Yearly Archives: 2021

Gib diesem Tag eine zweite Chance!

Manche Tage starten super, du denkst – das läuft. Um dem Morgenstau Richtung Stadtmitte zu entgehen, fährst du rechtzeitig los und landest im Stau derer, die den Morgenstau umfahren wollten. Es geht im Schritttempo voran, Spurwechsler kosten Nerven. Du willst nur schnell ein Rezept abholen und liest staunend vor der Tür: Rezeptabholung ab 8.30 Uhr. Es ist 7.54 Uhr, du wolltest um 8 das Rezept holen, damit du um 9 mit einer Stunde Verspätung wegen so einem Murks anfangen kannst zu arbeiten (Wir schicken nicht mit der Post, aha). 8.15 Uhr. Ein netter Mensch erbarmt sich und gibt mir das Rezept. 45 Minuten im morgendlichen Verkehr Richtung Autobahn heimzus für wenige Kilometer, andere Fahrmöglichkeiten gibt es nicht. Der Spaß hat mich summa summarum knapp zwei Stunden gekostet. Klar könnte ich jetzt sagen, ich nutze das als Übung in Gelassenheit. Heute war das nicht machbar. Dazu stapelt sich zu viel Arbeit und letztlich muss ich jetzt alle aufgelaufenen Telefonate versuchen abzuarbeiten, was nicht funktioniert, weil die Menschen halt jetzt alle selbst bei der Arbeit sind. Dafür mache ich die Telefonsprechstunde um 7.30, da können die meisten noch schnell anrufen. Vielleicht habe ich eine zu große Serviceorientierung 🙂

So, wie das dann eingespurt ist, zieht sich das Gehetze durch den gesamten Tag. An manchen Tagen klappt es, einen Cut zu machen und neu loszulegen, damit das alles wieder auf normal Null kommt, an manchen Tagen geht es eben nicht. Da wundert es mich dann auch nicht mehr, wenn mir die Klienten sagen, wie schlimm sie seit Montag Kopfschmerzen haben und dass sie das Wetter schlaucht. Manchmal kommt einfach viel zusammen im Leben.

Wer für heute auch schon so seine Erlebnisse für den Tag hatte – schnaufen wir mal alle miteinander durch. Wundern wir uns über die seltsamen Regeln, die nun gelten wie nichts mit der Post schicken, aber drei Schilder an der Tür mit Infos zur Reduzierung der Kontaktflächen. Irgendwie ist das drollig, diese konsequente Inkonsequenz. Ich habe mir jetzt einen großen Kaffee gemacht, alle Fenster aufgerissen, damit frische Luft reinkommt und entschieden, dass genau jetzt in dieser Sekunde mein superguter Tag anfängt. Ich freue mich auf die Menschen, die kommen und auf das, was heute passieren mag. Auch dieser Tag hat eine zweite Chance verdient. Und ich erst!

Allen einen beweglichen Merkurtag.

 

Sigrid hat die herbstlichen Farben beim Spaziergang eingefangen. Danke!

Verlorenes Gehirn

Als Primaner versuchte ich zum ersten Mal, zu einer lebendigen Vorstellung zu gelangen, was wir des Alls Unendlichkeit nennen. Ich legte mich nachts auf einen fast horizontal gestellten Klappsessel in den Garten und bemühte mich, über das rein Bildmäßige des Sternenhimmels hinaus in seine Wirklichkeit einzudringen. Es gelang mir so wohl, dasich empfand: Jetzt noch eine Sekunde solcher Erdabwesenheit, ein einziger kleiner Schritt weiter, und mein Gehirn ist auf immer verloren. Und ich …

 

Christian Morgenstern, 1871-1914

 

 

Danke an Manuela für das Himmelsfoto!

Nicht mehr abwarten und Tee trinken

Das Land hat gewählt und sich für einen Abwartekurs entschieden. Es gibt keinen mächtigen Schritt in die eine oder andere Richtung, was vernünftig ist, wenn es an tragenden, überzeugenden und machbaren Visionen mangelt. Ein Abwatschen durch Entscheidung für Extreme aller Art hat es nicht gegeben. Es ist wie ein Votum für „jetzt haltet mal den Ball flach und benutzt das Gehirn“, hoffen wir, dass die Botschaft ankommt und nicht als Freifahrtschein für Balztänze aller Art benutzt wird, was ich befürchte.

Im Grunde hat das Land reagiert wie die USA nach Donald Trump – erstmal eine Verschnaufpause nach einem Kopf wie Obama, der für das damalige Land noch zu klug war und einer Regression hin zu Haudraufs ist jetzt bei uns auch so eine Art „abwarten und Tee trinken“ angesagt. Bis wir eine Regierung haben, kann es dauern, wer weiß, welcher Platzhirsch sich durchsetzt, im Grunde sind sie austauschbar, weil bislang farblos.

Was jetzt passieren sollte, geschieht auf anderen Ebenen. Uns darf bewusst werden, dass wir uns nicht auf „Made in Germany“ alter Zeiten ausruhen können. Da würde es das deutsch gesprochene Made eher treffen, bei uns ist gewaltig der Wurm drin im Land. Es ist jetzt die Zeit, die Weichen grundsätzlich neu zu stellen (was vermutlich nicht auf der Agenda der künftigen Regierung steht). Das Land braucht Perspektiven und Mut. Mut, die Dinge, die mies laufen und übel stinken ans Licht zu holen und zu entsorgen.

Perspektiven auf allen Ebenen, denn wir schlafen seit Jahren schon ein auf veralteten Lorbeeren, die niemals unsere waren und verschlafen den Anschluss an andere Ländern, die ihr Bildungssystem auf Vordermann bringen, über neue Wirtschaftsformen nachdenken und längst aufgehört haben, egozentrisch eigene Pfründe zu verteidigen, sondern zu überlegen, wie man auf gute Weise netzwerken und sich gegenseitig unterstützen kann.

Die Flutkatastrophe hat wie alle Katastrophen dieser Art (auch der Anfang von Corona war so) gezeigt, dass wir durchaus ein mitfühlendes Volk sein können, das sich gegenseitig stützt. Gemeinsam für etwas einzutreten, was vielleicht sehr, sehr viel Arbeit ist, aber letztlich gute Resultate für die meisten generieren kann, verbindet und stärkt. Zukunft ist nichts, was wir erwarten können, sondern etwas, das gestaltet, geplant und organisiert sein will, vor allem im Hinblick auf die Laufzeit, die dieser Planet noch hat, wenn wir weiter unserer Gier frönen wollen. Es geht nicht darum, dass jeder so viel aufhäuft, wie er stapeln kann, sondern alles so zu verteilen und aufzubauen, dass es für alle in Frieden reicht. DAS ist eine wahre Revolution, die dem Planeten als Ganzem nutzt.

Wir werden einander in Zukunft nicht mehr alle verstehen. Andere Menschen haben andere Auffassungen, Meinungen, einen anderen Glauben und andere Lebensformen. Das werden und müssen wir nicht en Detail begreifen oder gut finden. Es ist, wie es ist. Der Planet leidet und es wird Zeit, sich über solche Unterschiede und Befindlichkeiten hinweg zu begegnen gemäß der Aussage von Rumi: „Jenseits von richtig und falsch liegt ein Ort. Dort treffen wir uns.“ Es wird Zeit, dass wir aufwachen und uns auf den Weg machen, um diesen Ort zu finden.

Die Rettung des Planeten ist der neue Stern von Betlehem und sie geht jeden Einzelnen etwas an. Bleiben wir nicht bei nationalen Spielereien stehen, sondern denken wir groß, weit, offen und aus der Zukunft heraus. Sonst produzieren wir weiterhin immer mehr vom Gleichen, was bisher auch schon nicht einmal ansatzweise ein Schritt in die längst notwendige Richtung war. Wenn wir aus 20 Jahren in der Zukunft zurückschauen auf 2021 – was waren die notwendigen Schritte, die wir gegangen sind? Zukunft ist kein Ort im Nirgendwo, sondern direkt hier, wo wir sind, und sie kann uns beraten und leiten, wenn wir aufhören, uns andauernd in der Vergangenheit aufzuhalten und irgendwas nachzutrauern, was längst tot ist und aufhören, im rosaroten Traumland unterwegs zu sein. Im Jetzt gibt es das alles nicht. Nur Klarheit und das Gehen des nächsten Schritts, das Atemholen des nächsten Atemzugs.

Allen einen ermutigenden Marstag.

 

1928 wurde das zweite Goetheanum in Dornach fertiggestellt, ein riesiger Betonbau, weit über die damalige Zeit hinausragend in seiner Gestaltung. Die Verschalung beim Betongießen lässt den Beton wirken wie Holz, vor allem, wenn man in der sehr frühen Morgensonne im Gebäude unterwegs ist.

Was wir wirklich brauchen

Der Wunsch, das Lebensnotwendige zu besitzen, hat noch keinen Menschen zu Fall gebracht, wohl aber der Wunsch nach Dingen, die er nicht wirklich braucht. Keinem Volk wurde das Verlangen nach Getreide, Obst, reiner Luft, klarem Wasser, vollkommener Kunst oder schöner Frauen zum Verderben, sondern die Gier nach Gold, Schätzen, Sklaven, Macht, unverdientem Ruhm und der Hang zu grundloser Überheblichkeit.

Joseph Joubert, 1754-1824

An der Biooase in Bad Wörishofen wird ein kleiner Quittenbaum gerade zum Spalierobstbaum gezogen.

In welcher Welt wachen wir morgen auf?

Ich bin gespannt, in welchem Land wir morgen erwachen. Nutzt die Wahlchance. Es braucht ein zukunftsweisendes Votum.

Viele freuen sich über die sommerlichen Temperaturen – genießt es, Wetter ändert sich rasch. Früh dunkelt es nun, lang ist es dunkel, längst stehen wir mit Licht auf, seit Wochen schon. Die letzten Äpfel reifen, die Pfirsiche sind geerntet, die Brombeeren auch, nun warten noch Quitten und nach dem Frost die Schlehen auf Verarbeitung. Der Garten ruft nach mir, doch fehlt es mir an Zeit in diesem Jahr, mich so zu kümmern, wie es nützlich wäre, zu vieles läuft in diesem Jahr parallel und lässt sich nicht ändern. Es freut die Igel und schafft viele Überwinterungsmöglichkeiten für die Tiere, die in den super aufgeräumten Gärten keine Chance haben.

Der 86. Geburtstag meiner Mutter wurde am Wochenende gefeiert, bald folgt mein Vater mit seinem 86. Geburtstag. Es ist ein hohes Alter (wobei meine Schwiegermutter ihren 97. bald feiert) und die Begleitung der Eltern in diesen Jahren lehrt mich sehr viel über das Alter und wie unterschiedlich Menschen damit umgehen. Es ist sehr stark abhängig von der körperlichen Verfassung und die hängt mit der seelisch-geistigen Verfassung zusammen.

Ich denke, es macht für alle Menschen sehr viel Sinn, sich in allen Bereichen – Körper, Seele und Geist – bestmöglich aufzustellen, für Gesundheit sorgfältig zu sorgen, denn Defizite, egal in welchem Bereich, rächen sich im Alter massiv. Alter kann eine gute Zeit des Weitergebens, des Mentorings, der Unterstützung für die Jüngeren sein, doch im Fall von Pflegebedürftigkeit und Not sieht das anders aus. Ich begleite viele Familien, in denen dies massiv Schwierigkeiten macht, erlebe beide Varianten in der eigenen Familie selbst und weiß sehr wohl, wie das Kraft zehren kann.

Deshalb lerne ich gerade aus nächster Nähe, was ich mir für mich wünschen würde und was nicht. Manches suchen wir uns freilich nicht aus und sind dann darauf angewiesen, dass wir Hilfe bekommen. Doch was ich vorbeugend tun kann, sollte ich tun, damit ich möglichst lange frei von solchen Fragestellungen leben kann. DAS ist eine große Aufgabe in einer Welt, in der ganz junge, alte, kranke und behinderte Menschen nicht mehr in einem Familien- oder wenigstens Wertesystem getragen sind. Das hat Vor- und Nachteile. Ganz sicher ist es ein wesentlicher Beitrag zur beobachtbaren Einsamkeit der Menschen. Wenn uns der Anschluss an ein vertrautes System fehlt, verlieren wir den Lebensgrund.

All das sind Fragen, die unsere Zeit aufwirft, neben Bildung, Eigenverantwortung stärken, neues Wirtschaften, andere Wege, mit dem Planeten umzugehen und tausenderlei mehr. Nach den Monaten der Pandemie mit all ihren Auswüchsen in diverse Richtungen hoffe ich, dass wir aufwachen und begreifen, dass WIR es sind, die sich dieser Themen anzunehmen und sie auf bestmögliche Wege für die Zukunft der Menschheit zu bringen hat. Dazu brauchen wir Menschen, die bereit sind, Verantwortung zu übernehmen. Grenzen zu sprengen. Ihren Geist weit zu dehnen. Aufhören, Recht haben zu wollen, weil es das nicht gibt. Anfangen, aus Freude, Freundlichkeit und mit einer liebevoll offenen Grundhaltung der Neugier auf den anderen gute Fragen zu stellen, wie wir alle miteinander diesen Planeten zu dem großartigen Ort machen können, der die Erde ist. Wir leben auf einem Planeten, der uns alles gibt, was wir brauchen.

Was wir im Innersten denken, wird geschehen – wie großartig ist deine Vision von einer wunderbaren Welt und wie bereit bist du, dafür einzutreten?

Allen einen sanften Wochenstart und einen ermutigenden Neubeginn. Das jedenfalls werden wir heute Abend, wie ermutigend, ob wir für einige Jahre auf der Stelle treten oder in eine Welt zurückfallen, in der Angst und Macht regieren.

 

Ein Blick, der begeistern kann – viele, viele Meter lange Gemüsebeete, unterbrochen von Blumenbeeten am Goetheanum in Dornach zeigen: Wir ernten, was wir säen. Wer etwas sät, investiert in jedem Fall in die Zukunft. Die Frage ist immer nur, in welche.

… siedet die Hölle!

Es war die Art zu allen Zeiten, (…) Irrtum statt Wahrheit zu verbreiten.

Mephistopheles in „Faust“; Johann Wolfgang von Goethe

Manche Stufe am Goetheanum in Dornach wird derzeit von Faust-Zitaten verziert.

Ein friedliches Herz

Diese Woche hatte ich ein sehr interessantes Gespräch mit einem Fachmann für Mineralien. Steine haben eine sehr ordnende Kraft, nicht umsonst sind Edelsteine beliebt. Hildegard von Bingen hat viel mit Steinen gearbeitet, um einem System, das krankheitstechnisch aus der Ordnung und damit seiner Struktur fällt, zu helfen, auch auf dieser Ebene sich wieder neu auszurichten. Das ist deshalb interessant, als wir letzte Woche ein Wassertretbecken gesehen haben, das mit verschiedenen Edelsteinen auf dem Boden belegt war, um ebenfalls auf den Menschen positiv einzuwirken. Viele Edelsteine werden unglaublich teuer, weil sie selten und kostbar sind, die Transportwege gigantisch aufschlagen und es immer weniger Menschen gibt, die ein Gespür dafür haben, wo sich solche Geschenke der Natur befinden.

Gute Energien – woher bekomme ich die? In erster Linie aus einem Herzen, das freundlich, friedlich und wohlwollend gestimmt ist, in Verbindung mit einem Kopf, der nicht nur in endlosen „wir werden alle sterben“-Schleifen hängt (wobei das richtig ist. Ein Memento mori zur rechten Zeit kann sehr nützlich sein. Wer weiß, dass er sterben wird – wann auch immer – vergeudet keine Lebenszeit mit Unsinn). Menschen, die in sich ruhen, gut für sich sorgen, sich nicht ständig von der Angst vor sich hertreiben lassen (alle haben Angst, die Frage ist nur, wie wir damit umgehen), sondern darauf achten, dass sie handlungsfähig bleiben, schicken gute Energien ins Feld. Menschen, die beten, tun das auf ihre Weise. Menschen, die lachen, singen, tanzen und anderen Freude bereiten, sind herrlich wohltuende Energien. Die gute Energie entspringt aus mir selbst, meiner Art zu denken, zu leben und zu handeln. Ich kann mir helfen, indem ich mich gut ins Leben stelle, für ein gutes Immunsystem sorge, versuche, fit zu bleiben, ausreichend schlafe und durchaus das Wort Frohsinn umsetze. Dann können wir alle miteinander ein gutes Energiefeld aufbauen, indem wir füreinander da sind, uns unterstützen und ermutigen. Freude gehört zu den guten Energien, Liebe, Dankbarkeit vor allem. Was möchtest du in deinem Herzen kultivieren, um zu den wunderbaren Energien auf diesem Planeten beizutragen?

Allen ein wunderschönes Wochenende!

 

Wie viele Jahre braucht so ein Baum, bis er diese Größe erreicht hat? Was er wohl alles gesehen hat!

Reicher Herbst

Der schöne Sommer ging von hinnen,

der Herbst, der reiche, zog ins Land.

Nun weben all die guten Spinnen

so manches feines Festgewand.

Sie weben zu des Tages Feier

mit kunstgeübten Hinterbein

ganz allerliebste Elfenschleier

als Schmuck für Wiese, Flur und Hain.

Ja, tausend Silberfäden geben

dem Winde sie zum leichten Spiel,

die ziehen sanft dahin und schweben

ans unbewusst bestimmte Ziel.

Sie ziehen in das Wunderländchen,

wo Liebe scheu im Anbeginn

und leis verknüpft ein zartes Bändchen

den Schäfer mit der Schäferin.

Wilhelm Busch, 1832-1908

Das Netz der Kreuzspinne im Hildegard-Garten in Bad Wörishofen.

Klare Gedanken

Endlich Herbst, wie mich das freut. Meine Lieblingsjahreszeit. Ich liebe den Farbenrausch der Astern, das unendlich zauberhafte Leuchten sich verfärbender Blätter. Heute Nacht bin ich aufgewacht, weil es das erste Mal war, dass die Luft so richtig herbstlich roch – das gelingt bei ausreichender Feuchtigkeit, Kälte und wenn so ein feiner Nebel alles bestäubt (vor allem die Spinnennetze). Da stehe ich und atme Kühle, schau in den Garten, wie die Quitten leuchten, beobachte den Mond, der sehr klar am Himmel steht und die Sterne, die jetzt wieder wie weiter weg scheinen, härter blinken, weil die laue Sommerluft nicht mehr alles verschwimmen lässt.

Zeit der klaren Gedanken. Des Durchatmens. Des Überprüfens der Vorräte, des Einkochens und der Vorratshaltung. Das Gehirn entmatscht sich nach der Sommerwärme, in der es träge ums Überleben ringt. Endlich Klarheit. Endlich Ruhe. Jetzt kann ich mich wunderbar mit allem konfrontieren, was den Sommer über verschoben wurde. Das ist die Zeit, in der die Dinge erledigt werden.

Die Facharbeit für die Kneippausbildung steht an, dazu eine Dokumentation über die Anwendungen der Wickel, Bäder und Waschungen. Lernen für die Abschlussklausur. Der Vortrag für die Primavera Fachakademie im Oktober ist fertig über den Einsatz von Aromatherapie im Praxisalltag. Stück für Stück arbeite ich die Dinge ab, denn viele neue Projekte warten darauf, in Angriff genommen zu werden. Der Alltag braucht wie üblich seinen Raum. Fortbildungen wie Coachingausbildung und Kneipp laufen nicht nebenher gemütlich, wenn man es ernsthaft machen möchte.

Jetzt ist die Zeit für die Stärkung des Immunsystems. Hagebuttenpulver für alle, die schmerzende Knochen und Gelenke haben, wenn es feuchtkalt wird. Vitamine in Form von Früchten und Gemüse. Ausreichend Sonnenlicht für die Knochen. Bewegen! Morgens ist jetzt Tautreten das Geschenk der Natur (achte auf den Weg). Wer nicht schlafen kann, darf sich mit einem robusten Leinentuch nachts mit Essigwasser (so kühl, wie das Wasser aus dem Hahn kommt) abwaschen und ohne Abtrocknen hurtig zurück ins warme Bett – der Schlaf wird schnell kommen. Alternativ nasse Strümpfe anziehen, in kühles Wasser mit einem Schuss Essig getaucht und darüber Wollsocken, damit nichts nass wird – die Füße werden rasant schnell warm und der Kopf wird gedankenfrei, weil das Blut in die Beine wandert. Es gibt so einfache Mittel, mit denen man sich helfen kann. Es braucht nur den Willen, es auch zu TUN.

Genau das ist es – wir wollen viel, pflegen unseren Dopaminrausch der Begeisterung und wenn es ums Umsetzen geht, sieht man nicht mehr viel. Nimm dir eine kleine Sache vor. Mache sie jeden Tag. Beobachte, was geschieht und wo du in wenigen Wochen stehst. Nur eine kleine Sache! Erfolg ist nicht das Wunder, das über Nacht geschieht, weil du brav warst. Erfolg ist die Belohnung, weil du jeden Tag etwas getan hast für dein Vorankommen. Erfolg ist kein Schicksal, sondern das Resultat täglicher Arbeit in der Stille, im Hintergrund, im Kleinen. DAS ist das Geheimnis dahinter. Nicht das one hit wonder, sondern das, was deine täglichen guten Routinen aus dir machen werden.

Welchen Schritt möchtest du in deinen Alltag aufnehmen? Schau einfach, was geschieht, wenn du es täglich tust.

Allen einen liebevollen Venustag und viel Freude mit dem Zauberbuch, das die Natur in diesen Wochen für uns jeden Tag aufschlägt, damit wir uns wieder an das Staunen erinnern, das die Türen zum Himmel zu öffnen vermag.

 

Ich habe nicht gewusst, dass Gemüsespargel im Herbst so tolle leuchtend rote Beeren hat! Ist das nicht zauberschön?

Ein Lied auf den Herbst

Herbstlied

Es liegt der Herbst auf allen Wegen,

In hundert Farben prangt sein Kleid,

Wie seine Trauer, seinen Segen

Er um sich streut zu gleicher Zeit.

Es rauscht der Fuß im welken Laube,

Was blüht‘ und grünte, ward ein Traum –

Allein am Stocke winkt die Traube

Und goldne Frucht schmückt rings den Baum.

So nimmt und gibt mit vollen Händen

Der Herbst, ein Dieb und eine Fee;

Erfüllung kann allein er spenden,

Doch sie umfängt ein tiefes Weh! –

O, Herbst der Seele! deine Früchte,

Sind auch Gewinn sie, oder Raub?

Der Wünsche Blüte ist zunichte,

Der Hoffnung Grün ein welkes Laub.

Zu schwer erkauft, um zu beglücken,

O, Seelenherbst, ist deine Zier!

Der Saft der Traube kann entzücken,

Doch keine Wonne strömt aus dir.

Luise Büchner, 1821–1877

Der Freitags-Nachdenk-Input ist online. Danke fürs Mitlesen, hier der Link:

Herbst im Kurpark Wörishofen. Ein Traum in Farben und Formen. Lob den Gärtnern!

Vorbeugen hilft

Herbstanfang. Der Tag beginnt recht frisch, was hilft, wenn das Programm ein wenig voller ist. Die Kaffeemaschine erinnert mich daran, dass ich noch 12 Tassen vom Entkalken entfernt bin. Schade, dass es kein Memo gibt, wie lang mein Geist noch funktioniert. Endlichkeit macht Dinge sehr kostbar. Ist dir das bewusst?

Wenn ich mir anschaue, was ich an Lebensgeschichten und Schicksalen jeden Tag in der Praxis und auch sonst höre, wird mir immer wieder vor Augen geführt, was für ein unglaubliches Geschenk funktionierende Beziehungen sind, Gesundheit, wie immer man sie auch definieren mag und Lebensfreude. Unsere Zeit ist anders gestrickt. Menschen haben zahllose Ängste, mit denen sie konfrontiert sind wie Zukunftsangst, Angst um den Arbeitsplatz, Sorge, ob sie einen Partner finden, mit dem sie glücklich sein können (dazu dürften sie erst lernen, selbst fürs Glück zu sorgen), Gesundheit.

Die letzten Monate haben uns erschöpft auf vielen Ebenen. Bedenken wir, dass der Körper lange Zeit braucht, bis er sich nach einer schweren Erkrankung erholt hat – der Körper schwingt im Jahresrhythmus, das braucht alles seine Zeit. Wir erwarten da gern zu viel, gut Ding will gerade auf dieser Ebene Weile haben. Gesundheit ist ein extrem kostbares Gut, setzen wir es nicht aufs Spiel. Sorgen wir jetzt zum Herbstanfang spätestens dafür, dass unser Immunsystem ein gutes Level erreicht.

Viel frische Luft ist wichtig (wer einen Wald oder Park in der Nähe hat – hingehen!), eine gewisse Abhärtung des Körpers hilft (da wäre ein absolut kostenfreies Mittel das Tautreten – raus aus dem Bett und wer hat drauf auf den Rasen (macht Sinn, nach unten zu schauen, wo man hintritt) für ein paar Minuten und dann rein ins Warme und für gute Erwärmung durch Bewegung (!!!) sorgen (alternativ mit leitungskaltem Wasser duschen). Ihr werdet schnell sehen, wie gut das ist. Viel trinken ist wichtig für unsere Schleimhäute, achtet auf das, was gegessen wird. Ballaststoffreich, frisch und alle Farben mal auf dem Teller über den Tag verteilt ist hilfreich. Bewegung, Bewegung, Bewegung. Fernhalten von zu viel Medienkonsum. Wegbleiben von Menschen, die negativ sind.

Was macht dir Freude? Woran kann sich dein Geist immer wieder aufrichten? Hast du einen Glauben, der dich stärkt? Was zaubert dir ein Lächeln aufs Gesicht? Mehr von dem, was dich stärkt. Weniger von dem, was dich schwach macht.

Herbstanfang ist ein guter Moment. Tag- und Nachtgleiche folgen bald. Nicht umsonst ist am 29. 9. Michaeli, der Erzengel steht für den Kampf gegen das Negative und für Mut, sich allem zu stellen, was kommen kann und die Hoffnung nicht zu verlieren.

Wer also bisher noch nichts getan hat, um für den Winter fit zu werden: Ab heute gilt es! Abhärtung, Wechselduschen mal testen (für Anfänger), Tautreten, Bewegungsprogramm massiv rauffahren, frische Luft ohne Ende, ausreichend trinken, Vitamine und Spurenelemente über die abwechslungsreiche frische Nahrung einladen sowie für mentale Kraft sorgen durch Meditation, Beschäftigung mit Dingen, die Freude machen, singen und die letzten Früchte aus dem Garten verarbeiten (oder auf dem Markt besorgen und sich mal Marmeladen, Gelees oder Säfte selbst kochen). Jeder kann etwas tun. Und wenn wir etwas für unsere Gesundheit tun, gibt uns das ein gutes Gefühl, das sorgt für bessere Laune. So entstehen stärkende Kreisläufe. Wir erleben Machbarkeit und Sinn, wesentliche Resilienzfaktoren.

Allen einen freundlichen Jupitertag.

 

Hohes Eisenkraut besticht durch seine Farbe und seine Zartheit bei aller Robustheit des Stängels.

Von der Wirkung des kalten Wassers

Wow. Sechs Tage geballten Input zu den Wasseranwendungen mit Sebastian Kneipp. Inhalt der zweiten Ausbildungswoche in Wörishofen im Rahmen der Ausbildung zum Kneipp-Gesundheitsberater. Sechs Tage, in denen wir viel draußen im Garten der Akademie standen und uns gegenseitig im Gießen geübt haben. Wider Erwarten war das für alle in der Gruppe gut machbar, auch für die, die bislang kühleres Wasser noch nicht für sich so ganz entdeckt hatten. Der Witz an den Anwendungen ist nämlich, dass man danach sehr, sehr schnell sehr warm wird, wenn man sich gut bewegt und die Güsse auch nur dann vorgenommen werden, wenn der Körper sich durch ausreichend Bewegung gut aufgewärmt hatte.

Das bedeutete für uns: Gymnastik, Bewegung, Sport aller Art und dann die Güsse. Erst die Theorie mit allen Indikationen, Kontraindikationen und vor allem die Wasserführung. Man kippt das Wasser ja nicht irgendwie über die Menschen, sondern die Güsse erfolgen blitzschnell nach einer hocheleganten und ausgetüftelten Choreographie, um optimale Ergebnisse zu erzielen. Nachdem jeder vom Eisbaden schwärmt, kann ich nur sagen – Kneipp kann das auf eine mildere Art und Weise ebenso wunderbar (wobei das Halbbad mit 16 Grad auch ordentlich war).

Wir haben geübt, gegossen und versucht, möglichst wenige Fehler zu machen, damit die Kurskollegen nicht frieren müssen. Das übt enorm und wir haben die Woche mit meisterlichen Güssen beendet. Was wir genossen haben, waren Bürstenmassagen, Bäder gegen müde Bildschirmaugen, Gesichtsguss für die Schönheit und herrliche Waschungen, bevorzugt für Menschen mit Schlafstörungen und super gegen Wechseljahrshitzewallungen. Eine Migräne, die eine Teilnehmerin schwer schlauchte, konnte nur durch die Wasseranwendungen zu einem schnellen Ende gebracht werden, was alle freute.

Wir lernen fleißig und werden jetzt üben, üben, üben. Dazu kommen das Schreiben einer Abschlussarbeit mit Präsentation und die Erstellung eines Kneippanwendungsprogramms, das wir selbst über mehrere Wochen dokumentieren werden. Dann folgen noch Klausur und praktische Prüfung, ehe wir nach weiteren Kurseinheiten unseren Abschluss machen dürfen. Vor dieser Woche waren wir alle aufgeregt – wie würden die Güsse sein, vor allem bei dem Wetter draußen? Jede Sorge war unbegründet. Sie waren großartig und haben alle in der Gruppe auf beste Weise vorangebracht. Unsere Bedenken, wir würden die vielen verschiedenen Gießmöglichkeiten niemals lernen, waren ebenso unbegründet – die Übung macht wie bei allem den Meister. Wir hoffen, dass wir jetzt mit einem gut aufgestellten Immunsystem in den Herbst starten, die Grundlagen sind bestens gelegt. Wie sagt Kneipp so schön: „Vom Gebrauch des Wassers ist kein Alter ausgeschlossen.“ Es gibt so milde Anwendungen, die auch für Hochbetagte und die Allerkleinsten wunderbar sind.

Allen einen feinen Mittwoch.

 

Kneipps Herbarium und ein paar Utensilien zur Herstellung von pflanzlicher Unterstützung im Krankheitsfall aus dem Kneippmuseum in Wörishofen.

Unübertrefflich!

Wer immer die Wirkungen des Wassers versteht und in seiner überaus mannigfaltigen Art anzuwenden weiß, besitzt ein Heilmittel, welches von keinem anderen wie immer  genannten Mittel übertroffen werden kann.

Sebastian Kneipp, 1821–1897

Die berühmte Gießkanne, mit der Sebastian Kneipp Patienten seine Güsse verabreichte.

Immer schön aktiv bleiben …

Meer und Strand! Oh ja. Manchmal wünscht man sich einfach mehr Meer. Das ist natürlich wenig sinnvoll, wenn man relativ mittig im Land wohnt und das nächste Meer so rund acht Stunden Fahrtzeit entfernt ist. Da helfen dann Steffis Fotos schon ein wenig und für diejenigen, die im Sommer am Meer waren, können sie eine Erinnerung an die eigene Wassererfahrung sein.

Wir machen derzeit andere Wassererfahrungen, nämlich auf den Spuren von Sebastian Kneipp und wir gießen mindestens den halben Tag irgendeine Körperregion. Schenkelguss und verstärkter Knieguss. Wechselguss. Abguss nach dem Saunabad. Armguss. Brustguss, Gesichtsguss, Königsguss und vieles mehr stehen auf dem Stundenplan. Jeder bekommt den Guss selbst und gießt dafür einen Kurskollegen. Wir waren selten so sauber wie in so einer Ausbildung. Dazu kurz mal die Wiederholung der Waschungen – zack, das raue Linnen in Essigwasser getaucht (leitungskalt, wie ihr wisst) und ab geht’s, nach oben, nach unten, hin und her. Alles unter Ines‘ Argusaugen und vor der gesamten Gruppe, die dann kollektiv laut einschreitet, wenn man an der falschen Stelle weitermachen will. Das ist bei der Masse Güsse und Anwendungen im Kneippschen Repertoire gar nicht so einfach. In wenigen Wochen wird die Prüfung sein und da sollten wir das alles aus dem Ärmel schütteln können.

Dazu kamen am Wochenende Didaktik und Methodik und die Aufgabe, in einer Stunde zu dritt ein flottes Referat mit diversen Medien zu gestalten. Das haben wir geschafft – erkläre in 10 Minuten die fünf Säulen der Kneipp-Lehre. Tschakka! In die zehn Minuten haben wir echt fünf Übungen reingepackt. Geht doch!

Die Herausforderung wird das Rollenspiel werden. Ein Arzt, ein Patient und ein Bademeister. Spontan vorgegebenes Thema, Darstellung mit Indikationen, Kontraindikationen und dann das praktische Anwenden. Alles so, dass sich keiner langweilt. Davor Bürstenmassagetechniken. Ich kann gar nicht sagen, wie ich mich darauf freue.

Gehirn ist ja relativ endlos dehnbar. Die Kneipp-Anwendungen sind auf jeden Fall mehr als einen Blick wert in unserer heutigen überreizten Zeit. Dazu Ines‘ Spezialität, die Original-Kneippzitate aus den Originalwerken des 19. Jahrhunderts (so man die Schrift lesen kann). Deftig, würde ich mal sagen wie beispielsweise: Beim Gießen halt’s Maul, sonst ist die Wirkung faul. Achtsamkeit auf bayerisch. Wir haben jedenfalls Spaß. So wir am Abend überhaupt noch fähig sind, erzählen wir uns unsere Lebensgeschichten und die sind allemal auch sehr spannend. Allerding stellen wir fest – alles nach 21 Uhr ist dann leider schon „too much“, wir gehen brav mit den Hühnern ins Bett, denn am nächsten Tag geht es wieder los mit Tautreten, Güsse wiederholen, ein kleines Quiz zu Pfarrer Kneipp zum Wachwerden oder irgendwelchen neuen Anwendungen, die wir testen und üben.

Diese sehr praktische Woche hat ihre Reize. Ist nur kurz seltsam, wenn man im strömenden Regen im sehr nassen Gras, von Schnecken überrascht bestaunt, steht und fühlen soll, wie die Körperwärme das Gras warm macht. Macht es. Und dann das feine Erlebnis, wie sich der Körper im Haus dann bei guter Bewegung fast wie von Zauberhand erwärmt. Tut er. Wider Erwarten. Naturwärme eben, wie der Wörishofener Ortspfarrer erfreut feststellte im Kampf gegen Weicheier und andere Folgen moderner Lebensweise.

Allen einen aktiven Dienstag mit Energie und Schwung, wie ihr es braucht, mit besten Grüßen aus dem Garten.