Freitage sind spannend. In welchem Zustand werden wir Vater und Bruder vorfinden? Gut aufgestellt und positiv gelaunt oder das Gegenteil? Wie wird es ausschauen dort? Bereits beim Betreten des Hauses sehe ich, wie die Stimmung die Woche über war, ob gekocht wurde und ob das auch geklappt hat oder nicht. Beim Einkaufen dann der Versuch, das Augenmerk auf Obst, Gemüse und Salat zu legen anstatt auf den Dauerbrenner Matjesheringe. Nichts gegen Fisch, im Gegenteil, aber nicht jede Woche. Wir bringen schon immer für zwei Tage gekochtes Essen mit, damit nur warm gemacht werden muss und es dann wenigstens genug Gemüse gibt. Aber es ist anders gekocht bei uns, es schmeckt nicht wie von der Ehefrau gekocht und das löst Unmut aus. Sortieren im Kühlschrank – wurden die alten Joghurts zuerst gegessen oder die neuen von hinten vorgezogen, weil liebere Sorten? Sind genug Windeln, Katheter und Salben, Medikamente, Desinfektionsmittel und Staubsaugerbeutel da? Tropft ein Wasserhahn?
Beim Putzen sehe ich so manches, was runtergefallen, verschüttet ist. Ich checke Versorgungslisten, Urinmengen, Blutzuckertabellen und prüfe, ob alles noch ausreicht. Terminkalender prüfen – was steht an, ist alles auf dem Schirm?
Betten abziehen, saubermachen, saugen, wischen, die Wäsche der Woche bügeln. Flickwäsche einpacken, Bettwäsche mitnehmen zum Waschen. Einkaufen, alles Verräumen, Mittagessen, katheterisieren und dann ab nach Hause.
Noch geht das alles, die Blessuren des Alltags und Erkrankungen sind handhabbar. Jetzt kommen die heißen Tage und ich hoffe, dass sie genug trinken. Dank der Nierenerkrankung meines Bruders sind sie da seit 53 Jahren drauf geeicht, das müsste also gut klappen.
Alter ist echt nix für Feiglinge. Menschen, die Angehörige (vor allem mit Demenz wird es dann rasch sehr haarig) begleiten, sind oft über alle Grenzen erschöpft und müssen irgendwann entscheiden, ihre Lieben ins Heim zu geben, das sind oft unlösbare ethisch-moralische Konflikte, wenn Versprechen im Raum stehen „du musst nie ins Heim, ich versorge dich“. Andererseits haben wir oft auch sehr heftig formulierte Erwartungshaltungen Marke „Wir haben dir den Hintern geputzt, das bist du uns schuldig“ – emotionale Erpressung vom Feinsten.
Ich erlebe alle Seiten, in der Praxis, im eigenen Leben. Mittelalte Kinder, die sich fragen, ob sie wirklich alles müssen, was Eltern wollen, Schuldgefühle, Anerkennungsfragen, die nie beantwortet wurden. Erwartungshaltungen, oft auch eine totale Verkennung der Realität da draußen, die anders ist als die Welt in der Zeit, in der Frauen genötigt waren, daheim den Haushalt zu organisieren und alles zu pflegen, was krank ist, sei es Mensch oder Tier. Die Zeiten sind anders. Die Konflikte gleich. Es gibt nicht immer gute Lösungen für alle, oft sind es schwer errungene Kompromisse. Manchmal muss man ein sehr klares Wort sprechen, denn Liebe bedeutet nicht, alles zu akzeptieren. Egal, wie alt oder jung jemand ist.
Habt einen feinen Tag!
Meine zarte Queen of Sweden.