Yearly Archives: 2021

Staunen und wundern

Wielands Aussage „Ein einz’ger Augenblick kann alles umgestalten“ kann vermutlich jeder nachvollziehen. Wir hatten alle schon solche Momente. Die Sekundenbruchteile, in denen Dinge geschehen, die wir nicht rückgängig machen können. Die Zehntelsekunde, wo ein Schutzengel eingegriffen und uns vor etwas Schlimmen bewahrt hat. Und diese Momente jenseits von Zeit und Raum, in denen wir ehrfürchtig in der Natur standen und mit einem Schlag das Wort „Schöpfung“ begriffen.

Suchen wir die Momente des Staunens, des Wunderns. Kinder staunen den ganzen Tag, denn sie kennen noch nichts von der Welt. Wir meinen, alles „schon mal“ gesehen zu haben. Klar haben wir vielleicht schon viele Frühlinge und Herbste, Sommer und Winter gesehen. Ist das ein Argument, ihre Einzigartigkeit nicht zu würdigen? Wenn wir aus dem Staunen fallen, fallen wir auch aus der Ehrfurcht vor dem, was unseren Schutz verdient. Wer nicht stumm vor Wundern steht, fühlt sich nicht aufgerufen, sie für andere zu bewahren. Mit dem Staunen, dem Wundern gemeint ist auch das, was im Buddhismus Anfängergeist genannt wird – sieh die Dinge, als hättest du sie noch niemals zuvor gesehen. Nimm alles, als wäre es gänzlich neu. Fühl dich eingeladen, heute zu staunen, dich zu wundern (das kann man ja in viele Richtungen) und alles anzuschauen, als wäre es neu und du wüsstest noch nichts darüber.

Einen liebevollen Freitag in die Runde. Für manche enden nun schon die Urlaubstage in Bayern, die anderen starten in der zweiten Hälfte in die Ferien – allen gute Fahrt, gutes An- und Nachhausekommen.

 

DAS wird mit Sicherheit eines meiner Lieblingsfotos des Jahres von Steffi. DANKE.

Matschehirn

Virchows Wunsch nach „gescheiten Gedanken“ ist vermutlich zeitlos. Wir könnten alle mehr gescheite Gedanken gebrauchen in diesen Zeiten. Das fällt uns schwer, weil unser Gehirn gefühlt matschig wird durch den Konsum asozialer Medien, die Aufmerksamkeit heischend wie einst Tamagotchis quengeln. Haben wir uns vor Jahrzehnten über diese kleinen Nervtöter aufgeregt, sieht man heute kaum einen Menschen irgendwo ohne seinen Taschenkobold. Dem gehört die Aufmerksamkeit. Da ist kein Raum mehr für große Geistesentwürfe.

Ist uns bewusst, wie viel Zeit für diese Dinge draufgeht und wie zerstückelt unsere Fähigkeit zur Konzentration dadurch wird? Merken wir, dass wir gar nicht mehr in so ein gutes Gefühl beim Arbeiten kommen, das erst entsteht, wenn wir uns so richtig in eine Sache hineingefuchst haben und irgendwann total begeistert merken, dass wir gerade megagut vorankommen, Flow genannt? Unsere Lebensweise verhindert Flowmomente. Wir haben es in der Hand, ob wir unsere Aufmerksamkeit irrelevanten Dingen schenken und viel länger irgendwo verweilen als gut für uns ist oder ob wir uns bewusst rausziehen aus der Flut und immer wieder in die Stille gehen. Nur dort könnten wir auch mal gescheite Gedanken haben. Gedanken haben wir jeden Tag rund 60.000. Sie sind halt nicht immer gescheit, sondern erzählen uns das immer Gleiche. Ab mit uns in die Natur, die Stille, den Rückzug. Fern aller Medien, allem Geschwätz. Laden wir sie ein, die guten Gedanken.

Allen einen freudigen Jupitertag!

 

Kunst auf dem Weg durch Nordspanien. Dieses Mal ist Theresa an der Nordküste von Bilbao aus gewandert. Ein wunderschöner Weg am Meer entlang, mit vielen Aufs und Abs. Bis auf die letzten 150 Kilometer vor Santiago war wenig los auf dem Camino. Und wer da schon ein paar Mal war, muss nicht immer dort aufhören.

Gescheite Gedanken gesucht

Es wird ja fleißig gearbeitet und viel mikroskopiert, aber es müsste mal wieder einer einen gescheiten Gedanken haben.

Rudolf Virchow, 1821-1902

Impressionen von Theresas diesjähriger Jakobswegroute! Herzensdank!

Wider die Sorge

Unverhofft kommt oft. Nette Post, ein freundliches Mail – wir haben jeden Tag so viele Momente, in denen Freude aufkommen darf. Die Luft hat abgekühlt, für alle, die unter der Schwüle gelitten haben, ein Grund zur Freude. Wir brauchen jeden dieser Momente, um stark zu bleiben gegen all das, was von Außen auf uns einprallt. Keinen lassen die Bilder aus dem Ausland kalt, die uns in diesen Tagen erreichen. Meldungen, die uns in Schrecken versetzen, egal aus welcher Richtung sie stammen. Katastrophen, Unglücke, Tornados, die Häuser fressen, Menschen, die verschwinden, unerklärliche Dinge, die in uns Angst auslösen.

Und dazwischen die Freumomente. Der reife Apfel, die Beeren, die jetzt rot werden, das Wachsen der Quitten. Die Erstklässler, die bald eingeschult werden und aufgeregt auf ihren neuen Ranzen schauen. Menschen, die bald zum Monatsanfang eine neue Arbeitsstelle antreten.

Im Wartezimmer beim Arzt sah ich viele Menschen ein- und ausgehen. Eine Radiologie ist nicht notgedrungen nur der Ort guter Nachrichten. Junge Menschen mit Sportverletzungen, die hoffentlich heilen. Diagnosen, die das gesamte Leben umkrempeln. Menschen, die Kontrastmittel getrunken haben, weil im Bauch etwas zwickt und die darauf hofften, dass im CT nichts leuchtet. Eine junge Frau, die umgekippt ist und auf eine Trage gelegt und zugedeckt wurde. Ein Mann, der vergeblich versuchte, seiner Frau die Angst vor „der Röhre“ zu nehmen. Eine Seniorin, die herauskam und ihre Freundin anbrüllte: „Das ist mal ein Krach da drin!“ und die Angesprochene antworte froh: „Das ist doch gut, wenn die da lachen!“ Das war so der Moment im Wartezimmer, in dem ein spontanes Lachen aufkam und die Stimmung in Sekunden etwas lockerer wurde. Die Kraft von Lachen ist stärker als jede Angst. Ich muss immer noch lachen, wenn ich an die beiden alten weißhaarigen  Freundinnen denke. Zauberschön.

Sorgen wir dafür, dass wir jeden Tag etwas Freude auf dem Plan haben. Dass wir mit anderen gemeinsam lachen dürfen. Halten wir uns fern von vielen Medien, die uns nur Angst bescheren. Für eine gute mentale Gesundheit, die die Grundlage aller anderen Gesundheiten ist. Denn sonst behält die weise Hildegard Recht: viele Krankheiten sind heilbar aber eben nicht alle Patienten.

Allen einen freundlichen und bewegenden Merkurtag!

 

Der Mönchspfeffer wird von Bienen gern besucht.

Einfach mal nix

Sechs Tage die Woche findet ihr hier Dinge, die uns gerade bewegen, ärgern, wundern. Heute findet ihr nichts dergleichen. Nur eine freundliche Erinnerung daran, dass nichts selbstverständlich ist und ein „Nichts“ auch mal gut tut.

Allen einen tatkräftigen Marstag!

 

Von Rosa bis Lachs changiert diese Rose in unserem Garten. Stets eine Freude.

Apfelbäumchen pflanzen

Und wenn ich wüsste, dass morgen die Welt unterginge, würde ich heute noch mein Apfelbäumchen pflanzen.

 

Vermutlich nicht von Luther, trotzdem gut.

 

Mein ganzer Stolz ist mein Miniapfelbäumchen, der in diesem Jahr ordentlich vorlegt.

Bauch, Kopf, Herz

Einen Ausschnitt aus Schillers „Sprüche des Konfuzius“ haben wir vor Jahren in der Sprachgestaltung gelernt. Das fiel mir am Wochenende wieder ein, als ich meine trocken gegrillte Wäsche von der Terrasse ins Haus holte und meine Gedanken von hier aus in die Welt flogen. In die Gebiete, in denen die Hitzewelle Tausenden von alten und kranken Menschen das Leben kostet oder Brände die Existenz zerstören. In die Gebiete, in denen Krieg herrscht und Angst die Menschen verzweifeln lässt. In die Überschwemmungsgebiete und in die Häuser, denen man nicht ansieht, dass dahinter Sorgen und Ängste lauern um Angehörige, um einen selbst. Unter jedem Dach ein Ach.

Weil das so ist, dürfen wir in mancher Hinsicht auch immer wieder ein wenig getröstet sein. Wir sind nie allein mit Wut, Trauer, Angst und Sorge. Ein so großes Feld aus fast neun Milliarden Menschen kann das auffangen, wenn es grundsätzlich auf einem guten Level schwingt. Es beginnt immer bei mir selbst. Verbinde ich mein Denken, mein Fühlen und mein Wollen? Bilden Bauch- und Kopfgehirn mit der Kurve um die Herzensweisheit ein Team? Sind sie gleichberechtigt am Tisch bei unseren Entscheidungen? Können wir sie alle drei gut befragen und ihre jeweiligen Argumente wahrnehmen? Sind wir innerlich befriedet oder eher auf dem Kriegspfad? Sind wir freundlich gegen uns, damit wir es auch zu anderen sein können? Haben wir Gleichgewicht im Leben zwischen Geben und Nehmen, Stress und Erholung? Hast du genug Herausforderungen in deinem Leben, damit du wunderbar wachsen kannst, erschlagen dich die Herkulesaufgaben oder bist du gar gelangweilt in einer Sackgasse gefangen?

Es beginnt mit dir. Wohin willst du? Geh einfach den ersten Minischritt los. Wer täglich kleine Schritte tut auf seinem Weg und übt, wird schneller ein Meister als der, der viel schwätzt und auf die Siebenmeilenstiefel, das Wunder oder etwas im Außen wartet. Eine zwei Meter hohe Sonnenblume wächst nicht über Nacht, sie schiebt sich kontinuierlich der Sonne entgegen. Die Spinne spinnt ihr Netz Faden um Faden, sonst bleibt sie hungrig. Der Vogel baut sein Nest Halm für Halm. Wir denken oft „schnipp!“ und dann ist etwas geschafft. Schauen wir einfach hin, wie es die Meister regeln. Dann kannst du nachahmen und irgendwann dein Eigenes finden. Im Anfang liegt alles. Nimm den Anfang bewusst wahr und gestalte ihn. Sonst gestaltet er dich.

Allein einen erfolgreichen Wochenanfang!

 

Steffi hat mit ihrer Kamera mal wieder an ihrem Lieblingssee gezaubert. Danke!

Sprüche des Konfuzius

Sprüche des Konfuzius

Dreifach ist der Schritt der Zeit:
Zögernd kommt die Zukunft hergezogen,
Pfeilschnell ist das Jetzt entflogen,
Ewig still steht die Vergangenheit.

Keine Ungeduld beflügelt
Ihren Schritt, wenn sie verweilt.
Keine Furcht, kein Zweifeln zügelt
Ihren Lauf, wenn sie enteilt.
Keine Reu, kein Zaubersegen
Kann die stehende bewegen.

Möchtest du beglückt und weise
Endigen des Lebens Reise,
Nimm die zögernde zum Rat,
Nicht zum Werkzeug deiner Tat.
Wähle nicht die fliehende zum Freund,
Nicht die bleibende zum Feind.

Dreifach ist des Raumes Maß:
Rastlos fort ohn Unterlass
Strebt die Länge; fort ins Weite
Endlos gießet sich die Breite;
Grundlos senkt die Tiefe sich.

Dir ein Bild sind sie gegeben:
Rastlos vorwärts musst du streben,
Nie ermüdet stillestehn,
Willst du die Vollendung sehn;

Musst ins Breite dich entfalten,
Soll sich dir die Welt gestalten;
In die Tiefe musst du steigen,
Soll sich dir das Wesen zeigen.
Nur Beharrung führt zum Ziel,
Nur die Fülle führt zur Klarheit,
Und im Abgrund wohnt die Wahrheit.

Friedrich Schiller, 1759-1805

Steffi hat die ersten Herbstboten entdeckt. Danke!

Mehr vom Guten, Wahren, Schönen!

Was Euripides meinte mit der Aussage, man gleiche der Gesellschaft, in der man sich am meisten aufhält, ist heute gut belegt. Du wirst so wie die fünf Menschen, mit denen du die meiste Zeit verbringst. Wähle klug. Du kannst dich in einer Umgebung aufhalten, die dich bremst, klein hält, deinen Selbstwert zersetzt und dafür sorgt, dass du dich nach unten entwickelst. Du kannst im Umfeld dich inspirierender Menschen sein, die dich mitreißen und wachsen lassen. Kluge Menschen lassen andere im Umfeld gern mitwachsen, denn dann wird man gemeinsam immer besser und kann sich gegenseitig Rückhalt geben. Mal macht der Eine einen Schritt nach vorn, mal der Andere.

Wer alleine lebt, muss da nicht verzagen. Wenn ihr eure beste Gesellschaft seid, ist Seelenhygiene die allerwichtigste Aufgabe, damit ihr euch nicht mit meckernden, klagenden Miesepetern umgebt, der innere Kritiker mit seiner Donnerstimme euren Tag zerstört und der Zweifler an euren Nerven erfolgreich nagt. Das müssen alle anderen in Gesellschaft übrigens genauso, also nicht denken, das sei nur bei den Singles der Fall. Das Thema dürften wir alle haben.

Im eigenen Kopf und im Außen haben Jammerlappen, Meckerer, Miesepeter, Berufspessimisten, Kleinmacher und andere Wesen nichts verloren. Dass wir etwas kritisieren, kann sinnig sein, Dauerkritik nervt. Feedbackregeln gelten auch im eigenen Kopf übrigens, ebenso sind die Menschenrechte dort gültig.

Nutzt das Wochenende mal zum Beobachten – welche Menschen umgeben euch täglich? Sind die richtig spannend, ein Ansporn, ein Vorbild (jaja, auch das soll es noch geben!!!), eine Inspiration? Was gefällt euch gut an ihnen? Wen oder was wollt ihr selbst im eigenen Leben mehr einladen? Mehr vom Guten, Wahren und Schönen (Plato).

Vielleicht habt ihr auch so liebe Menschen im Umfeld – binnen 14 Tagen bekam ich zweimal liebe Päckchen von wunderbaren Menschen. Das auf dem Foto kam gestern, ein paar Tage zuvor kam schon eines an mit herrlichem Quinoa, Pistazienkernen und anderen Köstlichkeiten. Wann habt ihr das letzte Mal jemanden überrascht, und sei es euch selbst? Ehrlich – ich hab mich so sehr gefreut! Ich LIEBE Päckchen. Mega. DANKE.

Ich wünsche euch kleine und große Wunder im Leben und hoffe, dass ihr Sternschnuppen geschaut habt, sonst heute nochmal versuchen! Richtung Nordosten in der Nähe des Himmels-W werdet ihr vielleicht fündig.

Allen ein feines, frohes und friedliches Wochenende.

Trau schau wem

Vertrauen – immer wieder kommt das Wort in meiner täglichen Arbeit mit Menschen vor. Es steckt „trauen“ darin. Wem oder was trauen wir? Ich glaube, wir tun uns deshalb derzeit so schwer mit dem Vertrauen in irgendetwas, weil wir seit Monaten eine gewisse Führungslosigkeit und mangelnde Orientierung weltweit erleben. Menschen sind, um Vertrauen zu entwickeln, auf Informationen angewiesen, die ihnen ermöglichen, etwas nachzuvollziehen. Das haben wir nicht einmal ansatzweise. Wir haben keine Informationen, die eine Wirklichkeit abbilden, sondern eine Flut an Infos, deren Wahrheitsgehalt oder Quelle zweifelhaft sein können, nicht müssen.

Was bleibt in solchen Situationen, in denen im Außen so vieles unklar ist, schwimmt, keine Orientierung bietet? Rückzug ins Innere. Es beginnt mit dem Vertrauen bei uns selbst. Können wir uns selbst trauen? Wo sind wir ehrlich zu uns und anderen und wo beginnt die Schummelei, der Selbstbetrug, der blinde Fleck, den alle haben? Was in mir ist so, dass ich trauen darf? Würde ich für mich die Hand ins Feuer legen können? Das glaube ich nicht. Im stillen Kämmerlein sind alle Menschen mutig, mutieren in Krisen zum Helden und retten die Welt. Wie wir in bestimmten Situationen reagieren würden, können wir uns vielleicht ausmalen, doch wenn es soweit ist, wissen wir es nicht, wie wir handeln oder eben nicht handeln. Es bleibt also auch mir selbst gegenüber immer ein realistischer Rest an Unbekanntem, mir vielleicht Fremdem.

Vertrauen ist ein Übungsweg in unser eigenes Herz hinein. Es erwächst aus einer gewissen grundlegenden Zuversicht, dass wir im kritischen Moment das Richtige tun können. Jahre haderte ich mit dem Satz eines guten Lehrers, der mir sagte: „Lerne, dich im freien Fall wohlzufühlen. Niemals ist die Sicht besser.“ Es war eine gute Einweisung dahinein, dass wir niemals Kontrolle haben oder Sicherheiten. Später fand ich bei Rumi Ähnliches: „Leben in dem Nichts, aus dem du kommst, auch wenn du hier eine Adresse hast.“ Wie schön, dass der letzte Schwesternpodcast um das „Nichts“ ging, vor dem wir uns so sehr fürchten und das die andere Seite der Medaille von „Alles“ ist.

Wo vertraust du dir? Bist du dir deiner sicher? Weißt du, was Wahrheit ist? Wem würdest du dein Leben anvertrauen und weshalb? Würdest du dich trauen, dem Nichts zu vertrauen? Hilde Domin formulierte das einmal so: „Ich setzte den Fuß in die Luft und sie trug.“

Allen einen liebevollen Venustag voller Vertrauen.

Danke an Ursula für das Foto von unterwegs beim Wandern.

Wider den Lärm der Welt

Erstaunlich, was in diesen Tagen los ist. Im Außen sind bei uns gerade Ferien, davon ist rein gar nichts zu spüren. Es ist so vieles in krasser Bewegung. Eine Kollegin nannte das gestern „Treibsandfeeling“.

Es ist eine sehr große Herausforderung, in wilden Zeiten immer wieder in die Mitte zurückzukehren. Ohne Stille, die wir bewusst in den Tag einbauen, geht das nicht. Je lauter die Welt wird, desto stiller wird es in uns, wenn wir den Spagat zwischen außen und innen hinbekommen wollen. Natur ist hier das allererste Heilmittel. Ich nutze gern Fotos wie Steffis Seenbild. Das Wasser ist ruhig, klar, es ruht, es ist. Die Sicht ist deshalb klar, weil das Wasser ruhig ist, nichts künstlich aufschäumt, wirbelt und durcheinanderbringt.

Im Außen muss ich derzeit sehr still sein. Kehlkopfentzündung. Sprechverbot. Ganz schaffe ich das nicht, aber es ist eine interessante und gefühlt sehr überflüssige Erfahrung für jemanden, der im Grunde viel sprechen muss. Das bedeutet im Klartext, dass unsere geplanten Filmaufnahmen für Kurse erstmal geschoben werden. Okay, bei 40 Grad im Schatten im Filmstudio wäre das sehr unschön geworden. Das Inhaliergerät und ich freunden uns an. Am Telefon erschrecken die Menschen, wenn sie mein Krächzen hören und daraus entnehmen, dass sie mich bitte anmailen sollen. Dann kommt drei Mal: „Was?“ „Bitte ne Mail schicken, ich hab Sprechverbot.“ „Ach so! Können Sie mir nur kurz was …“ Erstaunlich. Also, wer derzeit etwas von mir möchte, Termine, Auskünfte etc. – bitte schickt eine Mail. Sehr nett. Danke.

Suchen wir Stille, wo immer es geht. Mit einer Tasse Tee kann man nichts falsch machen, denn „man trinkt Tee, damit man den Lärm der Welt vergisst“. Wenn man das aus einer Schale tut, die vielleicht dank Kintsugikunst aus Bruchstücken mit Hilfe von Pulvergold wieder sorgsam zusammengefügt wurde, lernt man zudem noch viel über das Leben. Wir erleben alle Brüche, Umbrüche, Zusammenbrüche, kleine und große Risse innerlich und äußerlich. Und doch gibt es etwas, das diese Brüche zusammenhalten kann. Kintsugi macht uns bewusst, dass Dinge kostbarer werden, wenn wir die Risse bewusst annehmen und integrieren. So, wie es Leonhard Cohen in seinem Song Anthem schreibt: „Es gibt einen Riss in allem, so kommt das Licht herein.“

Was, wenn alles, was derzeit im Innen und im Außen geschieht, dazu dient, dass wir die Stille wieder entdecken und inmitten dieser Stille diese tiefe Erfahrung machen können, dass durch die Risse des Lebens das Licht, das alles trägt, hereinscheint?

In diesem Sinne allen einen stillen und frohen Jupitertag.

 

Gabi nimmt uns mit auf diesen interessanten Weg auf La Palma. Dankeschön!