Eduard Mörike lebte von 1844 bis 1851 in Bad Mergentheim und lernte dort Magarethe von Speeth kennen, die er später heiratete. Einem Brief an ein Fräulein Bauer bei ihrer Abreise nach England entnehmen wir die Wertschätzung Mörikes für das Städtchen im Taubertal, in dem ich teilweise aufgewachsen bin und meine Schulzeit verbracht habe. Bad Mergentheim war von 1525 bis 1809 Dienstsitz des Hoch- und Deutschmeisters des Deutschen Ordens, das Ordensschloss zeugt davon und viele Festivitäten im Jahreslauf
In diesen Tagen sprechen viele Klienten über die Geschehnisse im Außen und die Frage, was Heimat eigentlich ist. Was ist Heimat für mich? Geboren wurde ich in Baden-Baden, doch meine Geburtsstadt habe ich nie wirklich kennen gelernt. Meine Eltern sind drei Wochen nach meiner Geburt nach Bad Mergentheim gezogen, um eine Kuranstalt zu eröffnen und weil das eine Baustelle war, kam ich erstmal in einer lieben Pflegefamilie unter, bis die Baustelle beziehbar war. Danach folgten Hotels, in denen ich als Kind herumgehüpft bin und viele Promis gesehen habe, die dort für Gastspiele genächtigt haben, Schauspieler und Sänger vor allem. Meine beeindruckendste Erinnerung waren die Wiener Sängerknaben. Weniger der Chor blieb mir in Erinnerung, sondern die Tatsache, dass ich für das Konzert natürlich schick angezogen wurde. Ein gelber Wollpullover. Gelb werde ich sicher niemals freiwillig tragen und Wolle erst recht nicht. Der Abend war ein kratzender und juckender Alptraum. Es ist gut, dass ich dank Bach später sehr versöhnt wurde mit Chören. Und ich bin kein Reisemensch geworden, denn als Kind habe ich in zu vielen Hotelzimmern übernachtet. Irgenwann zogen wir dann um, getrennt von der Arbeit und ich bekam mein erstes Zimmer.
Mitten im Deutschordensschloss betrieben meine Eltern dann viele Jahre bis zu ihrem Ruhestand ein Café, was für Kinder von Gastronomen im Klartext heißt: Es ist viel zu tun, vor allem am Wochenende und in den Ferien, da ist Hochbetrieb, auch an Feiertagen. War die Klasse im Freibad, servierten wir Eisbecher oder machten sie, um den Vater abzulösen, damit die Hand durchhält. Vermutlich stammt mein Arbeitsethos aus dieser Zeit, mir fehlt einfach die Vorstellung, wie sich Wochenenden und Ferien anfühlen. Das hatten wir nicht, denn wenn weniger zu tun war, gab es den Haushalt, den großen Garten und meinen behinderten Bruder. Wenn man so aufwächst, fällt einem nicht auf, dass das ein anderes Leben ist als das von anderen Menschen. Wenn man es damnn im Erwachsenenalter bemerkt, muss es nicht nur negativ sein. Es hat mir viel beigebracht und zusammen mit dem Ballett habe ich kein Problem mit dem Wort Disziplin. Auch da gibt es Schlimmeres.
Im Mergentheimer Schloss war auch meine Ballettschule jahrelang untergebracht. Es gab dort eine Wendeltreppe mit einer gemalten Decke. Legte man sich auf den Boden und schaute nach oben, war es, als würde man in den Himmel fliegen. Erst viel später wurde mir bewusst, was diese Mauern wohl alles gesehen und miterlebt haben.
Wenn ich auf dem Pflegeweg zu Vater und Bruder von Würzburg über die B 19 fahre, komme ich durch Giebelstadt – ein kleiner Ort, in dem Florian Geyer geboren wurde, im Bauernkrieg, der 1525 ausbrach, der Anführer des Schwarzen Haufens. Der war bekannt für seinen Verzicht auf Komfort und galt als Beispiel eines Menschen, der für seine Überzeugungen einsteht, während Götz von Berlichingen mit der eisernen Faust, nicht weit entfernt im Jagsttal zu Hause, Bekanntheit erlangte durch ein Zitat, das ihm von Goethe in den Mund gelegt wurde. Die Festspiele in Giebelstadt sind legendär, ebenso natürlich die in Jagsthausen.
Seit 1984 lebe ich in Würzburg. Ist das nun Heimat für mich? Meine Eltern brachten Baden-Baden und Bamberg zusammen, legten den Lebensschwerpunkt nach Bad Mergentheim. Ich habe im Taubertal meine Kindheit und Jugend verbracht, in Würzburg bin ich seit dem Studium. Ich glaube, mit dem Begriff Heimat verbinde ich immer einen Bücherschrank, denn das ist es, was ich an jedem Ort, an dem ich gelebt habe, als Zuflucht und Tor zu allem erlebt habe. Vermutlich bin ich deshalb auch so ein Büchermensch. Es ist für mich kein Ort mit Heimat verbunden, sondern das Erlebnis eines Buchdeckels mit Seiten dazwischen und Heimat entsteht, wenn aus den Buchstaben Worte werden in meinem Kopf.
Was bedeutet für dich Heimat? Mit welchem Dialekt, welcher Sprache bist du aufgewachsen?
Allen einen freundlichen Tag mit einem Gespür dafür, dass Heimat für Menschen eine wichtige Wurzel bedeutet im Hinblick darauf, dass viele Menschen in unserer Welt jeden Tag an vielen Orten ihre Heimat verlassen müssen.
Sina nimmt uns mit in den Wald, wie er in ein paar Wochen wieder aussehen wird, wenn die Schlüsselblumen ihre Blüten entfalten. Dankeschön!