Monthly Archives: Oktober 2021

Banne die Sorge

Schon mischt sich Rot in der Blätter Grün,

Reseden und Astern im Verblühn,

Die Trauben geschnitten, der Hafer gemäht,

Der Herbst ist da, das Jahr wird spät.

Und doch (ob Herbst auch)

die Sonne glüht –

Weg drum mit der Schwermut

Aus deinem Gemüt!

Banne die Sorge,

genieße, was frommt,

Eh Stille, Schnee

Und Winter kommt.

Theodor Fontane, 1819-1898

Ursula hat beim Wandern diesen Baum entdeckt, bei dem man schön sehen kann, woher der Wind weht. Danke dir!

Herz auf dem rechten Fleck

Theodor Storms Oktoberlied hat eine schöne Zeile: „Wir wissen’s dich, ein rechtes Herz ist gar nicht umzubringen“. Medizinisch leider schon, aber wir können seelisch gut nachvollziehen, was Storm meint. Das Herz auf dem rechten Fleck haben ist auch eine Umschreibung für Mut, für Einstehen, für Vertreten von Werten, die einem wichtig sind. Recht steht hier nicht für eine Richtung, sondern für „wichtig und richtig“.

Wenn das Herz auf dem rechten Fleck ist, bedeutet das: Wir haben es mit unserem inneren Koordinatensystem in Einklang gebracht: es besteht aus dem, was für uns unverrückbar wahr, wichtig und richtig ist und dem, was uns im Leben begegnet. Das bedeutet, unsere Werte immer wieder neu zu überdenken, anzupassen, zu prüfen, ob wir noch auf dem für uns richtigen Weg sind.

Wir vergessen das gern, das Überprüfen. Motto: „Bassd scho“ und dann landen wir gern mal im Nirwana, weil wir uns total verrannt haben. Validierung gehört nicht zu den Hobbys der meisten Menschen. Es kann sehr viel helfen, wenn wir uns einen bestimmten Zeitraum in der Woche reservieren (damit es gut zur Gewohnheit wird). Da setzen wir uns hin, fragen uns nach unserer Vision, nach den Zielen, die wir im Moment verfolgen, beobachten, wie weit wir auf dem Weg zur Zielerreichung vorangekommen sind.

Dann können wir sehen: Abgewichen? Weshalb? Ist die Kursänderung gut? Passt der Weg? Gehe ich ihn auch bewusst oder schlurfe ich mal wieder im Halbschlaf auf meiner Lebensbahn und lasse die Dinge halt mal laufen, wenn es gerade läuft? Damit was „läuft“, muss ich es innerlich auf den richtigen Weg setzen und den ständig prüfen. Bedeutet: Vergleich zwischen IST- und Wunsch-Zustand anstellen. Ist die Lücke geschrumpft seit letzter Woche oder  gewachsen? Feiere ich, wenn die Lücke kleiner wird und freue mich über den Fortschritt der Zielerreichung oder sage ich mir „Bassd scho“? Ja, das macht Arbeit. Lieber latschen wir irgendwie dahin und wundern uns dann, wo wir rauskommen und wieviel Mühe es macht, den Karren dann aus dem Dreck zu ziehen. In was investiere ich Lebenszeit?

 

Allen einen wunderbaren Wochenteilungstag mit dem Herzen auf dem rechten Fleck und guten Tageskoordinaten.

 

Steffi schenkt uns heute dieses Herbstleuchten gegen trübes Wetter.

Oktoberlied

Oktoberlied

Der Nebel steigt, es fällt das Laub;
Schenk ein den Wein, den holden!
Wir wollen uns den grauen Tag
Vergolden, ja vergolden!

Und geht es draußen noch so toll,
Unchristlich oder christlich,
Ist doch die Welt, die schöne Welt,
So gänzlich unverwüstlich!

Und wimmert auch einmal das Herz, –
Stoß an und lass es klingen!
Wir wissen’s doch, ein rechtes Herz
Ist gar nicht umzubringen.

Der Nebel steigt, es fällt das Laub;
Schenkt ein den Wein, den holden!
Wir wollen uns den grauen Tag
Vergolden, ja vergolden!

Wohl ist es Herbst; doch warte nur,
Doch warte nur ein Weilchen!
Der Frühling kommt, der Himmel lacht,
Es steht die Welt in Veilchen.

Die blauen Tage brechen an,
Und ehe sie verfließen,
Wir wollen sie, mein wackrer Freund,
Genießen, ja genießen.

Theodor Storm, 1817-1888

Karden sehen den ganzen Winter über gut aus, wenn man sie denn stehen lässt.

Willkommen zurück in der Realität

Krass. Am Montagmorgen hatte ich um 8.15 Uhr einen Termin in der Stadt. 20 nach 7 sicherheitshalber losgefahren, damit alles entspannt ist. Nix war entspannt. Um 8.10 bin ich über den Residenzparkplatz gerumpelt, im Dauerlauf eine Runde bis zur Kaiserstraße. Hätte mir den Sprint sparen können, mein Termin war zwar um 8.15 aber neue Anweisung ans Praxispersonal: alle erst ab 8.30 reinlassen. So geht Zeitplanung. Memo an mich: mit der Straßenbahn bin ich viel schneller, wir haben von hier aus eine Straßenbahn, die nur an wenigen Punkten hält, damit die Schüler alle rechtzeitig ankommen. Werde ich für meinen zweiten 8.15-Uhr-Stadttermin diese Woche genau so machen.

Viele Menschen berichten von hohem Verkehrsaufkommen, weil jetzt wieder so viele Arbeitnehmer vor Ort arbeiten, nicht mehr im Remotemodus von daheim aus. Für manchen ist das die Rettung aus der totalen Einsamkeit, für andere eine restlose Überforderung, sie haben ihre Kollegen nicht wirklich vermisst. Ich staune über die Emotionen, die da hochploppen. Haben wir unsere Kollegen denn nicht wirklich gekannt vorher oder ihre Art billigend in Kauf genommen, weil es so ist und jetzt nicht mehr?

Menschen haben sich verändert in diesen Monaten, in denen das oftmals hilfreiche Korrektiv durch andere gefehlt hat. So mancher ist da in eine ganz eigene Welt hineingefallen, die mit den Realitäten wenig zu tun hat, andere haben sich eine Angstwelt aufgebaut, wieder andere sind aufgewacht wie aus einem langen Schlaf und voller Tatendrang – eine große Spannbreite erleben wir.

Ich bin gespannt, wie sich das in den nächsten Monaten entwickeln mag, sich unser Welt- und Menschenbild anpasst an die Situation, durch den stärkeren Austausch wieder mehr Lebendigkeit in alles kommen mag. Ich würde es uns sehr wünschen, dass wir nach all den Stimmungsschwankungen neu aufeinander zugehen, uns wieder wahrnehmen als Menschen, die sehr vergleichbare Bedürfnisse haben. Und mögen wir aufwachen aus unseren jeweiligen Minibubbles, in die sich der eine oder andere zurückgezogen und sich seine Welt gebaut hat. Das Leben ist nichts Virtuelles, es findet immer noch hier und jetzt und draußen in der Realität statt. Willkommen auf dem Marktplatz des Lebens.

 

Was ich für ein Frühlingsfoto hielt, hat Stephanie am Wochenende im Wald aufgenommen. Das ist nochmal ein grünes Leuchten vor dem Blätterfall, das strahlt aus sich heraus. Danke, Steffi!

Krafthimmel

Wer sieht nicht Geister auf den Wolken beim Untergang der Sonne?

Philipp Otto Runge, 1777 – 1810

Mit der Kamera malt Stephanie und hat diese erstaunliche kraftvolle Wolkenformation entdeckt. Herzlichen Dank dafür!

Von Herzen Danke

Inspiration und Freude! Am Samstag ging es im Seminar um Spiral Dynamics. Was ist das, was bedeuten die einzelnen Memes und welche Herausforderungen ergeben sich daraus für die Arbeit mit Klienten? Es hat so viel Spaß gemacht, den Kursteilnehmern eines meiner Lieblingsthemen ans Herz zu legen und so war der Samstag leider sehr flugs vorbei.

Am Sonntag stand der Tag unter dem Motto „Aufstellungen“. Für mich ist das jedes Mal ein sehr besonderes Erlebnis, wenn in den Aufstellungen die Systeme ihre ganze Kraft und ihren Bewegungsimpuls zeigen und so klar wird, was ein möglicher Weg aus einer schwierigen Situation sein kann. Aufstellungen klären und stärken so dermaßen, das begeistert nicht nur uns als Aufstellende, sondern auch die Klienten, die uns das Vertrauen schenken.

Wir arbeiten absolut nondirektiv und wertschätzend. Es gibt eine feste Gruppe, die aufstellt, keine Zuschauer, sondern beschützt und in einem kleinen, feinen liebevollen Rahmen. Das macht die Aufstellungen bei uns für alle immer zu etwas Besonderem. Manche Teammitglieder haben inzwischen mehrere hundert Aufstellungen mit mir gemacht, das ist mir eine enorm große Freude, dass ich auf so ein geübtes und wahrnehmungsfähiges Team zugreifen kann. Alle sind Therapeuten, so dass wir ein starkes Feld von Menschen am Start haben, die sehr geübt im Wahrnehmen und Erkennen sind.

Wenn jemand 2021 noch bei uns aufstellen will, darf er flott sein, wir haben nur noch am 24. 10. zwei Aufstellungstermine frei! Verbindlich sind ein Vor- und ein Nachgespräch, denn wir stellen nicht einfach mal schnell was auf, sondern arbeiten auch hinterher mit den Aufstellern, damit die nächsten Schritte klar sind.

Eine neue spannende Woche liegt vor uns mit vielen Menschen, die bereit sind, an sich und ihren Themen zu arbeiten und so wird das ein schöner Start in die neue Woche. Eine liebe Klientin hat mir einen tollen Blumenstraß mitgebracht mit einer Hortensie, die ich trocknen werde – sie ist tiefviolett, so eine Farbe habe ich noch nie gesehen, ich bin begeistert. Ich hoffe, sie lässt sich gut trocknen.

Das Feedback heute war schön: Menschen kommen gern und arbeiten hier mit uns. Was vielleicht mit daran liegt, dass es hier sehr familiär und behütet ist. Das freut uns. Danke allen, die uns ihr Vertrauen schenken. Unsere Arbeit ist unsere Passion.

Allen einen feinen Wochenstart.

Herbstfluss

Herbstfluss

Der Strom trug das ins Wasser gestreute
Laub der Bäume fort. –
Ich dachte an alte Leute,
Die auswandern ohne ein Klagewort.

Die Blätter treiben und trudeln,
Gewendet von Winden und Strudeln
Gefügig, und sinken dann still. –

Wie jeder, der Großes erlebte,
Als er an Größerem bebte,
Schließlich tief ausruhen will.

Joachim Ringelnatz, 1883-1934

Zwei Herbstimpressionen von Stephanie für uns heute! Lieben Dank!

Was für ein Foto wärst du?

Freundlicherweise bekomme ich immer wieder Fotos zur Verfügung gestellt, die uns den Tag verschönern möchten. Jeder, der mir Bilder schickt, hat seine eigene Bildersprache, das finde ich sehr faszinierend. Und von jedem habe ich mindestens ein Lieblingsfoto. Von Sandra ist es das mit diesem wunderschönen Delfin. Ist es nicht einfach wunderbar? Kraft, Lebensfreude, Schönheit zeichnen es aus. Ich habe noch nie einen Delfin in freier Wildbahn gesehen. Umso mehr genieße ich es, dass die Welt in Form von Bildern und Geschichten zu mir zu Besuch kommt. Sandra zum Beispiel kann so lachen, dass kein Auge trocken bleibt. Das Foto passt wunderbar zu Sandra.

 

Sunzi ist der Meinung, dass tiefes Wissen heißt, eine Störung zu bemerken, bevor sie auftritt. Das ist schon eine gute Achtsamkeit, wenn wir ein Problem im Moment seiner Entstehung bemerken. Dann ist es nämlich noch kein bisschen ein Problem oder eine Störung, sondern es ist ein gerade entstehendes Etwas, dem wir dann den Beigeschmack des Problems oder der Störung verpassen durch unsere Bewertung.

Diese Woche gab es viele Gespräche zum Thema Glaubenssätze und das, was für den einen oder anderen problematisch ist im Leben. Ausgelöst wurde es durch einen Termin, bei dem ich eine Strichliste anlegte, wie oft die Worte Stress und Problem vorkamen. Jedenfalls so häufig, dass sie meinen Blutdruck, ohne dass ich irgendetwas anderes tat, veränderten, ihn regelrecht in die Höhe schnellen ließen. Selten konnte ich die körperliche Reaktion auf Worte so deutlich wahrnehmen.

Grund für uns, sehr tief in die Wahrnehmung zu gehen, welche Kraft und welche Macht Worte für uns haben können. Sie können Menschen zerstören oder trösten und aufrichten, je nachdem. Machen wir uns das immer wieder bewusst, auch dann, wenn wir „nur“ mit uns selbst sprechen. Die meisten Klienten in der Praxis leiden an dem, was sie sich selbst sagen und das ist oft genug nur unreflektiert das, was sie selbst zu hören bekommen haben in einem Alter, in dem der gesagte Satz vielleicht eine andere Bedeutung hatte. Dazu Sunzis Gedanke, Negatives wahrzunehmen, bevor es seine negative Kraft entfalten kann – wie würden wir aufwachsen, wenn wir keine negativen Glaubenssätze bekämen? Nicht permanent Dingen eine Bedeutung im Sinne einer Wertung verleihen müssten?

Manchmal träume ich davon, in Welten zu reisen, in denen diese Gedanken Realität sind, um zu überprüfen und zu erleben, ob das dann besser wäre oder welche Fragestellungen wir uns dann einfangen würden! So eine Art „Ausprobierwelt“, um herauszufiltern, was wirklich dazu dient, Menschen zu fördern.

Wenn du ein Foto wärst, wie würdest du aussehen, was würdest du abbilden? Und – kannst du dir vorstellen, die Stimme in deinem Kopf auf Freundlichkeit umzustellen, nur mal für diesen Venustag?

 

Danke an Sandra für dein wunderschönes lebendiges Foto!

Tiefe

Tiefes Wissen heißt, der Störung vor der Störung gewahr sein.

Sunzi, 543–495 v. Chr.

So ein See hat auch eine beeindruckende Tiefe. Katja hat dieses Foto gemacht. Dankeschön!

Von Werten und Ehre

Nichts im Außen, schildert Fontane, kann uns zur Ehre gereichen. Alles, was uns ausmacht, muss in uns selbst leben. Wir suchen oft sehr lange Zeit im Außen nach Anerkennung, Ruhm, Erfolg und vielem mehr, ackern uns dafür endlos ab in der Hoffnung, dass jetzt doch mal der große Durchbruch kommen muss.

Die Frage ist, ob ein Durchbruch zum innersten Wesenskern nicht eher das Entscheidende im Leben ist. „Erkenne dich selbst“ ist seit der Antike ein vielzitierter Auftrag, doch die wenigsten nehmen ihn für sich ernst und an. Selbsterkenntnis ist wenig ruhmreich, spektakulär und mit großem Soundtrack. In den einsamen Stunden des Lebens wird uns bewusst, wo wir vom eigentlichen Weg abgebogen sind, aufgehört haben, unserer inneren Stimme zu folgen, die wir für verrückt gehalten haben. Dann treffen wir not-wendige Entscheidungen im Angesicht der Katastrophe.

Lebenskrisen oder auch Zeiten wie diese sind eine Einladung, den Weg nach innen anzutreten und zu prüfen, was uns in Wahrheit hebt und hält im Innersten. Es sind unsere Tugenden und Werte, die wir LEBEN, nicht die, die wir uns auf die Wunschliste schreiben. Die wenigsten Menschen entwickeln eine Werteliste für ihr Leben oder haben einen Ehrenkodex, dem sie folgen. Menschen, die Werte leben und ihren Kodex formuliert haben, sind selten marktschreierisch unterwegs. Sie wirken an dem Ort, an dem sie sind und senden tiefgreifend Vertrauen, Kraft und Mut in die Welt, das zieht dann durchaus seine Kreise. Die Power dazu liegt in jedem von uns. Es ist eine Entscheidung, die wir treffen und dafür müssen wir durchaus auch ein wenig Zeit und Raum opfern, also mal zurücktreten von unser Gier nach Ablenkung und Zerstreuung.

Für die meisten sind Begriffe wie Gerechtigkeit, Mut, Ehre, Vertrauen, Authentizität, tiefes Menschsein, Geduld, Respekt, Würde, Anstand und Freundlichkeit im Umgang miteinander leere Worte.

Wir werden die gelebte Variante für die Welt der Zukunft brauchen. Künftig wird es nicht mehr darum gehen, dass wir uns alle über etwas einig sind, uns alle verstehen, möglichst gut – vieles davon ist eben leider nicht wahr, ehrlich und trägt. Fakt ist, dass wir alle verschieden sind und die Meinungen weit auseinandergehen. Das dürfen sie auch! Die zu lösenden Themen der Menschheit allerdings müssen wir jenseits solcher Befindlichkeiten angehen. Dafür brauchen wir Menschen, die sich auf Werte und ehrenhaftes Verhalten einigen. Wenn sie Ja sagen, muss Verlass darauf sein, dass sie es auch meinen. Wenn sie versprechen, etwas zu tun, tun sie es auch. Sie sind verbindlich, stehen zu ihrem Wort und sind nicht wankelmütig. DAS ist der Unterschied zu der Welt, die wir gerade erleben. Komm ich heut nicht, komm ich morgen ist das Motto und ein Ja ist doch nur aus dem Moment entstanden und kann am nächsten Tag sehr wohl ein Nein sein, denn wenn das Wetter schön ist, sagt man durch kurzfristig etwas ab, um wandern zu gehen. Egal, was das für andere bedeutet, die sich auf gemeinsam verbrachte Zeit eingestellt haben. What? Ist DAS erwachsen und angemessen?

Wer Zukunft mitgestalten will, kommt an Werten nicht mehr vorbei. Vergessen wir die flauschig-idyllische „Alle müssen sich doch liebhaben und nicht streiten“-Zwangsbeglückungspseudorealität (ein Grund, warum ich meine Muttersprache liebe). Wir müssen uns nicht alle mögen. Respekt und Achtung voreinander darf man erwarten und die Bereitschaft, persönliche Animositäten zugunsten des großen Ganzen, das auf neue Wege MUSS, zurückzustellen. Jenseits dieser Ablenkungsmanöver wartet die Erde darauf, dass wir unser bedingungsloses Ja zu ihr abgeben und unsere heilige Verpflichtung, uns für ihre Genesung, ihren Erhalt und die Würdigung der von ihr ausgehenden Wunder einsetzen.

Der Weg führt erst in unser tiefstes Inneres, das Erkennen unserer Schatten und das Ausbilden unserer Werte und unseres Ehrenkodex‘, dann nach Außen, denn dort muss sich bewähren, was wir im Inneren erkannt und postuliert haben. Worte auf dem Papier sind wenig wert. Worte, die wir ins Herz schreiben, verändern alles.

Allen einen liebevollen Venustag.

 

Das Kneippmuseum in Wörishofen hat ein hübsches kleines Gärtlein versteckt.

Was in dir lebt

Es kann die Ehre dieser Welt

dir keine Ehre geben.

Was dich in Wahrheit hebt und hält,

muss in dir selber leben.

Theodor Fontane,  1819-1898

Barfußlabyrinth in Bad Wörishofen

Liebe was du tust

Die Humboldt-Brüder haben, jeder auf seine Weise, dieses Land mitgeprägt. Unser Bildungssystem wurde von Wilhelm von Humboldt stark beeinflusst, während sein Bruder Alexander lieber durch die Welt reiste und Orte besuchte, die kein Weißer vorher je gesehen hatte.  Man kann die Welt im Außen und im Innen entdecken. Bildung verbindet beides – Außen und Innen.

Damit wir in Zukunft gut aufgestellt sind (wir sind bildungstechnisch nicht wirklich im internationalen Ranking gut vertreten), macht es Sinn, über unser Bildungssystem nachzudenken. Die Frage ist immer: Was soll erreicht werden? Brauchen wir Menschen, die kreativ sind, die sich ihre kindliche Neugier auch lange Schuljahre über erhalten und weiter ausbauen konnten hin zum Forschergeist? Bemerken wir, dass soziale Fähigkeiten dazu dienen, die Gesellschaft gut zusammen zu halten und alle zu integrieren? Fördern wir kluge Köpfe, die sich gern auf ein Thema spezialisieren wollen und gönnen wir Generalisten die Chance, sich möglichst breit aufzustellen?

Unser Schulsystem erzeugt Menschen, die bei Klausuren Wissen abrufen können (um es danach meist zu vergessen). Es respektiert nicht das Genie von Kindern und wird ihrem Drang nach Bewegung innerlich und äußerlich nicht gerecht. Es fördert nicht das selbstständige Denken oder eine individuelle Begleitung im Sinne von Persönlichkeitsentwicklung. Wichtige Themen wie Würde, Werte, Achtsamkeit und Selbstverantwortung stehen nicht auf dem Stundenplan. Lieber schicken wir Schulbegleiter in die Klassen, die jeweils ein zugewiesenes Kind hüten sollen (das ist jetzt negativ formuliert, das ist mir bewusst), damit Ruhe im Karton ist.

Welche Bildung brauchen wir? Gibt es „eine Bildung“ für alle? Wohl kaum. Wir vernachlässigen bodenständige Fähigkeiten wie handwerkliches Geschick (so entsteht z.B. Achtung vor dem Wert von Kleidung, denn wer mal etwas Aufwändiges selbst genäht hat, versteht das sofort), lehnen händisches Tun gern ab und wundern uns, weshalb wir Monate auf einen Handwerker warten müssen.

Bestimmte Berufe werden gehypt, andere gelten als ungünstig. Warum? Jeder Beruf kann großartig sein, wenn er mit Liebe ausgeführt wird. In jedem Beruf gibt es Menschen, die ihn auf wunderbare Weise ausüben und andere, für die es ein nerviger Broterwerb nach dem Motto „Gott sei Dank Freitag“ ist. Die Ursache liegt darin, dass wir zu wenig probieren können, was uns liegt. Einige wenige Praktika in den Mittelschulen sorgen nicht für Erkenntnis, wie sich acht Stunden Arbeitsalltag anfühlen und in welchen Bereich ein junger Mensch einsteigen möchte, um erstmal in der Welt der Berufstätigen anzukommen.

Bildung ist lebenslang. Bildung darf breit aufgestellt sein. Zwischen Kopf und Herz und Hand braucht es Verbindungen, sollen Kinder in jedem Bereich angeregt werden. Kinder haben einen natürlichen Drang zum Lernen – der wird oft gebremst durch „das brauchst du nicht, kümmer dich lieber um die Mathehausaufgaben“. Wenn ein Kind das 20 Mal gehört hat, verstummt es (außer es ist pro Mathe, was viel mehr Kinder wären, würde man es ihnen irgendwie freundlicher nahelegen). Vielleicht verkümmert da gerade ein Nobelpreisträger, der die Menschheit hätte retten können.

Lassen wir uns und unseren Kindern die Freude am Lernen, Entdecken. Forschen, Fragen stellen und Antworten erquengeln nicht nehmen. Wissbegierde ist wunderbar. Das Beste: wenn wir einen Lehrer haben, der uns auf stille Weise fördert, schult und unsere Entwicklung so begleitet, dass wir uns in Ruhe entfalten können.

Ich hatte großes Glück, dass ich (nach der Schulzeit) Lehrer hatte, die die Kunst beherrschten, ihr eigenes großes Wissen zu teilen und zwar auf eine Art und Weise, dass sie mir nie das Gefühl gaben, zu doof zu sein, sondern etwas vielleicht noch nicht zu können. Sie teilten ihr Wissen und förderten, indem sie forderten. Sie verlangten durchaus viel in Bezug auf selbstständiges Erarbeiten von Themen, Diskussionen, Wissen in eigenen Worten wiedergeben, damit auch klar wird, wo man etwas nicht verstanden hat. Das alles kostet Zeit und ist individualisiert.

Was braucht die Zukunft? „Geistige Schokonikoläuse“, die alle gleich denken und ihre Obergrenze haben, weil ihre Wissensgier krass gestutzt wurde oder Menschen aller Level, die wissen, dass sie da, wo sie im Leben stehen, supergut aufgestellt sind und das, was sie tun, mit Kopf, Herz und Hand, lieben? Die auch mal Fragen stellen oder Aussagen raushauen wie „Der Kaiser ist ja ganz nackig!“ – DAS sind Qualitäten, die wir brauchen für die Zukunft.

 

Steffi ist unsere ungekrönte Königin der Landschaftsfotos, finde ich. Danke für dein Bild!

Verbindungen zählen

Im Grunde sind es doch die Verbindungen mit Menschen, die dem Leben seinen Wert geben.

Wilhelm von Humboldt, 1767-1835

Abendlicher Blick auf die fototechnisch vielleicht beliebteste Seite Würzburgs, von Sigrid macht! Danke von Herzen dafür!

Meisterschaft erlangen

Den Grund für die Zukunft bereiten wir mit jedem Gedanken, den wir denken. Oft genug denken wir Gedanken aus der Vergangenheit und wiederholen sie unreflektiert. Wir wundern uns dann, dass wir immer die gleichen unbefriedigenden Resultate erhalten, in ähnliche Situationen immer wieder geraten, ähnliche Partnerprobleme wieder aufführen. Wer mit den gleichen Vorgehensweisen andere Resultate erwartet, könnte einem Irrtum unterliegen, oder?

Zukunftsgedanken können auch Träume sein. Wir sehen uns in einer idealen Zukunft, schön, erfolgreich, was immer sich jemand auch wünschen mag. Wir holen uns Anregungen in der virtuellen Welt, die wir für die Realität halten und wo wir uns aufputschen – so wird es sein! Ich werde das und das erreicht haben! Eines Tages kommt er, der Erfolg, das Lebensglück, was immer.

Achtung, Spoileralarm! Erfolg kommt nicht über Nacht. Er ist das Ergebnis von kleinen Handlungen, die wir über einen vielleicht auch langen Zeitraum immer wieder tun. Ein asiatischer Kampfsportler hat jede Bewegung Tausende von Malen geübt, bis er sie vollkommen beherrscht hat. Dann übt er andere Bewegungen und wiederholt die, die er meisterlich vollbringen kann, damit er die Meisterschaft behält. Er steht auf der Übungsmatte und trainiert, weil er weiß, dass er nur dann richtig gut ist, wenn er nicht mehr nachdenken muss über etwas, sondern das in Fleisch und Blut übergegangen ist. Dann kann man spielen mit dem, was kommt.

Erfolg ist das, was ich mir langsam und in kleinen Schritten aufbaue. Der schnelle Erfolg, das one hit wonder, verpufft so schnell wie es erschienen ist, es ist eine Sternschnuppe: Vier Wochen Stern, dann schnuppe. Sein Leben erfolgreich meistern bedeutet – üben, üben, üben. Lernen, korrigieren, annehmen, wenn ein Meister etwas sagt, wie man es besser machen kann. Ewig sind wir Lernende, Übende. Wer weiß, wo es dich hinführen kann, wenn du jeden Tag etwas für deine Herzensangelegenheit tust. Jeden Tag etwas üben führt zu Meisterschaft.  Das ist wenig glamourös, wenig vorzeigbar und wenig als große reißerische Story geeignet. Stellt euch die Überschrift vor: „Schwimm-Olympiasieger gesteht: Für meinen Erfolg musste ich jeden Tag meine Runden im Becken drehen!“ Das will keiner lesen. Und dennoch ist es der einzige Weg, wie man es zur Meisterschaft bringt. Im Kleinen, im stillen Kämmerlein, unbesehen und unbeachtet vom Rest der Glanz-und-Gloria-Scheinwelt trainieren. Warum? Weil Meisterschaft  in etwas ein gutes Ziel ist. Und weil wir wissen, dass wir nur dann dauerhaft unsere Arbeit gut machen können, wenn wir bereit sind, jeden Tag die Übungsmatte zu betreten. Ohne Siegerarroganz. Ohne Duckmäusertum. Wir üben einfach. Nicht mehr, nicht weniger. Und schauen, dass  wir das Ziel nicht aus dem Auge verlieren.

Allen einen übungsfreudigen Merkurtag.

 

Der Baum in diesen Tagen. Danke, Steffi!

Zukunft bauen

Man kann nicht in die Zukunft schauen, aber man kann den Grund für etwas Zukünftiges legen – denn Zukunft kann man bauen.

Antoine de Saint-Exupéry, 1900-1944

Steffi hat den Baum im Frühling und im Herbst besucht. Schaut, wie schön das ist! DANKE, liebe Steffi!