn wir das Werten beenden, ist das eine unendliche Glücksquelle. Wertungen verletzen. Uns, unsere Mitmenschen. Vergleiche töten Glück, Ähnliches hat schon Kierkegaard erkannt. Ich werde bis zum Ende meines Lebens mit der Samstagsaufgabe beschäftigt sein.

Am Sonntag sind wir eingeladen, gedankenloses Handeln zu unterlassen. Als ich vor Jahrzehnten diese Übung das erste Mal probieren wollte, las ich diesen Text in der Morgenmeditation. Da bemerkte ich, dass ich unbewusst aufgestanden, in die Dusche getrottet war, meine Zähne lesend geputzt, den Tee ohne jeden Gedanken daran aufgegossen hatte. Puh! Bis zur Morgenmeditation hatte ich bereits eine Stunde in vollkommenem Autopiloten verbracht. Und bei ehrlicher Betrachtung war der Rest der Tage nicht besser. Der Weg zur Arbeit, das Staubwischen, Gemüseschnippeln – Automatismen, Autopilot, keinerlei Wertschätzung für die Schönheit der Karotte in meiner Hand, keine Dankbarkeit, dass fleißige Hände im Frühtau den Tee geerntet und getrocknet haben, dass Dutzende Menschen daran beteiligt waren, dass ich Haferflocken in der Müslischüssel habe. Ich war restlos, vollkommen und round the clock unbewusst. Schlafend. Ohne Sinn und Verstand quasi. Als ich das erkannte, fiel mir auf: wenn ich so weiterlebe, werde ich eines Tages sterben und war keine Sekunde in meinem eigenen Leben anwesend, von irgendwelchen krassen schönen oder negativen Augenblicken abgesehen. Da erkannte ich den Wert dieser Momente – sie wecken auf. Krankheiten, Unfälle, Todesfälle, Geburten, Besonderheiten ragen wie Inseln aus dem Meer, in der Regel sehen wir sie nicht, nur wenn Ebbe ist.

Herzlichste Einladung, diese beiden Wochentage mit den Aufgaben mal mitnehmen ins Wochenende. Und die nächste Woche mal abgrundtief ehrlich zu dir selbst beobachten: Gibt es in meinem Leben überhaupt Bewusstheit, Wachsein und Achtsamkeit auf das, was ist? Kreise ich in meinem Tiefschlafuniversum, ferngesteuert durch „Gewohnheiten“, seien sie im Denken, im Fühlen oder im Handeln?

Es gibt nur eine Aufgabe: Erwachen wir zum Menschsein. Wachsen wir hinein in das Leben, schlagen wir darin Wurzeln und stehen leuchtend da für die anderen, die gerade suchen, verzweifelt sind, traurige Momente haben. Seien wir einfach da. Wach, bewusst und liebend.

Von Herzen wünsche ich euch ein wunderbares, lebendiges Wochenende. Ich freue mich auf Begegnungen mit wachen, bewussten Menschen.

Das Foto hat Steffi gemacht. Ganz bewusst übrigens. Ich danke dir, Steffi, so wie allen anderen, die uns jeden Tag das Geschenk ihrer wunderbaren Fotos machen. Ich nehme gern Fotos entgegen! Wir reisen mit euren Augen um die Welt, schauen durch eure Kameralinse genau hin und sind euch so ganz nah. Vertrauen pur. Wie beschenkt wir sind! Verbunden mit euch, mit allen, die diese Fotos sehen können.

Still werden und lauschen

Samstag

Auf seine Vorstellungen (Gedanken) achten. Nur bedeutsame Gedanken denken. Nach und nach lernen, in seinen Gedanken das Wesentliche vom Unwesentlichen, das Ewige vom Vergänglichen, die Wahrheit von der bloßen Meinung zu scheiden.

Beim Zuhören der Reden der Mitmenschen versuchen, ganz still zu werden in seinem Innern und auf alle Zustimmung, namentlich alles abfällige Urteilen (Kritisieren, Ablehnen) auch in Gedanken und Gefühlen, zu verzichten.

Dies ist die sogenannte „richtige Meinung“.

Sonntag

Nur aus begründeter voller Überlegung heraus selbst zu dem Unbedeutendsten sich entschließen. Alles gedankenlose Handeln, alles bedeutungslose Tun soll von der Seele ferngehalten werden. Zu allem soll man stets wohlerwogene Gründe haben. Und man soll unbedingt unterlassen, wozu kein bedeutsamer Grund drängt.

Ist man von der Richtigkeit eines gefassten Entschlusses überzeugt, so soll auch daran festgehalten werden in innerer Standhaftigkeit.

Dies ist das sogenannte „richtige Urteil“, das nicht von Sympathie und Antipathie abhängig gemacht wird.

Sigrid hat diesen unglaublich beeindruckenden Baum in der Rhön entdeckt. Danke!

Du schaffst mehr als du denkst!

Vom Leben lernen: Das ist eine harte Nummer. Wir lernen mühsam. Das Leben gibt uns oft einfache Aufgaben, die wir ignorieren, dann wird’s ein wenig heftiger, das stopfen wir unter den Teppich und irgendwann kommt dann halt das Brett, da müssen wir ran. Was Steiner meint, ist in meinen Augen, dass wir uns beim Handeln an Erfahrungen aus der Vergangenheit erinnern und lernen sollten, die ewig gleichen Situationen und Folgen zu vermeiden. E regt an, zu schauen, wie andere Menschen Dinge regeln und warnt davor, das mit lieblosen Blicken zu tun. Das ist unser Standard, wir werten und denken oft sehr abfällig über andere Menschen.

Wenn wir ehrlich sind, ertappen wir uns ab und an dabei, dass wir denken: Oh nein! Wieso macht er/sie das so und so? Das geht doch jedes Mal schief? Lernt er/sie denn nichts aus den Erfahrungen? Die Antwort ist: Da sind wir alle gleich. Mit unseren „Problemlösungsprogrammen“ versuchen wir, alles, was anflutet, gleich zu behandeln. Da gilt Watzlawick: Wenn du nur einen Hammer hast, sieht alles wie ein Nagel aus. Flexibilität ist gefragt und das ist die Anregung: Schau mal, wie andere mit Fragen im Leben umgehen, vielleicht kannst du daran etwas lernen, entweder, wie man es genial lösen kann oder es eben nicht funktioniert und gleiches gilt für unsere vergangenen Handlungen: Was war warum zielführend oder gerade nicht?

Besonders schön finde ich den Hinweis, auf die Kinder zu achten. Da sie nicht wissen, wie man Dinge macht, gehen sie unbefangen an Herausforderungen heran. Von Jorge Bucay gibt es eine wunderbare Geschichte. In einem Haus sind zwei kleine Kinder beim Mittagsschlaf, ein Junge mit sechs Jahren und sein Babybruder. Die Kinderfrau denkt, die beiden schlafen, geht fix aus dem Haus und schließt die Kinder ein. Es bricht ein Feuer in der Wohnung aus. Die Kinder sind im Zimmer gefangen, vor dem Fenster ein Schutz vor Herausfallen. Der Junge schafft es, das Gitter zu entfernen, seinen Babybruder in einen Rucksack zu stecken, aus dem Fenster zu klettern, auf einen Baum vor dem Haus zu steigen und von dort herunterzukommen. Ein alter Feuerwehrmann weiß, wieso das Kind das geschafft hat: „Niemand hat ihm gesagt, du kannst das nicht.“ Diese Geschichte liebe ich, denn sie zeigt, dass niemand kreativer und spielerisch-lösungsorientierter ist als Kinder. Sie finden immer einen Weg. Wir mit unserem Schlaubischlumpf-Verstand sind häufig nicht mehr kreativ, orientieren uns an unseren ach so großartigen Erfahrungen oder versuchen es „wie immer“.

Man kann von jedem Menschen lernen! Wenn wir diesen Satz im Herzen tragen, sind wir offen. Gespannt auf die Wundertüte, die vor uns steht. Bereit, die Welt mit den Augen unseres Gesprächspartners zu sehen und unseren Schmalspurgeist zu dehnen. Geschenke, die das Leben uns jeden Tag reichlich vor die Füße legt wie reifes Fallobst. Nehmen und was draus machen!

Allen einen wunderbaren Tag, dessen Energie am Freitag von der Venus kommt, sie ist liebevoll und freundlich. Schön, oder?

 

Steffi notierte zu diesem Foto: Wenn ich beim Laufen nach hinten schaue. Ist das nicht erstaunlich, vorne der corn moon des Septembers und hinter ihr die aufgehende Sonne, die den Tag durchlichten und durchwärmen wird. Danke für diese beiden Bilder!

Vom Leben lernen

Freitag

Das Streben, möglichst viel vom Leben zu lernen.

Nichts geht an uns vorüber, das nicht Anlasse gibt, Erfahrungen zu sammeln, die nützlich sind für das Leben. Hat man etwas unrichtig oder unvollkommen getan, so wird das ein Anlass, Ähnliches später richtig oder vollkommen zu machen.

Sieht man andere handeln, so beobachtet man sie zu einem ähnlichen Ziele (doch nicht mit lieblosen Blicken). Und man tut nichts, ohne auf Erlebnisse zurückzublicken, die einem eine Hilfe sein können bei seinen Entscheidungen und Verrichtungen.

Man kann von jedem Menschen, auch von Kindern, viel lernen, wenn man aufpasst.

Man nennt diese Übung auch „das richtige Gedächtnis“. das heißt sich erinnern an das Gelernte, an die gemachten Erfahrungen.

Steffi ist am Morgen gelaufen und hat zwei Bilder gemacht. Zu diesem schrieb sie: Wenn ich beim Laufen nach vorne schaue.

Komm in deinen Flow!

„Das menschliche Streben“ – Steiner beschreibt in der Donnerstagsübung etwas, was die moderne Forschung bestätigt. Wir sind dann am besten im Flow, am meisten angeregt und herausgefordert, wenn wir unsere Komfortzone verlassen und uns der Grenze nähern, die uns von einer Überforderung trennt. Steiner hat das so wunderbar geschildert, dass wir nichts tun sollen, was unsere Kräfte übersteigt, aber auch nichts unterlassen sollen, was innerhalb unserer Fähigkeiten liegt.

Ein weiterer Punkt, der eine hilfreiche Leitlinie im Alltag sein kann, ist das out of the box-Denken, das Verlassen des berühmten Tellerrands, um sich Zielen zu stellen, die Steiner mit Idealen verbindet. Er verknüpft die Ideale des Menschen mit Aufgaben, die wir in den Dienst der Gemeinschaft stellen, auch wenn das vielleicht nicht schnell umsetzbar ist. Nicht nur, dass diese Übung den Donnerstag zu einem der spannendsten Tage der Woche macht, sondern die Kraft des Jupiter, der als weise und Freude bringend gilt, stützt uns zudem in diesem Bemühen.

Oft habe ich da Vinci zitiert: „An welchen Stern willst du deinen Lebenskarren binden?“ – das ist mit der Vision, dem Ideal gemeint. Das darf etwas Großes, vielleicht Unerreichbares sein und davon brechen wir die bewältigbaren Ziele herunter, die uns allerdings durchaus aus dem vertrauten Trott holen müssen und dürfen, wenn Entwicklung geschehen soll. In der Komfortzone entwickelt sich nur ein Bauch, aber wir uns nicht als Persönlichkeiten.

Vom Ich zum Wir – in der Donnerstagsübung ist dieser Weg vor das Auge gestellt. Unsere eigene Entwicklung möge so verlaufen, dass sie dem Wohl des Ganzen dienen mag. Das ist eine sehr große Aufgabe! Zudem folgt der Zusatz, die Übungen, die wir schon kennen gelernt haben, zur Gewohnheit werden zu lassen. Nur was Gewohnheit wird, ist uns im wahrsten Sinn des Wortes in Fleisch und Blut übergegangen, selbstverständlich geworden.

Viel Freude mit dieser Übung. Kleiner Nebeneffekt: Wenn man seinen Geist mit solchen Aufgaben füttert und sich auf den Weg damit macht, hat man viel weniger Zeit zum Jammern, Klagen oder zur Unzufriedenheit, denn wir erfahren, dass es an uns liegt, etwas für oder gegen die Not in der Welt zu tun und dass wir sehr wohl etwas bewegen können.

 

Steffi hat dieses Foto gemacht, das für mich den Übergang vom Sommer zum Herbst perfekt einfängt.

 

Das menschliche Streben

Donnerstag

Das menschliche Streben. Man achte darauf, nichts zu tun, was außerhalb seiner Kräfte liegt, aber auch nichts zu unterlassen, was innerhalb derselben sich befindet.

Über das Alltägliche, Augenblickliche hinausblicken und sich Ziele (Ideale) stellen, die mit den höchsten Pflichten eines Menschen zusammenhängen, zum Beispiel deshalb im Sinne der angegebenen Übungen sich entwickeln wollen, um seinen Mitmenschen nachher umso mehr helfen und raten zu können, wenn vielleicht auch nicht gerade in der allernächsten Zukunft.

Man kann das Gesagte auch zusammenfassen in: „Alle vorangegangenen Übungen zur Gewohnheit werden lassen“.

Steffi hat diesen herrlichen doppelten Regenbogen für uns eingefangen.

Wider Unruhe und Hast

In der Mittwochsübung sind wir eingeladen, unser Leben einzurichten. Wie erstaunlich, oder? Wir richten Häuser und Arbeitsplätze, Computer oder Kinderzimmer ein, aber das Leben? Bereits das ist ein spannender Punkt. Rudolf Steiner ist der Meinung, dass man sein Leben einrichten sollte. Ich teile diese Meinung. Wir leben oft so in den Tag hinein ohne Sinn und Verstand, lassen Timelines verstreichen, weil wir angeblich nur unter maximalem Druck gut arbeiten können und bringen so Unruhe und Hast ins Leben.

Am Wochenende zitierte ich Beppo Straßenkehrer in einem Seminar, weil die Schüler Sorge trugen, mit der Menge an Lernstoff nicht klarzukommen. Ja. Wenn man alles auf einmal sieht, mag das schnell geschehen, doch wenn ich mir das „einrichte“, einen Plan aufstelle und genügend kluge Puffer berücksichtige, erarbeite ich mir im Lauf der Zeit auch den größten Berg, schaffe ich auch schwierige Aufgaben. Beppo Straßenkehrer in Michael Endes „Momo“ ist ein Meister „der Einrichtung“, denn „dann kommt man nicht aus der Puste“, vermeidet im Steiner-Sinne Unruhe und Hast.

Das Leben als einen Entwicklungsweg sehen – das hat ebenfalls was. Früher gab es Mysterienschulen. Die Mysten durchschritten jahrelang Trainingseinheiten. Sie übten sich in vielem, was den Willen schult, die Demut fördert. Sie hatten Hierophanten, die ihre Entwicklung begleiteten und stets die Messlatte entsprechend der Entwicklung des Lernenden höherlegten, so dass die Herausforderungen wuchsen und damit nach und nach Kraft aufgebaut wurde. Am Ende gab es eine letzte große Prüfung, in der der Myste maximal auf seine innere Stärke getestet wurde.

Joseph Beuys hat vor Jahren gesagt, heute fände die „Einweihung am Hauptbahnhof“ statt, sprich: unser Alltagsleben darf durchaus als ein Einweihungsprozess verstanden werden. Was übrigens bereits im Wort Prozess enthalten ist, denn procedere heißt voranschreiten, es impliziert bereits eine Richtung.

Nicht im äußeren Tand aufgehen – zu Steiners Zeiten gab es gerade mal Telefon und elektrisches Licht, die Industrie befand sich im Boom. Kein Internet. Keine Handys, kein Fernsehen. Wie viel äußeren Tand bietet unsere Welt! Schrott in jeder Form, geistiger Müll, seelische Überfrachtung bei körperlicher Inaktivität – langfristig Verdummung und Entfernung von allem Wesentlichen auf sämtlichen Ebenen, wenn man es nicht schafft, sich entsprechend Freiräume von all dem (medialen) Wahnsinn zu gönnen. Hand aufs Herz: wie oft verlieren wir uns im äußeren Tand? Wie häufig gönnen wir uns das, anstatt an unserer eigenen Entwicklung zu arbeiten?

Die Mittwoche, die mit Merkur (wie viele Sprachen noch zeigen übrigens) verbunden sind, dem beweglichsten der Götter, laden dazu ein, unser Leben einzurichten. Schaffen wir uns Ecken der Meditation, der Würde, der Werte, einen Tisch für Gemeinschaft, ein Lesezimmer, einen Raum für Bewegung, einen für Kunst und Musik, einen für geistige Arbeit und einen, in dem wir komplett Platz lassen für alles, was werden mag und in dem wir uns mit unseren Schatten befassen dürfen. Richten wir unser Leben ein und achten wir darauf, an diesem Tag wenig dem Tand anheimzufallen.

Allen einen bewegenden Merkurtag.

 

Sigrid hat sich von der Wertheimer Burgruine begeistern lassen. Dankeschön!

Dein Leben einrichten

Mittwoch

Die Einrichtung des Lebens. Natur- und geistgemäß leben, nicht im äußeren Tand des Lebens aufgehen. Alles vermeiden, was Unruhe und Hast ins Leben bringt.

Nichts überhasten, aber auch nicht träge sein. Das Leben als ein Mittel zur Arbeit, zur Höherentwicklung betrachten und demgemäß handeln.

Man spricht in dieser Beziehung auch vom „richtigen Standpunkt“.

Rudolf Steiner

Der Apfel ist ein Geschenk der Natur. Sigrid hat ihn fotografiert, vielen Dank.

Dem Wohl des Ganzen dienen

Steiners Anregung für den Dienstag, der von der Tatkraft des Mars gestützt wird, betrifft unsere Handlungen. Diese sollen dem Wohl des Ganzen, dem Glück, dem Ewigen standhalten können. Das ist eine große Nummer. Alles, was wir tun, darf sich an mächtigen Maßstäben messen lassen. Deshalb ist es sinnvoll, seine Handlungen vorab gut zu bedenken.

Natürlich gibt es Momente im Leben, da müssen wir ohne jedes Nachdenken reflexgesteuert agieren, um Schlimmes zu verhindern oder um etwas auszuweichen. Das ist auch nicht gemeint, sondern Steiner lädt uns dazu ein, alles, was wir tagsüber automatisch tun und wo wir durch unser mangelndes Bedenken anderen Menschen in Gedanken, Worten und Taten Schaden zufügen können, erst in Gedanken durchzugehen. Ähnlich wie Sokrates seine drei Siebe benannt hat – ist etwas wahr, gut und notwendig – gibt es eine Richtschnur für das Handeln: es soll dem Wohl des Ganzen dienen, dem Glück der Mitmenschen und vor der Ewigkeit Bestand haben.

Viele Menschen belegen für viel Geld Achtsamkeitskurse, dabei ist unser Alltag das allerbeste Übungsfeld. Wenn ich eine Karotte mit Aufmerksamkeit würfle und sie dann mit Liebe und Freude koche, wird das ein anderes Gericht sein, als wenn ich sie lieblos kleinschreddere und auf dem Herd einkochen lasse, denn alles, was durch liebevolle Hände geht, nimmt ein neues Wesen an. Wenn wir darauf bedacht sind, dem Wohl des Ganzen zu dienen, werden wir keine Handlungen unternehmen, die die Freiheit und das Wohlbefinden des anderen stören, welchem Naturreich – Mineralien, Pflanzen, Tiere und Mensch – er auch angehört. Handlungen, die zum Glück führen, sind von Liebe, Achtsamkeit und Freude geprägt, das gehört zu den stärkenden Taten. Wenn etwas vor der Ewigkeit Bestand haben soll, lautet die Einladung, all das viele sinnlose Tun unserer Tage zu überdenken und sein zu lassen.

Der Dienstag hat eine besondere Tatkraft. Deshalb können wir unser Augenmerk eher auf das Bedenken unseres Tuns legen. „Denke erst und handle dann und handelnd denk daran“ lautet eine Übung aus der Eurythmie. Sie könnte Pate stehen für Steiners Dienstagsanregung.

Herzliche Einladung an alle, heute bei allem, was wir einfach mal so aus dem Bauch raus tun würden, kurz inne zu halten und zu überlegen: dient es dem Gemeinwohl? Macht es mehr als nur mich glücklich? Ist es so wichtig, dass es von mir an diesem Tag getan werden muss? Habe ich es bedacht oder ist es eine meiner vielen kleinen unbedachten Handgriffe, die dadurch auch nicht in mein Bewusstsein eindringen (Klassiker: Ist das Bügeleisen aus, das Dachfenster zu?)?

Allen einen tatkräftigen Dienstag mit einem großartigen Auftrag hinter allem Handeln.

 

Michael bezwingt den Drachen am Hamburger Michel.

Denken und Handeln

Dienstag

Die äußeren Handlungen. Diese sollen nicht störend sein für unsere Mitmenschen. Wo man durch sein Inneres (Gewissen) veranlasst wird zu handeln, sorgfältig erwägen, wie man der Veranlassung für das Wohl des Ganzen, das dauernde Glück der Mitmenschen, das Ewige, am besten entsprechen könne.

Wo man aus sich heraus handelt – aus eigener Initiative -, die Wirkungen seiner Handlungsweise im Voraus auf das Gründlichste erwägen.

Man nennt das auch „die richtige Tat“.

Rudolf Steiner

Manchmal lohnt es sich, einen Turm zu besteigen, um so wie Christoph es getan hat Hamburg von oben anzuschauen.

Montags-Nachdenk-Input

Am Wochenende startete an der Akademie Vaihingen der Intensivkurs für die angehenden Heilpraktiker für Psychotherapie. Wir sind eine wunderbare Gruppe Menschen, die sich das umfangreiche Stoffgebiet erarbeiten werden. Das erste Wochenende ist immer etwas Besonderes: Welche Menschen werden sich in dieser Gruppe zusammenfinden? Welche Themen bringen sie mit und lassen sie in genau dieser Konstellation zusammenkommen? Ich freue mich, dass das erste Wochenende bereits begleitet war von sehr intensiven Begegnungen, das ist selten und ein Geschenk.

Rudolf Steiner hat mit seinen Wochentagssprüchen eine gute Aufgabe gegeben. Den Montagsgedanken mag ich besonders. Einfach mal die Klappe halten ist sehr entspannend. Sich Gedanken machen, ob das, was gesagt wird, wirklich wichtig ist. Wir bemerken, wenn wir einen Tag in der Woche auf so etwas achten, wie viel Geblubber in der Welt ist.

Otto Scharmer nennt das Downloaden: Man benutzt oder besser gesagt missbraucht sein Gegenüber (Gesprächspartner kann man das dann wohl kaum mehr nennen), um seinen eigenen Quark loszuwerden. Es geht nicht um das, was mir der andere Mensch sagt oder mitteilt, sondern darum, dass ich sagen kann, was mir wichtig ist. Oft fällt uns das nicht mal auf, wenn jeder am anderen vorbeischwätzt, weil das so weit verbreitet ist. Doch hat man so eine spannende Übung am Start, sticht einem ein solches Verhalten in einer ganz neuen Weise ins Auge.

Wir bemerken, dass wir reden, obwohl wir lauschen sollten. Dass der Inhalt des Gesagten bedeutungslos für das Gegenüber ist und besser nicht hätte gesagt werden sollen oder müssen. Wie oft wir verletzend sprechen oder die drei Siebe des Sokrates (ist es gut, ist es wahr, ist es notwendig) nicht berücksichtigen, wenn wir Gerüchte weitertragen oder nur über jemanden ablästern.

Die Wochentagsgedanken folgen dem buddhistischen achtfachen Pfad. Für diese Woche habe ich mir vorgenommen, euch jeden Tag den entsprechenden Gedanken mitzuteilen und ihr könnt für euch gern schauen und erforschen, ob sich dadurch etwas an eurem Tag ändert, wenn ihr einen solchen Gedankenmit hineinnehmt.

Allen einen gelingenden Start in eine neue Woche. Habt es fein heute!

Das Foto von 2017 zeigt den Seminarraum, in dem wir am Wochenende –  unter anderen Abstandsbedingungen – Kurs hatten und sich Menschen neu begegnet sind, die jetzt einen gemeinsamen Lernweg miteinander beschreiten.

Über das Reden

Montag

Das Reden. Nur was Sinn und Bedeutung hat, soll von den Lippen desjenigen kommen, der eine höhere Entwicklung anstrebt. Alles Reden um des Redens willen – zum Beispiel zum Zeitvertreib – ist in diesem Sinne schädlich.

Die gewöhnliche Art der Unterhaltung, wo alles bunt durcheinander geredet wird, soll vermieden werden; dabei darf man sich nicht etwas ausschließen vom Verkehr mit seinen Mitmenschen. Gerade im Verkehr soll das Reden nach und nach zur Bedeutsamkeit sich entwickeln. Man steht jedem Rede und Antwort, doch gedankenvoll, nach jeder Richtung hin überlegt. Niemals ohne Grund reden! Gerne schweigen. Man versuche, nicht zu viel und nicht zu wenig Worte zu machen. Zuerst ruhig hinhören und dann verarbeiten.

Man heißt diese Übung auch: „das richtige Wort“.

Das blaue Fenster in der Akademie Vaihingen