Monthly Archives: Februar 2021

Wider die Lieblosigkeit

Arthur Schnitzlers Fahrrad war offenbar einer seiner Garanten für Lebensfreude. In diesen Tagen können wir eine Menge Lebensfreude gebrauchen. Was bringt uns alles Lebensfreude? Natürlich jede Form der Bewegung, eine typgerechte Ernährung, ein schön gedeckter Tisch, ein gutes Gespräch und etwas, das uns zum Lachen bringt und vieles mehr. Leichtigkeit, auch mal ne Runde im Schnee barfuß rennen und was immer jedem frommen mag.

Was stört Lebensfreude? Unsere Klagen (bis hin zu juristischen Auseinandersetzungen klagen wir gern), unsere Jammerunkultur und unsere Lieblosigkeit plus x.

Das Wort „lieblos“ kam mir gestern in einem Text unter, in dem es um die Frage ging, ob Kinder ihren Eltern Dankbarkeit schulden. Von der Problematik eines ethisch-moralischen (und damit quasi unlösbaren) Konflikts abgesehen blieb mein Auge am Wort „lieblos“ hängen. Das ist etwas, das uns wahrhaft Lebensfreude tötet, unsere Lieblosigkeit. Meistens ist das nicht mal eine Lieblosigkeit nach außen, anderen gegenüber, sondern was viel tiefgreifender geht, ist die Lieblosigkeit uns selbst selbst gegenüber!

Wir sprechen den ganzen Tag mit uns selbst in einer oft sehr unangemessenen und hässlichen Art. Hässlich kommt von Hass, das trifft es gut. Gegen eine angebrachte Kritik ist wenig einzuwenden, hielten wir uns an die Feedbackkultur für das Arbeitsleben „draußen“: LSL = Lob – Sachkritik, sachlich formuliert – Lob im Sandwichformat, doch in unserem Kopf sieht das eher so aus: Kritik, Niedermachen, Jammern, Projizieren, Kritik, Meckern, Schlechtmachen, Schuldigen suchen, wieder Kritik, Innerer Richter, Glaubenssatzendlosschleife und totale Selbstverachtung als Versager des Jahrtausends.

Was wir unserem schlimmsten Feind nicht antun würden, wenden wir permanent gegen uns selbst an. Weshalb? Freundlichkeit ist nicht nur in Bezug auf andere Menschen essentiell, sondern auch in unserem Kopf. Lieblos trifft es gut. Wir hassen uns selbst und projizieren das nach außen, wie Sartre bereits festgestellt hat: „L’enfer c’est les autres“, „Die Hölle sind die anderen“.

Langfristig töten uns Lieblosigkeit und negative Ansprache. Wie wäre es also am Jupitertag, dem „Bringer des Frohsinns“, mit Freundlichkeit, liebevoller Ansprache in unserem eigenen Kopf, ErMUTigung und Lob für uns selbst? Fokus auf das, was gelingt, was gut ist? Was ist das Wahre, Gute und Schöne in deinem Tag, das du feiern darfst und worauf du stolz sein möchtest?

Allen einen liebevollen Jupitertag.

Das Bächlein bildet erstaunliche Eiskristalle. Wunder der Natur, festgehalten von Stephanie. Danke!

Froh zu sein bedarf es wenig

Ein frohes Gemüt kann Schnee in Feuer verwandeln, sagt ein spanisches Sprichwort. Das ist eine gewagte Aufgabe und physikalisch nicht wirklich umsetzbar. Doch darum geht es nicht, sondern um das Bild, das dahintersteht. Ein frohes Gemüt braucht Frohsinn, ein Wort, das aus unserer Sprache fast verschwunden ist. Wer frohen Gemüts ist, erträgt Schwierigkeiten leichter. Es ist das Resultat von vielen Erfahrungen, denn ein frohes Gemüt hat man entweder, weil man Leid noch keineswegs erfahren musste oder weil man viel Leiderfahrung hat und so auch viele Möglichkeiten, den Umgang damit zu üben.

Eine Sternstunde hatte ich gestern, als eine Klientin plötzlich sagte: „Ich bin es Leid, zu leiden. Ich mach da nicht mehr mit.“ Darauf kommt es an. Eine Entscheidung zu treffen, nicht mehr zu leiden. Das ist keine Absage an Leid oder Ignoranz einer Situation oder unangemessene aufgesetzte Fröhlichkeit, wo Trauer angesagt wäre. Sondern es bezeichnet einen Moment im Leben, wo sich ein Mensch sehr lange mit einem Problem befasst und verstanden hat, dass die Grundsituation bewältigt ist, der Mensch dennoch leidet und nicht loslassen kann, es nun aber an der Zeit dazu ist.

Das Leiden kann zur Gewohnheit werden und dann fräsen sich entsprechende Autobahnen ins Gehirn, das ja gern mal Energie spart, also alles auf die gleiche Datenautobahn schickt. Dadurch wird alles negativ interpretiert, sind andere Menschen schrecklich, undankbar, nachtragend, kümmern sich nicht (gut so, denn wer sich dauernd kümmert, landet im Kummer) und was dergleichen Leidlitaneien mehr sind. Da dann einfach einen Cut zu setzen und zu sagen: Es reicht, es muss was Neues her!, ist mutig und klug. So, wie es eine Zeit der Trauer, der Sorgen, des Leids geben muss, darf dieser Zustand auch beendet werden, wenn man innerlich merkt, dass man in Schleifen festhängt.

Ein frohes Gemüt ist eine Entscheidung. Das habe ich nicht unbedingt von Natur aus (manche schon). Ich kann mir jedoch sehr wohl einen frohen Sinn angewöhnen, indem ich nicht immer davon ausgehe, dass mein Gegenüber ein mieser Mensch ist, der mich linken will, dass Chefs immer bösartig, Kollegen immer unfähig und neidisch, das Wetter immer schlecht und alle unfreundlich zu mir sind. Ich darf es für möglich halten, dass es aus dem Wald so heraushallt, wie ich hineinrufe. Froher Sinn ist richtig Training in diesen Monaten, in denen wir uns zu Jammer- und Anklage-Opfer-Spezialisten entwickelt haben.

Ich entscheide mich, heute so oft es geht frohsinnig zu sein! Mich nicht permanent als Opfer zu fühlen, sondern freundlich zu mir und anderen zu sein. Ich halte Wunder für möglich und dass meine Aufgaben mich glücklich machen, weil ich glücklich sein möchte. Ich kann unglücklich sein, ich muss aber nicht. Ich kann Angst haben, das muss ich erst recht nicht. Und ich kann frohen Sinnes und frohen Gemüts sein, weil ich es mir erlaube. Ich darf darin übend sein und Meister werden.

Merkur ist ein toller Tag zum Wendigsein, das ist der Tag der Flexibilitätsgenies. Also switcht ruhig mal miese Laune in neutrale oder gar gute und schaut, wie die Welt darauf antwortet. Stellt eure Frequenz in Herz und Hirn auf frohes Gemüt und frohen Sinn ein, ihr könntet sehr überrascht werden. Da wird die Sonne im Herzen aufgehen und in eurem Sinn werdet ihr die tiefe Wahrheit des spanischen Sprichworts erkennen – so kann das Feuer der BeGEISTerung auflodern für das, was ihr tut, wofür ihr steht und euer Herzblut an diesem Wochenteilungstag geben mögt.

Froh zu sein bedarf es wenig! Seid Königinnen und Könige, würdevoll, souverän und liebevoll, über das Reich eurer Gedanken und Gefühle auf kluge Weise herrschend.

Schneebeeren hat Sigrid auf ihrer Wanderung durch die Winterlandschaft auch entdeckt. Vielen Dank für das Foto!

Vom langen Mut und der Geduld

Am Sonntagabend gab es ein spannendes Gespräch über das Thema Durchhalten. Das Wort klingt angestrengt, dabei meint es eher, dass wir in der Lage sind, etwas, das uns wichtig ist, zu halten, auch durch eine Krise hindurch, eine Durststrecke.

Die Grundlage von Durchhalten könnte Geduld sein. Das ist eine Tugend, die nicht sehr beliebt ist. Geduld ist in unserer heutigen Welt eher was für die Ewiggestrigen, die Tugenden und Werte gut finden und das Motto haben, dass alles seine Zeit braucht. Das ist old fashioned, heute muss alles sofort, pronto und zackig gehen. Overnight und sofort zum downloaden.

Es gibt Dinge, die sind zackig und sofort. Und es gibt Dinge, die brauchen Zeit zum Wachsen, Reifen, Werden. Gras wächst nicht schneller, wenn man dran zieht, so sehr wir uns das manchmal wünschen und „Im Märzen der Bauer sein Rösslein anspannt“ hat auch heute noch Gültigkeit, denn wenn der Boden keine bestimmte Temperatur hat, kann ich säen, was ich will, es wächst dann halt einfach nicht.

Geduld kann bedeuten, an etwas dranzubleiben, weil man weiß, dass es richtig ist, auch wenn wir nicht sofort tolle Resultate sehen. Geduld kann heißen, das Wachstum zu begleiten von etwas, ihm das ureigene Tempo zuzugestehen, den Raum dafür zu geben, damit wir auch mit Erfolg belohnt werden. Geduld kann heißen, nicht hektisch zu agieren, sondern in der inneren Ruhe zu wissen, dass sich alles fügen kann. Das bedeutet nicht, untätig zu sein, alles auszusitzen, die Argumente anderer sich totlaufen zu lassen.

Geduld meint: ich gebe meinen Anteil am Gelingen dazu. Ich lasse die Dinge sacken, reifen, wachsen, stelle Fragen, korrigiere vielleicht, erkenne, was es noch braucht und mache das – und dann kann etwas entstehen. Und zwar auf gute Weise im passenden Tempo.

Geduld hat viel von Langmut – so, wie wir manchmal erdulden müssen, dass Entwicklung ihre Zeit braucht, benötigen wir auch lange Mut und vorweg Demut, damit die Durststrecken des Wachstums ausgehalten werden. Wir haben in unserer Welt das abwarten können verlernt, uns das Gefühl von Vorfreude gestohlen mit unserer Sofortgier.

Die Welt im Außen zwingt uns gerade sehr in den Langmut und die Geduld. Ich vermute, dass wir keine starken Erleichterungen des Lockdowns diese Woche erleben. Das bedeutet: noch weiter Langmut üben, geduldig sein und die Zeit gut nutzen, um sich neu aufzustellen, zu hinterfragen, wer man ist, wo man hinwill und was der Sinn des eigenen Lebens ist. Jetzt ist die Zeit, Korrekturen vorzunehmen, damit wir mit der Kraft des Frühlings unter den Flügeln leichter losstarten können. Wer bist du? Wer willst du sein? Welche Art von Arbeit erfüllt dein Leben mit tiefstem Sinn? Was macht dich wirklich glücklich? Auf dem Weg dahin wünsche ich dir Langmut und Geduld, damit gut werde, was aus einem liebevollen Herzen heraus seinen Weg in die Welt durch dich finden mag.

Allen einen tatkräftigen Marstag!

Schön, wenn uns ab und an etwas oder jemand im Leben begegnet, der uns den Weg für die nächsten Schritte weisen kann. Danke an Theresa für das Foto!

Lade Herausforderungen ein!

Ein spannendes Wochenende war das! Die angehenden Heilpraktiker für Psychotherapie haben am Freitag das Wochenend eingeläutet, Samstag und Sonntag haben wir in der Cardea-Ausbildung den Themenblock „Hypnotherapie“ begonnen. Schön war das. Eine Teilnehmerin im Allgäu hatte sehr warme Temperaturen, eine in Xanthen hingegen ordentlich Freude in der Pause mit dem Hund im tiefen Schnee, während hier über allem eine dicke Schicht Saharastaub in Gelb liegt und vom Regen abgewaschen wird. Erstaunliche Phänomene derzeit auch im Wetterbereich.

Der gelbe Himmel am Samstag hat mich sehr beschäftigt. Ich konnte mir den Tag über nicht erklären, woher die Farbe stammt und wieso sich alles so milchig und eingetrübt anfühlt. Ein zwischen den Fronten stehen war gut spürbar – der Kälteschub von Norden und das Föhnwetter im Süden prallte hier aufeinander und bescherte uns zunächst mal glücklicherweise gar kein dramatisches Wetter, eher ein Spüren von Kräften in der Natur, wie es selten vorkommt.

So wichtig ist in solchen Momenten, nicht den Mut sinken zu lassen, sondern den Fokus fest auf das zu richten, was in diesem Augenblick zu tun ist und die Zukunft in jeder Sekunde freundlich einzuladen, die Hand anzureichen. Dafür stelle ich mich gerade selbst auf mit zwei sehr tiefgreifenden Fortbildungen, die mich grenzwertig überfordern, was gut ist. Sie passen nicht in mein Leben, das gerade mit sehr vielen Dingen gefüllt ist, und doch weiß ich – wann, wenn nicht jetzt und wer, wenn nicht ich selbst? Sie zwingen mich, vieles zu priorisieren und mich enorm zu fokussieren auf ein Ziel hin, das formuliert werden soll. DAS nenne ich wirklich großartig in verwirrenden Zeiten im Außen, wenn man sich im Inneren neu formiert und solche Phasen der Zeitgeschichte wie eine Raupe auf dem Weg zum Schmetterling nutzen kann oder muss. Wir werden sehen, was entstehen kann. Auf jeden Fall ist die Situation so, dass keine Zeit zum Sorgen bleibt, sondern der Fokus klar auf der inneren Entwicklung liegt. Das ist die beste Prophylaxe gegen Angst, Bedenken und worst case-Szenarien.

Kommen dann noch so wunderbar berührende Kurstage hinzu, weiß ich vor dem Start in die neue Woche: Dankbarkeit nährt, Freude hüllt, gute Begegnungen stärken und immunisieren gegen das, was an Angst und Negativität im Außen anrollen mag.

Wenn wir tun, was wir lieben, wärmt uns unsere innere Sonne. Das wünsche ich allen zum Wochenstart, egal, in welchem Wetter wir in diese Woche gehen werden: Bleiben wir in unserer inneren Mitte, norden wir uns immer wieder neu ein auf der Reise unseres Lebens und behalten wir ein dienendes, nützliches, bereicherndes und herausforderndes Ziel im Auge, damit wir wachsen und die Komfortzonen immer wieder verlassen dürfen. Und denken wir daran am Abend vor dem Einschlafen: Danke für den Tag und Loslassen von allem, was nicht gelöst, bearbeitet, gedacht und getan werden konnte. Morgen ist wieder ein neuer Tag und ich darf alles, was schwer ist, ablegen für die Zeit eines guten Schlafs.

Allen einen guten Start, diejenigen, die fahren müssen zur Arbeit und schlechte Wetterverhältnisse haben: Möge euer Weg geführt und sicher, behütet und machbar sein.

 

Der Feuerdorn leuchtet Freude in den Garten.

Abendgebet

Abends will ich schlafen gehn,
vierzehn Engel um mich stehn:
zwei zu meinen Häupten,
zwei zu meinen Füßen,
zwei zu meiner Rechten,
zwei zu meiner Linken,
zweie die mich dedken,
zweie die mich wecken,
zweie die mich weisen
zu Himmels Paradeisen.

Adelheid Wette, 1858–1916

Theresa hat die bezaubernde Stimmung eingefangen. Vielen Dank!

Ganz und heil werden

Am 11. Oktober 2004 kamen 13 Frauen aus allen Winkeln der Welt in New York zusammen, die ihrem inneren Ruf gefolgt waren. Dies war ein historischer Moment, der die alte Prophezeiung „Wenn die Großmütter aus den vier Himmelsrichtungen sprechen werden, kommt eine neue Zeit!“ erfüllte. Die weisen Frauen, allesamt hoch angesehen in ihrem jeweiligen Volk, viele auch Heilerinnen und Schamaninnen, schufen ein globales Netzwerk. Ich habe schon ein paar Mal auf ihre Arbeit und den Film „For the next seven generations“ hingewiesen. Bleiben wir im steten Wissen, dass wir aufgerufen sind, die neue Zeit zu erkennen und mitzugestalten, vielleicht im Sinne der indigenen Großmütter, deren Herzensanliegen inneres Wachstum und Verbundenheit der Naturreiche und aller Lebenwesen ist.

Gestern kam mir das Machtwort der indigenen Großmütter wieder in die Hand. Ein wunderbares Manifest, in dem unter anderem zu lesen ist: „Wir heilen. Wir hüten die Weisheit. Wir sind verbunden. Wir gehen aufrecht. Wir lieben.“

Solche Worte lösen in uns allen tiefe Resonanz aus. Sie sprechen aus, was alle fühlen und als wahr erachten: Wir möchten lieben und geliebt werden. Wir möchten heil sein im Sinne von „whole“, was Ganzheit meint, auch im Sinne von „heilig“, dass wir die Gesundheit an Körper, Seele und Geist als eine sehr hohe Aufgabe betrachten. Wir wünschen uns Weisheit und erfahren Wissen. Wissen ist oft hilfreich, alleine nur Wissen nährt nicht, es hüllt nicht, es schützt unseren göttlichen Wesenskern nicht, das schafft Wissen nur, wenn es sich verbindet mit unserer Herzensqualität und unserer Wärme, die nicht nur das oft hell und hochauflodernde Feuer der Begeisterung ist, sondern auch die Glut unserer Beharrlichkeit enthält und das Knistern der Wärme, wenn sich das Holz der Flamme opfert.

Jeder von uns ist aufgerufen, seine innere Weisheit zu finden. Seiner inneren Stimme zu lauschen und die beste Version von sich selbst zu werden, die tief in seinem Herzen existiert. Ein Wochenende des Rückzugs, der Stille und des Atmens kann uns hinführen zu dieser Herzensweisheit und uns die Kraft geben, den ersten, vielleicht kleinen, doch entscheidenden Schritt auf dem Weg zu uns selbst hin zu gehen.

Allen ein freundliches und achtsames Wochenende, in dem sich das Land zwischen zwei mächtigen Wetterlagen befindet und uns im Außen gezeigt wird, dass derzeit auf allen Ebenen starke Energien wirken und es immer um eine stabile innere Mitte geht. Schauen wir gut aufeinander, damit alle gut durch diese Wetterlage kommen, die bei vielen nicht im Außen, sondern im Inneren derzeit zu finden ist. Mögt ihr gestärkt sein in dem Wissen, dass es vielen so geht. Fühlt euch liebevoll begleitet.

 

Sigrid hat den wunderbaren Abendhimmel im Bild festgehalten, vielen Dank dafür!

 

Vom Loslassen

Loslassen ist ein schwere Aufgabe. Wenn Menschen sehr aktiv waren lebenslang, Geschäftsleute, und dann nach und nach erkennen müssen, dass einkaufen nicht mehr alleine geht, weil man nicht zugleich den Rollator und den Einkaufswagen schieben, die Einkäufe nicht mehr festhalten geschweige denn einen Einkaufskorb tragen kann, sind das Momente, die schwerfallen. Treppen werden zu finalen Hindernissen, Teppichkanten zu Stolperfallen und Türschwellen zu sicheren Sturzverursachern. Bei einem Anruf ist nach dem Auflegen die Info einfach weg. Das mitgebrachte Rotkraut wird gewärmt, aber die Beilage vergessen. Dazwischen wieder alles fit, die Einkaufszettel werden im Supermarkt korrekt nach Regalinhalten aufgeschrieben.

Wir werden alle alt, keine Frage. Ich kann gerade sehr intensiv beobachten, wie unterschiedlich Menschen damit umgehen. Manche sind hellwach im Kopf, interessiert, nehmen teil am Leben, indem sie Fragen stellen, im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten noch versuchen, selbst Dinge zu erledigen und gehen ganz ergeben damit um, dass manche Tage die Knochen nicht mitspielen, die Augen einen im Stich lassen oder der Kreislauf Ferien hat. Andere beklagen lang und laut auch normale Malesten, die auftreten, wenn man älter wird, können so gar nicht annehmen, dass es jetzt Zeit wäre, einen Schritt zurückzutreten.

In Würde altern ist etwas, was nicht nur an einer Gesellschaft liegt, stelle ich fest. Es liegt auch daran, ob ich selbst würdevoll bin. Ob ich an Weisheit gewinne oder mich an einer längst nicht mehr vorhandenen Arbeitsfähigkeit aufhaue und jedem berichte, wie tüchtig ich noch bin, was dann zu pflichtschuldigen Pseudorespektbekundungen führt und hintenrum zur Frage: „Wieso ist denen denn das so wichtig? Können die nicht einfach mal in Ruhe alt sein?“

Es ist nicht einfach mit dieser Thematik. Dazu kommt ein Nierenversagen bei meinem behinderten Bruder, dessen eine Niere nun bald 52 Jahre gehalten, also für zwei gearbeitet hat. Die Sepsis steckt im in den Knochen, er erholt sich kaum davon. Auch hier sehe ich – wie geht man damit um, wenn ein Mensch mit massiven körperlichen und geistigen Behinderungen immer kränker wird und offenkundig leidet?

Loslassen muss man üben. Rechtzeitig. „Wer nicht stirbt, bevor er stirbt, der verdirbt, bevor er stirbt.“ Das wird Angelus Silesius zugeschrieben und die Bedeutung erschließt sich mir derzeit sehr intensiv. Da bekommt die mittelalterliche Übung des „Ars vivendi, ars moriendi“, die Kunst des Lebens und des Sterbens, neue Bedeutungen.

Allen ein frohes Üben darin, immer wieder etwas loszulassen, das Klammern sein zu lassen und sich selbst immer und immer wieder Würde zugestehen. Das kann ich im Außen geben, aber wer sich selbst nicht würdevoll verhält, sich für würdig empfindet, tut sich damit schwer. Dann wird auch nicht der Schritt in die Weisheit geschafft, was schade ist.

Allen einen sehr liebevollen würdevollen und freundlichen Freitag!

 

Gabi hat schon mit der Kamera eingefangen, wie durch die Sonnenstrahlen doch Einiges nun schon zutage tritt in der Natur. Danke!

 

Weißröckchen

Und aus der Erde schauet nur

Alleine noch Schneeglöckchen;

So kalt ist noch die Flur,

Es friert im weißen Röckchen.

Theodor Storm, 1817–1888

Gabi hat sich das Geäst genauer angeschaut – es knospt und freut sich auf die nächsten Wochen.

Die Kraft des Wandels

Theodor Fontanes Text wanderte gestern zu einem Klienten in einer sehr schweren Lebenssituation. Ich mag ihn sehr, er beschreibt schön, was Goethe meinte mit „wohl alles in der Natur ist ein Wandel“. Nichts bleibt, wie es ist. Das Schöne bleibt leider nicht trotz allem „verweile doch, du bist so schön“, aber auch das Negative verändert sich. Es ist nicht ganzjährig Winter oder Frühling, Tag oder Nacht.

Dass die Dinge sich verwandeln, macht sie kostbar. Das Negative wie das Positive. Wenn wir ehrlich sind, haben wir oft in den dunklen Momenten des Daseins in die Tiefe gelebt, Teile in uns erkannt, die uns sonst im Alltagseinerlei verschlossen sind. Wir haben Weisheiten erfahren, Veränderungen vorgenommen, die lebenswandelnd vielleicht sogar waren. Das haben wir nicht in den fröhlichen Momenten der Leichtigkeit, im Tanz, im Frohsinn.

Viele Menschen erleben turbulente Zeiten und tun sich damit auch sehr schwer, denn etwas fehlt uns heute oft: Das tiefe Wissen um die Kraft des Wandels, das Vertrauen, dass sich Dinge auf gute Weise fügen und wir geborgen sein dürfen in diesem Vertrauen. Wir klammern uns heute so gern an vermeintliche Sicherheiten und wissen seit einem Jahr wirklich nachdrücklich, dass es nur zwei Sicherheiten gibt: Nichts bleibt wie es ist und – alles, was lebt, stirbt eines Tages. Mehr Sicherheiten gibt es nicht.

Lassen wir also ruhig unseren Kampf um Sicherheit fahren, sondern vertrauen wir uns dem Fluss des Lebens an. Das bedeutet nicht, tot im Fluss zu treiben, aufgegeben zu haben, eingeschlafen zu sein in der Hoffnung, mit gelösten Themen aufzuwachen. Es ist eine aktive Entscheidung, die Dinge anzunehmen, wie sie sind und zu versuchen, aus jedem Tag, der ein 24-Stunden-Geschenk ist, das zu machen, was möglich ist. An manchen Tagen geht es um das reine Überleben, von Atemzug zu Atemzug und wir verlieren womöglich. An anderen Tagen ist Großes möglich. Jeder Tag ist ein Kosmos für sich.

Was mag dir an diesem Wochenteilungstag, der Merkur zugeordnet ist, begegnen? Wo wirst du in die Beweglichkeit kommen – freiwillig oder unfreiwillig? Was wird das goldene Licht sein, das du an diesem Tag bekommst und weitergeben darfst?

Allen einen freundlichen, friedlichen Tag.

 

Ein feines Motto hat Ursula mit der Kamera festgehalten. Lieben Dank!

Trost

Trost

 

Tröste dich, die Stunden eilen,

Und was all dich drücken mag,

Auch die schlimmste kann nicht weilen,

Und es kommt ein andrer Tag.

In dem ew’gen Kommen, Schwinden,

Wie der Schmerz liegt auch das Glück,

Und auch heitre Bilder finden

Ihren Weg zu dir zurück.

Harre, hoffe. Nicht vergebens

zählest du der Stunden Schlag:

Wechsel ist das Los des Lebens,

Und – es kommt ein andrer Tag.

Theodor Fontane, 1819–1898

Die kleine Kirche hat auch schon viele Stunden gesehen zwischen Liebe und Tod. So mancher mag hier um Hilfe und Trost gebeten oder sich bedankt haben. Danke an Ursula für das Foto!

Vom inneren Frieden

„Es gibt keine kleinen Gedanken. Alle stören gleichermaßen meinen inneren Frieden.“ Über diesen Satz bin ich vor Wochen gestolpert; seither wandert er regelmäßig durch meinen Geist. Ich beobachte seitdem, wie wahr diese Aussage ist. Wenn ich in einen stillen See einen Stein werfe, gibt es Kringel auf dem Wasser. Es ist nicht wichtig, ob der Stein klein oder groß ist, es reicht für Kringel. Kringel entsprechen unseren Ablenkungen, Störungen, auf jeden Fall ist das Wasser dadurch unruhig und es braucht seine Zeit, bis der See wieder still daliegt.

Mir ist an dieser Aussage bewusst geworden, wie oft wir werten (was ist klein oder groß in dem Fall) und wie wenig ernst und achtsam wir mit unserer Seelenruhe, der „Meeresstille des Gemüts“ umgehen. Den ganzen Tag prasseln irgendwelche Steinchen auf unsere Oberfläche. Egal, wie groß oder klein sie sind, sie haben Wirkungen. Oft genug bemerken wir nur die Kringel und machen uns auf die Suche nach dem auslösenden Stein, geben viel Zeit und Energie in die Suche und stellen oft fest: es hat sich nicht gelohnt, sich aufzuregen, der Auslöser war es nicht wert. Dennoch – die Seelenruhe war gestört.

Ein Resultat dieser Erkenntnis: Auch sehr früh am Morgen lege ich den Telefonhörer von der Gabel, wenn ich mich zur Meditation hinsetze. Wenn ich bestimmte Arbeiten erledige, erlaube ich keine Störung mehr, keine Kringel auf meiner Konzentrationsoberfläche. Nach meiner Testphase kann ich sagen: gut so. Seit fast einem Jahr habe ich Außeninput ohnehin gut reduziert, stündliches Checken von Nachrichten ist nicht meins. Mailzeiten werden ebenso wie Zeiten für Posts und die Durchsicht von Anfragen konzentriert und in Zeitfenstern zusammengefasst bearbeitet. In denen gibt es keine Störung. Das bewährt sich, denn irgendwas ist immer.

Von innerem Frieden bin ich als cholerisches Temperament meistens ein Stück entfernt, aber mehr innere Ruhe ist ein guter Anfang. Wobei die Aussage „ich kann in jeder Situation eine Einladung zum inneren Frieden sehen“, die mir gestern unerwartet unterkam, ein ausgesprochen überdenkenswerter Satz ist. Den Klienten sage ich gern: „Du kannst den ganzen Tag Angst haben, du musst aber nicht“. Ich frage seit gestern: „Was ist das Friedensangebot in dieser Situation? Ich muss mich nicht den ganzen Tag über xy aufregen.“ Verändern wir den Blickwinkel, nehmen wir andere Varianten der Welt wahr.

Wo möchtest du heute einen neuen Fokus probieren? Welcher Satz könnte heute für dich wichtig werden?

Allen einen bewegenden Merkurtag!

 

Der Bergsee ruht ganz gut in sich, zumindest auf dem Foto von Maike! Danke dir!