„Wenn die Schwalben heimwärts ziehn“ in der Fassung von Robert Schumann ist vielen bekannt, der Text stammt aus der Feder von Karl Herloßsohn. Herloßsohn war einer der Menschen, die für das Konversationslexikon Artikel schrieben. Solche Lexika sind Wunderwelten, zumindest für mich. Man sucht ein Wort und findet einen Querverweis. Dem folgt man und entdeckt eine neue Welt. Ist das nicht großartig? Mit einem Lexikon kann man ohne Ende Freude haben und Entdeckungen erleben.
Vorgestern kam dies abermals in der Praxis: Wir können nichts kontrollieren. Alles, was lebt, wird eines Tages sterben. Das ist eine harte Ansage und doch ist sie wichtig. Wir verdrängen das täglich und leben, als wäre die Reihe der zu erwartenden Tage endlos.
Deshalb immer wieder die Frage: Ist das, was ich heute tue, denke, sage relevant oder nehme ich damit mir und anderen Zeit weg? Lohnen sich Wut und böse Worte, wenn wir dagegen das Gefühl stellen, wir haben sie gesagt und sehen den Menschen, dem sie galten, nie mehr uns verbringen den Rest des Lebens mit Schuldgefühlen?
Manchmal ist Stille das Mittel der Wahl. Schön, dass das eine Klientin jetzt ausprobiert hat und begeistert war. Ein geführtes Stilleseminar für Anfänger. Sie erlebte die Stille wie einen zarten Balsam, der hüllt und schützt und birgt. Gegen den Ansturm der Gedanken gab es Übungen und auch kurze Inputs über den Tag verteilt, der Rest war Schweigen. Das ist nichts für schwache Nerven, denn wir werden dadurch massiv mit uns selbst konfrontiert. Wer sowas schon erlebt hat, kennt den Schock, der unweigerlich auftritt, wenn das Schweigen aufgehoben wird und mit einem Schlag der Raum wie eine Horde schwärmender Bienen summt. Der Schock entsteht nicht durch das Lärmen, das zeigt nur, dass nicht alle das Schweigen verinnerlicht haben, der Schock tritt auf durch die Inhalte des Lärms. Nach einer Woche Schweigen ist für manchen die wichtigste Frage, ob die anderen auch so miesen Handyempfang haben (was zeigt, dass dieser Mensch eben nicht in die Stille gegangen ist) oder dass das schon karge Mahlzeiten seien – da fällt mir nichts mehr ein.
Manchmal hat man die Stimme eines Menschen zum letzten Mal gehört, was einem dann später erst bewusst wird. Der Versuch, Erinnerungen zu sortieren, scheitert, weil Erinnerungen Trugbilder sind. Die Frage, was dieser Mensch für einen selbst war, tritt nach vorne. Interessant fand ich die Frage umgekehrt – was war ich für diesen Menschen? War ich hilfreich, stützend, liebevoll, eine Herausforderung, ein Problem? So klären sich Dinge, bekommen nach einer Zeit des Erforschens Ruhe und ermöglichen so das Loslösen. Der Tod ist hochpersönlich und ein einzigartiger Moment im Leben. Durchschreiten einer Tür, die wir einst hereingekommen sind. Der Gedanke, dass dies eine Drehtür sein könnte, hat etwas für sich.
Holen wir uns immer wieder Schweigezeiten ins Leben. Stille, in der uns klar wird, um was es wirklich geht. Wer uns wirklich wichtig ist und bei wem wir uns entschuldigen sollten, weil es nicht gut ist, Hindernisse stehen zu lassen, bis es zu spät ist. Immer wieder Stille einladen, die uns zu uns selbst führt. Wenn wir dort angekommen sind, erfahren wir, dass wir nie getrennt sind von allem, was uns umgibt. Dann können wir aus der Stille auftauchen und wissen, was zu tun ist.
Allen einen liebevollen Venustag!
Das Rotkehlchen setzte sich vor Sandras Kamera hübsch in Pose. Vielen Dank!