Bei den meisten Dingen waren die Tiere unsere Lehrer. Die Spinne lehrte uns das Weben. Die Schwalbe die Baukunst, die Nachtigall und der Schwan das Lied.
Demokrit
Stephanie hat das Spinnennetz entdeckt!
Wasser ist Leben. Ohne Wasser wären wir sehr schnell am Ende unserer Existenz angelangt. Umso beeindruckender, wenn man Quellen besucht, die tief versteckt im Wald aus Felsen entspringen. 1457 wurde der Ort Katzbrw das erste Mal genannt, und heute steht in der Einöde Katzbrui noch immer eine uralte Ölmühle, in der man hervorragend speisen kann.
Rund um die Mühle entspringen den Felsen Quellen, stürzt das Wasser den steilen Berg hinunter. Köstlich schmeckt das Quellwasser direkt am Felsen. Wir Kneippschüler wurden hervorragend begossen, vor allem von oben, als wir auf den Spuren Kneipps in Stephansried waren, einem winzigen Ort, in dem der berühmte Sohn des Dorfes aufgewachsen ist. Kuhglockengebimmel begleitete uns bei unserem Marsch zum Denkmal an der Stelle, an der das Elternhaus Kneipps stand, das mitsamt seinen Ersparnissen, die ihm das Studium ermöglichen sollten, abgebrannt ist, bevor er studieren konnte. Dennoch gab Kneipp seinen Traum, Priester zu werden, keine Sekunde lang auf und schaffte es, das Gymnasium in Dillingen zu besuchen und dann Theologie zu studieren. Kneipp gab nie die Hoffnung auf, dass sein Traum, Priester zu werden, erfüllt werden würde. Er überwand sogar Lungentuberkulose auf dem Weg zu seiner Priesterweihe.
Im strömenden Regen pilgerten wir nach Stephansried und besuchten die Basilika in Ottobeuren, dann eine Wanderung durch den Forst bei Katzbrui. Eine Landschaft, die im Sommer superschön ist, im eisigkalten Novemberregen zeigt, wie stark man sein muss, wenn man hier gut leben möchte. Dass der junge Kneipp einst staunend in der rund vier Kilometer entfernten Basilika in Ottobeuren stand, wundert mich nicht. Das muss dem Kind wie ein Blick in den Himmel vorgekommen sein. Mancher Kursteilnehmer war begeistert von so viel Barock, ehrlich gesagt fand ich die Minikirche in Stephansried deutlich schöner.
Landschaft prägt uns sehr, schreibt sich ein in unsere Art, die Welt zu sehen. Das Allgäu ist eine wasserreiche Gegend, fast immer sieht man dort grüne Wiesen, nicht so verdorrte Grasbüschel wie bei uns hier in der Weinbaugegend. Doch auch hier regnet es – wie heute Morgen, als wir im Stockdunkeln im Schlafanzug mit Mantel drüber durch die klitschnasse Wiese stapften und unisono befanden: langweilig! Ja, es war uns fast zu warm heute Morgen draußen, denn unsere Füße sind das angefrorene Wörishofer Gras gewohnt gewesen in den letzten Tagen. Das Wasser in der Fußbadewanne hingegen, das seit einigen Tagen draußen steht, war dann schon eher frisch zu nennen. So einfach kann man Kneippanwendungen in seinen Alltag einbauen, wer einen Garten hat, kann morgens aus der Bettwärme raus Tautreten und danach bitte für warme Füße sorgen durch Bewegung! Ihr werdet rasch merken, wie frisch das macht und was euch fehlt, wenn ihr es nicht macht. Frohes Probieren!
Der Wald um die Mühle Katzbrui mit einem der zahllosen Wasserläufe dort.
Sie [Die Anwendungen] wirken nicht nur auf den Körper allein, sondern ganz besonders auf den Geist. Ist der Körper die Hütte, so darf man annehmen, dass es dem Geist wohler ist, wenn eine Hülle gereinigt und von krankhaften Stoffen befreit ist.
Sebastian Kneipp, 1821 geboren
Das ehemalige Badehäuschen, in dem Pfarrer Kneipp seine berühmten Güsse verabreicht hat.
Nachdem unser Gehirn mit der Ausstattung des Frühmenschen auf Stress reagiert, als wären der Telefonanruf, die Ansage vom Chef, der Straßenlärm oder was immer uns nervt der Säbelzahntiger, der unser Leben bedroht, müssen wir an anderen Stellschrauben drehen, wenn wir mit Chaos im Leben klarkommen wollen. Sprich: Wir dürfen uns nicht darauf verlassen, dass unser jüngster Hirnteil, der präfrontale Kortex, unterscheidet zwischen überflüssigem Anschiss und Lebensgefahr, sondern müssen vorher das System entspannen (davon mal ganz abgesehen: Ein dauergestresstes Gehirn KANN nicht mehr unterscheiden!).
Wie geht das? Pfarrer Kneipp vertrat da ziemlich hochmoderne und hilfreiche Ansichten. Er propagierte eine kräftige, einfache, saisonale und regionale Küche. Tägliche Bewegung an der frischen Luft war ihm ebenso wichtig wie der Einsatz von Heilkräutern (auch als Küchenkräuter oder Tees), über allem schwebte die gesunde Lebensordnung (die hochmodern ist übrigens) und der bekannteste Teil der Kneippanwendungen, der Einsatz von Wasser.
Was hilft bei Stress? Wie wäre es, wenn du morgens aus dem Bett mit gut gewärmten Füßen kommst und dann als erstes ein paar Schritte übers nasse Gras im Garten gehst? Alternativ kannst du im Zimmer bei geöffnetem Fenster Zimmergymnastik betreiben. Am Mittag nach dem Essen könntest du dir einen Leberwickel zur Verdauungsförderung gönnen mit Schafgarbentee oder besser noch kalt aufgelegt und nachruhen (entgiftet und ist ein Geheimtipp vor allem bei depressiver Verstimmung) oder ein Armbad nehmen, was als Kneippespresso gilt und am Abend bringt dich nichts schneller in den Schlaf, als mit warmen Füßen einen kalten Knieguss zu nehmen oder den gesamten Körper in wenigen Minuten mit kaltem Essigwasser abzureiben und danach gleich ins warme Bett zu steigen – das Kopfkino hat dann Pause.
Wer nicht rechtzeitig für seine Gesundheit sorgt, braucht später viel Zeit fürs Kurieren von Krankheiten. Kneipp hat Hilfen für zahllose Lebenslagen entwickelt – allesamt höchst wirksam und hilfreich, auch im Hinblick auf die Stärkung unseres Immunsystems. Einfache Sachen, die jeder selbst daheim machen kann, denn einen Wasserschlauch hat jeder oder eine Dusche, an die man ein Gießrohr anbringen kann. Wir werden in Zukunft wieder sehr viel mehr selbst für unsere Gesundheit tun müssen, weil die Kassen überlastet sind und wir lernen dürfen, dass Gesundheit zunächst ein Thema jedes Einzelnen ist. Dann kann man es doch auch mit bewährten, schlichten und höchst alltagskompatiblen Dingen versuchen, oder? Wir werden euch immer wieder hier hilfreiche Tipps dazu geben, die jeder selbst problemlos in den Alltag einbauen kann, denn die Anwendungen Kneipps sind in aller Regel Sekunden- bis Minutensachen.
Mal für euch hier eine meiner Zeichnungen, die die Lernenden bei uns oft genug tapfer erdulden müssen – der Mensch der Frühzeit war sehr oft in Lebensgefahr. Bei Stress reagiert unser Gehirn nach wie vor wie damals – Angreifen oder Flüchten waren die Alternativen.
Alles will gesund und kräftig sein und lange leben, aber tun will man nicht; da lässt man alles gehen, was dazu verhelfen, könnte; so töricht lebt und handelt man. Wenn dann aber das Übel da ist, wenn einem das Messer an der Kehle sitzt, dann kommt das Ach und Weh.
Sebastian Kneipp, 1821-1897
Pfarrer Kneipp, vor 200 Jahren geboren
Kälte unter den Menschen ist ein schwerwiegendes Problem. Einsamkeit wird wie körperlicher Schmerz verarbeitet und Kälte schließt aus. Kälte entsteht, wenn Menschen Mobbing erleben, wenn Kinder nicht mitspielen dürfen, wir ausgegrenzt werden. Wärme entsteht, wenn sich Arme, Herzen oder Türen öffnen, wir uns willkommen fühlen und aufgenommen.
Es kann so einfach sein, sich wohl zu fühlen. Natürlich verwirren uns Menschen, die anders denken, sprechen oder leben wie wir. Das liegt in der Natur der Sache. Wir kennen ihr Leben, ihre Sprache, ihr Land, ihre Religion vielleicht nicht oder haben nur etwas darüber gehört, was wenig nutzt. Etwas hören heißt nicht, etwas zu wissen, sondern sorgt oft genug für Fehleinschätzungen. Wir glauben auch oft, wir müssten andere Menschen verstehen, um mit ihnen arbeiten und leben zu können. Ich fürchte, dass wir dieses Kriterium an unsere Zeit anpassen müssen. Wir werden nicht mehr warten können, ob und bis wir alle anderen Menschen, um mit ihnen über die Zukunft des Planeten zu sprechen.
Was braucht es? Die Bereitschaft, Menschen zu belassen, wie sie sind. „Urteile erst über einen Menschen, wenn du drei Monde in seinen Mokassins gelaufen bist“, heißt es in einem sehr hilfreichen Sprichwort. Wer nicht drei Monde Zeit hat, darf den Gesprächspartner einfach mal so nehmen, wie er ist. Jeder ist jenseits aller Religion, Sprache, Kultur etc. schlichtweg Mensch mit vergleichbaren Bedürfnissen, eben geprägt durch den genius loci, den Geist des Ortes, wo er lebt und agiert. Wir kennen das oft nicht, sondern brauchen einen offenen Geist, um miteinander die übergeordneten Weltthemen zu besprechen.
Vorschlag: Der Planet hat nicht mehr alle Zeit der Welt, um erhalten zu bleiben. Wie wäre es, wenn wir unsere Befindlichkeiten im Großen (damit ist die weltpolitische Bühne gemeint) und im Kleinen (das gilt für jeden Einzelnen von uns) beiseite schieben, weil sie nicht lösbar sind (wenn wir warten, bis Länder die Menschenrechte anerkennen, Kriege beenden etc. werden wir niemals vorankommen) und uns den übergeordneten Themen des Planeten zuwenden? Wenn wir da auf guten Wegen sind, haben wir die „Fremden, Anderen“ vielleicht schon etwas besser kennengelernt, falls nicht, wäre dann der richtige Zeitpunkt dafür gekommen, von anderen zu lernen, zu hören und zu staunen, wie sie mit Dingen umgehen.
Für uns sind Kartoffeln ein Alltagsprodukt, in anderen Ländern ein kostbares Geschenk der Pacha Mama, der Erdmutter, die unzählige Sorten wachsen lässt – allein an diesem Beispiel können wir so vieles voneinander erfahren, neu Respekt erleben, den Horizont erweitern und erleben: So hab ich das noch nie gesehen, das ist ja interessant! Dann verändern sich auch unsere Scheuklappen, sie werden weit, im Idealfall fallen sie ganz ab.
Wärmen wir unser Herz. Sorgen wir für warme Füße und Hände und öffnen die Herzenstür für die Menschen, die Begegnung brauchen, um aus der Erstarrung zu kommen.
Allen einen kraftvollen Dienstag!
Das Foto zeigt die Steinstelen im Sonnenlicht. Großartig, wie sie Landschaft prägen und rahmen.