Monthly Archives: August 2021

In schönster Seelenharmonie

Wie liegt die Welt

Wie liegt die Welt so frisch und tauig
vor mir im Morgensonnenschein.
Entzückt vom hohen Hügel schau ich
ins grüne Tal hinein.

Mit allen Kreaturen bin ich
in schönster Seelenharmonie.
Wir sind verwandt, ich fühl es innig,
und eben darum lieb ich sie.

Und wird auch mal der Himmel grauer;
wer voll Vertrau’n die Welt besieht,
den freut es, wenn ein Regenschauer
mit Sturm und Blitz vorüberzieht.

Wilhelm Busch, 1832-1908

So hat sich Maike vermutlich gefühlt, als sie sich auf diesen Weg in den Bergen gemacht hat. Danke für dein Foto!

In der Dämmerung

Dämmerung, egal ob am Morgen oder am Abend, finde ich wunderbar. Jetzt ist mir Christian Morgensterns wunderbarer Text in die Hand gefallen. Ist das nicht großartig? Töchterchen Nacht greift in Mutters Schürze und tupft Sterne und am Ende den Mond an den Himmel.

Das hat mich an eine Zeile aus einem Gedicht von Mascha Kaléko erinnert: „Die Nacht, in der das Fürchten wohnt, hat auch die Sterne und den Mond.“ Den Satz habe ich gestern in einer Aufstellung zu einer Klientin gesagt, die mit unendlich vielen Herausforderungen im Leben konfrontiert wird. Es ging um die Frage, ob man auch in enorm anstrengenden, chaotischen und schweren Zeiten Momente der Freude und Dankbarkeit finden kann. Ja, es ist aber ungleich schwieriger als in frohen Zeiten. Am Nachmittag sagte mir ein Klient, er fände es einfacher, in schweren Zeiten freudige Momente zu entdecken, denn wenn er gut drauf ist, vergisst er, für etwas, was dann selbstverständlich ist, dankbar zu sein. Auch das ist eine richtige Beobachtung.

Wenn es dir schlecht geht, siehst du einen Stern am Himmel leuchten. Geht es dir gut, beachtest du den Sternenhimmel vielleicht gar nicht, er ist „halt da“.

Kannst du die „blaue Stunde“ genießen? Kennst du Astrid Lindgrens zauberhafte Geschichte von Herrn Lilienstengel dazu, diese berührende Geschichte eines kleinen kranken Jungen, der in der Dämmerung laufen, springen, sich bewegen kann und tolle Abenteuer erlebt? 1949 wurde „Im Land der Dämmerung“ von Astrid Lindgren veröffentlicht. Vielleicht magst du die Geschichte einmal in der Abenddämmerung lesen oder vorlesen? Und dich daran erinnern, welche unglaubliche Macht Phantasie hat?

Allen einen freundlichen Jupitertag.

 

Kleine Sonnen im Garten.

Das letzte Licht sammeln

Abenddämmerung

Eine runzelige Alte,
schleicht die Abenddämmerung,
gebückten Ganges
durchs Gefild
und sammelt und sammelt
das letzte Licht
in ihre Schürze.

Vom Wiesenrain,
von den Hüttendächern,
von den Stämmen des Walds,
nimmt sie es fort.
Und dann
humpelt sie mühsam
den Berg hinauf
und sammelt und sammelt
die letzte Sonne
in ihre Schürze.

Droben umschlingt ihr
mit Halsen und Küssen
ihr Töchterchen Nacht
den Nacken
und greift begierig
ins ängstlich verschlossene
Schurztuch.

Als es sein Händchen
wieder herauszieht,
ist es schneeweiß,
als wär es mit Mehl
rings überpudert.

Und die Kleine,
längst gewitzt,
tupft mit dem
niedlichen Zeigefinger
den ganzen Himmel voll
und jauchzt laut auf
in kindlicher Freude.
Ganz unten aber
macht sie einen großen,
runden Tupfen –
das ist der Mond.

Mütterchen Dämmerung
sieht ihr mit mildem
Lächeln zu.
Und dann geht es
langsam
zu Bette.

Christian Morgenstern, 1871-1914

Danke an Theresa für das Maschseefoto in der Abenddämmerung.

Einfach nur sein

Ferienzeit wäre die Zeit der Ruhe und des Erholens. Wenn, ja wenn wir uns dazu die Erlaubnis erteilten, was viele von uns nicht tun. Dieses Jahr ist es besonders. Nach den Erlebnissen der letzten Monate möchten viele einfach nochmal verreisen, damit sie von den Erinnerungen an andere Länder und Landschaften zehren können oder rauskommen aus dem Hamsterrad, von der Überlegung getriggert, dass wir nicht wissen, was der Herbst bringt. Ehrlich gesagt wüssten wir das in keinem Fall, egal, wie die Weltlage ist. Von einem Tag auf den anderen können sich Dinge im kleinen wie im großen Stil verändern. Unsere Angst besteht darin, dass sich alles zum Negativen dreht.

Was, wenn dem nicht so ist? Was, wenn wir die Kraft aller zusammentragen und die Zukunft mit guten Fragen einladen, wir sie gestalten, indem die dringend notwendigen Veränderungen in den Systemen wie Schule, Senioren, Gesundheit, Arbeit, Umwelt und vielem mehr angestoßen werden? Was, wenn wir uns alle zusammentun und den Mut haben, Prototypen zu entwickeln, mit denen wir testen können, was sich bewähren mag? Was, wenn wir aufhören, Angst zu haben, weil wir uns hilflos fühlen und in das Gefühl kommen, dass kleine Schritte sehr wohl machbar sind?

Was, wenn wir jetzt einfach für eine Zeit in die Stille gehen und ganz bei uns selbst in der Tiefe ankommen, um unsere eigene Kraft wiederzufinden?

Herzliche Einladung. Setzt euch innerlich an einen stillen See. Nehmt die Stille wahr. Bienen summen, Hummeln brummen, Vögel zwitschern, sacht streift eine Brise durch das Schilf, die Blätter der Bäume. Das Sonnenlicht fällt durch den Blätterfilter, malt Kringel auf den See. Wolken spiegeln sich vielleicht. Ab und an taucht ein Fisch auf.

Einfach nur sitzen, atmen, wahrnehmen. Das Geschenk annehmen, einfach nur zu sein, nichts zu müssen.

Nur atmen. Sein. Sonst nichts.

Schau, was passiert, wenn du allen Lärm der Welt hinter dir lässt und ankommst. In und bei und mit dir. Nur atmen. Sein. Alles ist gut.

 

Schöner kann man es nicht illustrieren. Danke an Steffi!

Schneller, schneller! Oder nicht?

Es gibt Wichtigeres im Leben, als beständig dessen Geschwindigkeit zu erhöhen.

Mahatma Gandhi, 1869–1948

Wer zu Fuß geht, entschleunigt massiv. Theresa hat unterwegs auf dem Jakobsweg diese Szenerie für uns im Bild festgehalten. Danke!

Grüß GöttIn

Auf meinem Augustkalenderblatt hat Jwala Gamper „Grüß Göttin“ kalligrafiert. Das erinnert mich an einen Donnerstag vor einiger Zeit. Donnerstag 13 Uhr ist unsere Schwestern-Podcast-Zeit. Da klingelt mich Gabi an und stellt mir eine Frage und das Mikro ist sofort offen. Ihre Frage vor einiger Zeit war das Gender-Thema und da hatte sie mich sehr kalt auf dem Fuß erwischt. Selten so geeiert! An dem Thema war ich bis dahin gut vorbeigeschrappt, weil mich die Plackerei mit -Innen und dergleichen ein wenig angenervt hat. Ich hatte mich nicht mal ansatzweise ernsthaft mit der Fragestellung befasst, doch habe ich einfach seit diesem Donnerstag angefangen, immer mal wieder drüber nachzudenken und jetzt schaue ich 30 Tage auf ein goldenes Grüß Göttin. Vielleicht die Gelegenheit, mich damit zu befassen.

Sprache ist ein lebendiger Organismus. Sprache spiegelt Landschaften wieder – Ländern, die viel Berg und Tal haben, haben eine ganz andere Sprachmelodie und andere Laute, mehr „ch“ und „k“, „ü“, „i“. In manchen Gegenden ist der Sprachfluss gemütlich, entspannt, keine kämpferische Gegend also. Sprache spiegelt die Betonung des männlichen Prinzips wider. Gabi sagte einige Begriffe und bat mich, ein weibliches Pendant dazu zu finden. Das war gar nicht einfach und hat mich zum Nachdenken gebracht.

Das Thema ist keines über sprachlichem Firlefanz, sondern dahinter steckt ein Anliegen, das gehört werden muss. Gleichbehandlung, Gleichberechtigung, Gleichstellung – wir sind in allen Fragen weit entfernt von einer Umsetzung geschweige denn einer vernünftigen Auseinandersetzung damit. Der Equal Pay Day zeigt jedes Jahr die krassen Unterschiede in der Bezahlung von Mann und Frau auf. Die Entwicklung der letzten Jahrzehnte ist ein Beleg dafür, dass Männer über die Frage nachzudenken haben, um es mit Grönemeyer zu sagen: „Wann ist Mann ein Mann?“, und auch die verschiedenen Rollenbilder der Frau sind neu zu greifen.

Da Menschen enorm kreativ sind, gehe ich davon aus, dass wir uns von unseren typisch deutschen Bandwurmformulierungen (allein das Wort ist ein Beleg dafür) irgendwann verabschieden und ganz pragmatische Lösungen finden werden. Die Schweizer sind uns da in Bezug auf mein Kalenderblatt in jedem Fall voraus, die haben das gendergerecht vor langer Zeit gelöst und sagen fröhlich: „Grüzi mitenand“ und der Käse ist gegessen.

In diesem Sinne allen Lesenden einen kraftvollen Marstag.

 

Wer beim Lesen gedacht hat: „Dunnerkeil, hat Mann (!) nirgends seine Ruhe vor dem Quatsch“ – hier ist das passende Foto für dich. Von Stephanie. Ich danke dir.

Was bei Einladungen zu beachten ist

Jemanden einzuladen heißt, sich um seine Fröhlichkeit zu kümmern, und das jedes Mal, wenn er unter Deinem Dach ist.

 

Jean Anthelme Brillat-Savarin, 1755-1826

Eine Unterkunft auf dem Jakobsweg entlang der Strecke Bilbao – Santiago di Compostela. Danke an Theresa für dein Foto von unterwegs. Buon camino weiterhin.

Dankbar für ein krasses Wochenende

Bämm! Ein gewaltiges Aufstellungs- und Kurswochenende ist geschafft. Am Samstag war Üben der im ersten und zweiten Jahr erlernten Techniken dran. Unter den liebevoll-kritischen Augen der Mitlernenden eine Technik vorführen ist schwer und es waren Meisterwerke. Am Sonntag dann drei Schicksale, die uns in der Aufstellungsarbeit vor Augen geführt wurden. Drei Lebenssituationen, die Menschen aus dem Tritt gebracht haben. In denen sie vor Schwierigkeiten stehen, die sie verwirren und vor Rätsel stellen. Wie oft geben Aufstellungen Orientierung, zeigen Wege auf, eröffnen Verständnis und eine neue Sicht auf vorher unentwirrbare Fadenknäuel. Ich bin immer sehr erfüllt von diesen Wochenenden.

In der neuen Woche warten spannende Herausforderungen, unter anderem ein Teamcoaching mit einer größeren Gruppe Menschen. Ich bin gespannt, wie das alles wird und zu welchen Erkenntnissen wir bei dieser Arbeit kommen werden. Auch hier erlebe ich Dankbarkeit, diese Aufgaben tun zu dürfen und Menschen auf ihrem Weg zu begleiten.

Unverhofft kommt oft und so kam es am Samstag zu einem Klinikbesuch in der Notaufnahme, als eine Schülerin mit krassen Schmerzen in der Schulter zum Kurs kam. Mein striktes „Das muss nachgeschaut werden“ löste keine Freude aus, doch Klarheit hilft, um nicht in eine Angst zu fallen. Schultergelenke sind sehr kompliziert, nicht alles geht mit Einreiben weg. Das war auch alles gut so, denn nach Röntgen und Untersuchung war klar: eine Kalkschulter hat den massiven Schmerz ausgelöst, das Kalklager hat sich aufgelöst und das macht diese Schmerzen. Wissen entspannt und die richtige Medizin ebenso. Jedenfalls bekam die Würzburger Notfallambulanz ein großes Lob – nette kompetente Ärzte haben sich schnell und liebevoll gekümmert. Wir sind sehr privilegiert, dass unser Gesundheitssystem diese Notdienste bietet. DANKE dafür.

Allen einen guten Start in den August. Für manche die erste Ferienwoche. Für viele der Auftakt in das Verreisen, für andere eine ganz normale Arbeitswoche. Wie immer es für euch ist – guten Montag allen bei guter Gesundheit und Freude am Tun!

Da Maike die Berge liebt, hat sie für uns mitfotografiert. So können wir mit ihr gemeinsam durch die gewaltige Natur reisen. Dankeschön!

Nichts weiß ich

Stumm betrachte ich den See, den eine Brise kräuselt. Nichts weiß ich, wenn ich an das Ganze denke, oder es ist das Ganze, das mich vergisst.

 

Fernando Pessoa, 1888 – 1935

 

Maike hat diesen herrlichen Bergsee entdeckt und fotografiert. Lieben Dank!