Jacob Burckhardts Buch „Die Cunst der Renaissance in Italien“ war eine der vielen Begleitlektüren im Studium. Aus einem anderen seiner Bücher schrieb ich mir vor 36 Jahren das Größenzitat in meine Zitatensammlung ab, weil wir nicht nur in Kunstgeschichte, sondern zeitgleich in den Geschichtsseminaren und Politikvorlesungen das Thema Größe hatten. Ein großes Semester offenbar. Meine Erinnerung an diese paar Monate ist deshalb so gut, weil es Winter war und die Heizung in meiner Studentenbude ganze drei Wochen ausgefallen ist. Ich hatte das erste Mal im Leben Eisblumen innen am Fenster. Wir hatten draußen 25 Zentimeter Schnee über Wochen. Ich bin zu Fuß zur Uni gelaufen, weil die Busse zu überfüllt waren. Ich hatte also viel Zeit und wie die Peripatetiker, die in den Wandelhallen beim Laufen im Gespräch nachdachten, fiel mir auf, dass man beim Gehen wirklich sehr gut nachsinnen kann. Berge Notizhefte füllte ich damals. Beim letzten Umzug entsorgte ich sie kühn, wohl wissend, dass ich damit eine ganze Schreib-Epoche meines Lebens dem Orkus übergab, aber auch, dass kein Gedanke je verlorengeht.
Wenn ich mir diese Woche vor das innere Auge hole, mache ich mir permanent bewusst, dass alles, was wir sagen und denken, Existenz hat. Den abgeschossenen Pfeil kann ich ebenso wenig wie das ausgesprochene Wort zurückhol, Gedanken sind für mich ebensolche Realitäten. Viel vom Chaos in der Welt gehört für mich zu den sichtbaren Zeichen geistiger Umweltverschmutzung. Alle Bösartigkeiten, Arroganz, Egozentrik, Gier, Hass, die vorschnellen Urteile, die wir fällen, jeder fiese Seitenhieb, der unsere Gedanken durchhuscht und unser Herz mit Ungutem füllt, zählt. Bei rund 70.000 Gedanken am Tag kann ordentlich was zusammenkommen.
Laut dem Tao te King ist alles Große schlicht und einfach. Das klare Glas Wasser. Das frische Brot mit Butter und Salz. Die Schritte, die wir in der Natur gehen und dem Rauschen der Blätter lauschen, die Sonnenstrahlen, die Regentropfen (schön wärs) sehen und dem Konzert draußen lauschen, das die Vögel uns schenken. Dann kommt Frieden in unser Herz und der Kopf hört auf, wie ein Maschinengewehr miese und niederdrückende Gedanken zu feuern. Was wir aussenden an Negativem (und Positivem) kehrt zu uns zurück wie ein Bumerang.
Worauf möchte ich an diesem Venustag, der nur einmal in meinem Leben existiert, mein Augenmerk richten? Wie kann ich mein Herz, meinen unruhigen Geist befrieden und diesen Frieden in meine Umgebung senden? Wo kann ich noch viel freundlicher und gütiger mir selbst und anderen gegenüber sein?
Allen einen liebevollen Tag mit vielen Zaubermomenten der Verbundenheit mit dem, was uns umgibt und allem, was lebt.