Yearly Archives: 2022

Ruhe und Einsichten

Wenn die Gedanken eines Menschen weder leichtfertig noch leichtsinnig sind, wenn sie weder halsstarrig noch dumm sondern vielmehr harmonisch sind, dann schenken sie ihm körperliche Ruhe und tiefe Einsichten.

Hildegard von Bingen, 1098-1179

Danke an Steffi für das Strandfoto aus dem Urlaub!

Gartenlied

Die schönste Epoche im Gartenjahr für Blütenfreunde beginnt. Die Rosen starten ihre Saison. Jetzt ist wieder die Zeit der üppigen Sträuße überall. Zwischendrin blühen die Erdbeeren und ich werde dieses Jahr hoffentlich einige der feinen Früchte ernten können. Die Johannisbeeren haben noch gute vier Wochen, dann ist Johanni, die Zeit von Johanniskraut, Holunderblüte und vielem anderen. Jeden Tag kann man jetzt in den nächsten Wochen seine Überraschungen im Garten erleben. Irgendwas ist aufgeblüht, etwas anderes ist fertig. Mein Beinwell war in diesem Jahr so machtvoll wie selten, tiefblau sind seine Blüten (ich hab auch einen in rosa). Irgendwas ist passiert, heute Morgen ist die riesige Pflanze umgeknickt gewesen. Auch mit Hochbinden wird das nichts mehr. Das ist tieftraurig, weil der Beinwell von vielen Insekten angeflogen wird und ich ihn wegen seiner Wuchsfreude liebe.

Die Holzbiene, das Riesengeschoss, ist schon vorbeigekommen um zu schauen, was denn die Muskatellersalbeis machen. Ich bin gespannt, wie sie es findet – ich habe ganz neu in diesem Jahr einen weißen Muskatellersalbei, ich hoffe, er gefällt ihr. Sie kommen jedes Jahr, die drei mächtigen Holzbienen (anfangs waren es vier). Der Muskatellersalbei samt sich netterweise inzwischen überall im Garten selbst aus und weil er so gern von den vielen verschiedenen Bienenarten bei uns aufgesucht wird, lasse ich ihn auch überall wuchern. Na gut, ich hätte ehrlicherweise das schreiben können: Wo der Muskatellersalbei wuchert, haben die Unkrautberge keine Chance.

Auch Gras kann schön sein (wenn man keinen Heuschnupfenpartner hat, der auf Gräser allergisch …), Quecken wiegen sich zierlich im Wind und Löwenzahn ist nur schön, wenn er auch fliegen kann. Falls jemand eine wissenschaftliche Arbeit über die Vielfalt der Beikräuter schreiben möchte – herzliche Einladung. Bei uns findest du alles, was dein Forscherherz begehrt. Zwischen Maiglöckchen (hurra, aus einer Pflanze wurden jetzt ihrer zwölf!) und Waldmeister, der wie ein weißer Teppich blüht, kannst du krasse Entdeckungen machen! Wilder Klee erobert sich den Fußweg (!), der späte Schnee hat nicht nur vier der uralten riesigen Lavendel erledigt, sondern auch meine ältesten Salbeipflanzen und vier Fünftel meines sensationellen Bergbohnenkrauts. Der Mönchspfeffer hat sich überlegt, jetzt doch die ersten Blätter zu entfalten und so manches, was gut durch den Winter kam, hat den Frost vor kurzem sehr übel genommen. Und dazwischen hat sich jetzt einiges an nicht selbst gepflanzten Sachen breit gemacht. Ich bin gespannt, wie sie blühen.

Dafür mag der Salat offenbar das schwüle Wetter und gibt Vollgas, die Bohnen schnarchen weiter mit einem Blatt und die ersten Gurken sind erkennbar. Vor dem Küchenfenster blüht mein Quittenbaumbaby, der große im Garten ist schon verblüht. Mein Traum: in zehn, fünfzehn Jahren habe ich einen mächtigen Taubertäler Apfelbaum und die Apfelquitte als Rahmen, wenn ich aus dem Fenster beim Spülen und Gemüseschnippeln schaue. Erstmals hat die Haselnuss ihre Blätter behalten, nach sieben Jahren hat sie offenbar entschieden, doch bei uns zu bleiben. Es braucht im Garten allemal Geduld. Das denkt sich auch die Hornisse, die jeden Morgen exakt um 20 nach 8 ins Wohnzimmer fliegt, um sich den Rolladenkasten genauer anzuschauen. Das erste Wespennest im Briefkasten haben wir sicherheitshalber weggemacht, man weiß ja nie, welche Folgen das hat.

Seit der Vollmondnacht weiß ich, dass der grandiose Saustall im Herbst, den wir nicht weggeräumt haben im Garten, eine Igelfamilie beherbergt, die nächtens schneckensammelnd durch den Garten wuselt. Ich wusste, dass das Chaos auch Vorteile haben muss! (Das dient mir forever als Entschuldigung) Auf jeden Fall sorgen wir hier für eines – Vielfalt. Oder wie es der morgendliche Hunderundenlieblingsmensch meint: „Ihr Garten: Was alles auf so eine Fläche passt! Bei uns ist es immer aufgeräumt, meine Frau mag das nicht, wenn irgendwo Unkraut ist. Ich finde es toll, dass es bei Ihnen keinen sichtbaren Boden gibt!“ Wie auch, bei den Quecken und dem Klee! Ich nenne es „Anfangsstadien der selbstständigen Permakultur“.

Habt es fein und feiert die Rosen! Rosen und Katzenminze in Verbindung mit weißen Sommerastern, garniert von zarten Gräsern, eine Spinne seilt sich ab, die Hummeln tanzen mit Pollenhöschen und die Bienen queren –  genial. Von drinnen. Monsterallergiker mit Garten – puuh.

Ehrenwertes Vergnügen

Dieser Ort sei dem ehrenwerten Vergnügen gewidmet, das Auge zu erfreuen, die Nase zu erfrischen und den Geist zu erneuern.

 

Erasmus von Rotterdam, ca. 1466-1536

Im Garten ist es endlich bunt!

Stimme, Stimmung, Stimmigkeit

„Der Mond ist aufgegangen“ – ich weiß nicht, wie viele Tausende von Malen wir das als Kinder gesungen haben. Als ich klein war, war ich einige Male in Kinderheimen. Meine schönste Kinderheimzeit (und das als bekennender Meerfan) hatte ich in Fischen im Allgäu. Dort waren wir in einem gemütlichen Holzhaus untergebracht, im Hof ein riesiger Baum.

Am Abend saßen wir um den Baum herum und haben gesungen. Während die Luft vom Heugeruch erfüllt war, weil überall die Diemen standen (die Gestelle, auf denen man das Gras früher getrocknet hat), den Mond über uns, Grillen zirpten und wir kuschelten mit Wolldecken eingemuckelt auf den Bänken unter der Linde, sangen wir ein Lied nach dem anderen, bis ins die Augen zufielen nach einem langen Tag an der frischen Luft zwischen Kuhweiden, kleinen Bächen und Liegezeiten.

Bis heute liebe ich es, wenn Menschen miteinander singen! Am Johannifeuer beispielsweise oder in manchen Kursen, wenn am frühen Morgen alle versuchen, „lerchengleich“ „Ein heller Morgen ohne Sorgen“ zu intonieren und man eher den Eindruck hat, dass es bis zum hellen Morgen noch gut dauern könnte. Viele Menschen möchten gar nicht mehr singen. Das ist traurig.

Damit nehmen wir uns etwas Wichtiges weg. Stimme hat viel mit Stimmung zu tun. Wer singt, erhebt auf eine respektvolle, schöne Weise seine Stimme und muss nicht anderweitig laut werden. Singen schüttet Oxytocin aus, das Bindungshormon, weshalb es glücklich macht. Wer singt, bringt sich „in die Ordnung“, denn Lieder haben Melodien und Texte, denen man folgt. Mehrstimmig singen heißt, aufeinander lauschen. Wahrnehmen, wo die anderen gerade sind. Singen ist Danken, Lobpreisen und in sich selbst nach Hause kommen.

Froh zu sein bedarf es wenig – probiere es einfach mal aus. Singe das ein paar Mal und schau, wie du dich fühlst. Du kannst auch den „Körperzellenrock“ testen, „Jede Zelle meines Körpers ist glücklich“ – es ist tatsächlich ein Ohrwurm und wirkt. Mantren bringen Menschen seit alten Zeiten in die Mitte und stellen sie unter den Schutz der geistigen Welt. Auch das Christentum kennt Mantren wie Kyrie eleison. Das kürzeste Mantram (und vielleicht eines der wirksamsten als Heilmittel für unsere Zeit) wäre „Danke“ (und du erfindest tausend Melodien dazu).

Allen einen fröhlichen, singfreudigen Wochenteilungstag.

 

Steffi hat diesen wahrhaft atemberaubenden Himmel mit den Palmen wie Scherenschnitte in der Dominikanischen  Republik aufgenommen. Von Herzen Danke und Grüße zu dir!

Der Mond ist aufgegangen

Der Mond ist aufgegangen,
Die gold’nen Sternlein prangen
Am Himmel hell und klar.
Der Wald steht schwarz und schweiget,
Und aus den Wiesen steiget
Der weiße Nebel wunderbar.

Wie ist die Welt so stille
Und in der Dämmrung Hülle
So traulich und so hold!
Als eine stille Kammer,
Wo ihr des Tages Jammer
Verschlafen und vergessen sollt.

Seht ihr den Mond dort stehen?
Er ist nur halb zu sehen
Und ist doch rund und schön:
So sind wohl manche Sachen,
Die wir getrost belachen,
Weil uns’re Augen sie nicht seh’n.

Wir stolzen Menschenkinder
Sind eitel arme Sünder
Und wissen gar nicht viel.
Wir spinnen Luftgespinste
Und suchen viele Künste
Und kommen weiter von dem Ziel.

Gott lass‘ dein Heil uns schauen,
Auf nichts Vergänglich’s trauen,
Nicht Eitelkeit uns freu’n!
Lass‘ uns einfältig werden
Und vor dir hier auf Erden
Wie Kinder fromm und fröhlich sein!

Woll’st endlich sonder Grämen
Aus dieser Welt uns nehmen
Durch einen sanften Tod!
Und wenn du uns genommen,
Lass‘ uns in Himmel kommen,
Du unser Herr und unser Gott!

So legt euch denn ihr Brüder,
In Gottes Namen nieder;
Kalt ist der Abendhauch.
Verschon‘ uns, Gott! mit Strafen
Und lass‘ uns ruhig schlafen!
Und uns’ren kranken Nachbarn auch!

Matthias Claudius, 1740-1815

Ganz klappt das Handyfotografieren nachts nicht bei mir, aber der Mond ist in diesen Nächten durchaus bewundernswert.

Aus alten Zeiten

Großmut ist als Wort aus unserem Wortschatz fast vollständig verschwunden wie viele andere Begriffe auch. Wir haben eine Sprachverarmung, Wortschwund. Schade.

Was sind deine Lieblingsworte, die fast veschwunden sind?

Kennst du noch lindglatt, Schlawiner, Lotterbube, Spitzbub, saumselig, stummvergnügt, Firlefanz, Potzblitz, Pfannkuchen, Schlafittchen, Unfug, Tausendsassa, Brimborium, Mumpitz, Backfischalter, Ei der Daus, Gedöns, Gosse, Fressalien, Kauderwelsch, Hanswurst, Hupfdohle, Maloche, Purzelbaum, Kinkerlitzchen – und viele mehr? Wir schreiben nicht mehr: „erwiderte er, gab sie zurück“. Wir haben Emojis. Mein Lachemoji auf dem Handy sieht aus, als wäre es ein zähnefletschendes Raubtier. Aber vielleicht bedeutet es genau das und ich habe es nur falsch verstanden.

Sprache ist Leben und wirkt. Je weniger abwechslungsreich unsere Sprache ist, desto ärmer werden wir im Denken. Wer gut und weit denken möchte, braucht ein weites Sprachfeld. Wie bekommt man das? Durch Lesen. Lesen macht schlau. Milton Erickson, der großartige Hypnotherapeut, wurde „Dictionary“ genannt, weil er aufgrund seiner Legasthenie das Lexikon las und sich so die Grundlage für seinen riesigen Wortschatz erarbeitete. Wer liest noch ein Lexikon! Das habe ich als Kind am liebsten gemacht bei Regenwetter. Auf dem Boden liegen, Kekse essen und das Wörterbuch durchgucken, von einem Stichwort zum anderen. Mal ganz unter uns – das mag ich immer noch. Ich entdecke jedes Mal eine Menge Dinge, die ich nicht wusste. Ist das nicht einfach phänomenal?

 

Allen heute einen Tag mit Entdeckungen von Worten, die wir noch nicht kannten. Was ist dein allerliebstes vergessenes Wort?

 

Steffi hat diese zauberhafte farbenfrohe Pflanze in der Dominikanischen Republik entdeckt. Danke für das Bild!

Großmut

Großmut findet immer Bewunderer, selten Nachahmer, denn sie ist eine zu kostspielige Tugend.

Johann Nestroy, 1801-1862

Danke an Ursula für dieses wunderschöne Foto!

What’s on here

Was für ein Wochenende! Die angehenden Cardeatherapeuten sind in ihren letzten Ausbildungsteil gestartet – Hypnotherapie, und haben ihre ersten Schritte gemacht in diese wunderbare Welt. Am Sonntag dann Aufstellungen. Für mich ist es nach wie vor eine der wunderbarsten Arbeiten. Tiefe Friedensarbeit der besonderen Art, denn wir bringen in Systeme Ruhe, es können viele Ereignisse neu und anders angeschaut werden, die Klienten, die aufstellen, haben tiefe Einsichten, aus denen  neue, andere Handlungsimpulse entstehen können.

Ich freue mich auf eine spannende Woche. Ein Coaching liegt vor mir mit einem großen Team, ich lerne neue Klienten kennen und am Wochenende sind Filmtage fürs Nautilusprojekt. Die Homepage wird im Hintergrund aktualisiert, damit wir euch die Infos zu Nautilus zur Verfügung stellen können. Viele von euch haben den Trailer schon gesehen, damit wir ein Feedback haben – hach, ich danke euch. Bald kommt er für alle ins Netz!

Im Juni ist unser erstes Präsenzseminar zum Thema „Schlafstörungen und Stress mit einfachen Kneippanwendungen angehen“. Kneipp ist so genial – kurz, knackig, einfach, für jeden anwendbar, kostet fast nix und wirkt super. Seit einem guten Jahr sind wir ja richtig gut dabei und haben im Herbst unseren Kneipp-Gesundheitstrainer abgeschlossen, so dass wir unser Wissen auch gut weitergeben können. Das freut uns. Ihr seid herzlich eingeladen. Wer mitmachen will am 20. und 27. Juni, kann sich direkt hier anmelden: https://www.seelengarten-krokauer.de/aktuelles/#kneippseminar

Am 16. September starten wir den nächsten Ausbildungsgang Heilpraktiker für Psychotherapie als Online-Präsenzkurs, das heißt, der Kurs ist live, aber online, ihr könnt also wie im Präsenzunterricht Fragen stellen und euch auch direkt untereinander austauschen. Wer nicht bis September warten will – wir haben auch eine Onlineausbildung, mit der ihr jeden Tag starten könnt. Wer im September mit dabei sein mag, kann sich schon anmelden.

Kommt gut in die neue Woche, in der es ja wettertechnisch richtig heiß und teilweise stürmisch werden soll. Hoffen wir, dass wir am Wochenende alle gut durchgekommen sind.

 

Ein zauberhafter Blick durchs Hoftor, von Ursula aufgenommen. Dankeschön!

Großes Herz

Um das Tragische und das Komische im Leben zu sehen, dazu gehört ein großes, warmes Herz.

Emanuel von Bodman, 1874-1946

Ursula hat dieses wunderschöne Tropfenfoto gemacht! Danke dir!

4000 Wochen

Mark Twain kannte sich aus mit Garten. So ist es hier auch. Da der Garten derzeit wieder bedingungslos vor dem kapituliert, was von allen Seiten auf ihn eingesamt ist, versuchen wir es gar nicht wirklich, botanisch exakt vorzugehen. Allerdings kann es dann schon sein, dass ich einen Anfall bekomme, wenn eine Pflanze, für deren Erwerb ich mitunter Jahre der Recherche unternommen habe, vom Diplombiologen der Familie als „brauchen wir vermutlich nicht“ mitentsorgt wurde. Argument: „Das hing so eng mit den Quecken zusammen, ich dachte, das sind auch Quecken“.

Nun gut. Bei der Menge Grün draußen kann das mal passieren und wir können ohnehin nur höchst summarisch agieren.

Am Wochenende wird’s wenig mit Garten, es ist das erste Kurswochenende im Themenblock Hypnotherapie und wir starten mit Milton Erickson, ich freue mich riesig. Am Sonntag haben wir spannende Aufstellungen. Für mich eine Form tiefster Friedensarbeit. Wenn ihr auch mit dabei sein wollt, Frieden in euren Systemen zu schaffen – die nächsten Aufstellungen sind am 26. Juni, 18. September, 23. Oktober und 11. Dezember! Wir vergeben die Termine durchaus schon, Anmeldung macht also viel Sinn.

Ich muss erst noch ein wenig was verdauen. Im Newsletter von Anja Förster und Peter Kreuz las ich am Freitag, dass wir bei 80 Jahren Lebenszeit gerade mal 4000 Wochen haben. Ich meine, wie schnell rast so ne Woche durch und bei 4000 ist so gefühlt Ende. Mich hat das sehr, sehr bewegt und wach gemacht. Okay, ich habs ja nicht so sehr mit Alter und Altern, doch durch solche Momente fällt mir wieder auf, wie kostbar für mich doch Zeit ist (wie für alle) und vor allem wofür ich sie einsetzen mag. Da bin ich erst recht dankbar, dass wir hier so gute Arbeit tun dürfen mit und für Menschen.

Nächstes Wochenende werden wir wieder filmen, das Nautilusprojekt wächst hinter den Kulissen. Freude kommt da durchaus sehr oft nach oben.

Allen ein wunderschönes Wochenende!

Ferien im Kopf

Spätestens im Mai, wenn hier alles blüht und grünt, würde ich mich am liebsten ins Auto setzen und nach Arlesheim fahren, meinem absoluten Kraftort. Da merke ich dann, wie der Winter war, ob ich mit guten ausreichenden Kräften ins Frühjahr starte oder eben nicht. Dann schaue ich mir die Fotos vom Goetheanumsgarten, dem erstaunlichen Bauwerk selbst und dem Garten der Ita Wegman Klinik in Arlesheim an, das ist ein echter Kraftspender. Ich stelle mir vor, wie Menschen in Basel tief beeindruckt vor Böcklins Toteninsel stehen, ab wann wohl die Basler ihre Wickelfische (das sind die Schwimmrucksäcke, in denen man seine Kleider und Utensilien verstaut, umhängt und leuchtend im Wasser gesehen wird) erstmals für die neue Schwimmsaison packen, in Basel Stadt ins Wasser steigen und weit mitgenommen werden von der Kraft des Flusses. Ich sehe den Tinguelybrunnen vor dem Basler Stadttheater, an dem Platz, an dem früher die Freilichtbühne war, die Figuren im Brunnen, in ständiger Bewegung, wie einst die Schauspieler agierten. Ich rieche den Tee im Tee Huus im kleinen Hinterhof und stelle mir vor, wie die Menschen im Café Schießer im ersten Stock aus dem Fenster aufs Rathaus blicken, ihren Kaffee trinken und dazu ein Gipfeli essen oder sich ein paar selbstgemachte Pralinen wählen.

Ich gehe in Gedanken die Wege durch das Naturschutzgebiet der Eremitage und erinnere mich an ein Schild dort mit „ab uffd Sogge!“, dass in der Schweiz nichts für die Katz, sondern für d’Füchs ist und ich es liebe, wenn man mich fragt: Ischs guet gsi?

Jedes Jahr denke ich: Jaaaa, aber wenn man nur Basel, Dornach und Arlesheim kennt, hat man ja von der genialen Landschaft der Schweiz nix gesehen – richtig. Weshalb wir es einmal bei ungelogen 37 Grad im Schatten bis Zürich geschafft haben, um den ganzen Tag total erledigt auf einem Schiff über den Zürichsee zu gondeln, um der Hitze zu entgehen. Was jetzt nicht heißt, dass wir die traumhaften Berglandschaften und Seen besucht hätten. Und ich denke: Eigentlich will ich ans Meer!

Schauen wir, was sich ergibt an Auszeiten. Die brauchen Körper, Seele und Geist und müssen so eingeplant werden, dass sie nicht verhandelbar sind. Ohne Pause kein Output, der vernünftig ist. Pause bedeutet nicht zwangsläufig Input, sondern Nixtun. Was daheim oft nicht klappt, denn da sieht man den Chaosgarten, die Bügelwäsche und Küchenschränke, die ausgewaschen werden wollen.

Nur im guten Wechsel von An- und Entspannung entsteht gesundes Sein, beugen wir Ausbrennen und Krankheiten vor. Licht, Luft und Sonnenschein sind Lebenselixiere. Frage: Hast du genug davon?

 

Eines der Treppenhäuser im Goetheanum. Die reizen jedes Mal zum Singen, weil der Klang so genial ist.

Kraft finden

Ich kann in mir die Kraft finden, einen höheren Menschen aus mir erstehen zu lassen.

Rudolf Steiner, 1861-1925

Ist das nicht erstaunlich, wie die Farben der Pflanze mit der Vorhangfarbe zusammenklingen? Vermutlich war das nicht die erklärte Absicht des Gärtners der Ita Wegman Klinik und dennoch ist ein gemeinsamer Klang entstanden.

Dorf und Stadt

Max Dauthendey ist in Würzburg geboren. Dass Würzburg am Gutshof Neue Welt mal eine Künstlerkolonie hatte, ist wenigen bekannt. Würzburg hat stets viele Menschen angezogen. Als Kind war es für mich die „Großstadt“, in die man wenige Male im Jahr fuhr, wenn größere Anschaffungen anstanden. Der Lärm war für meine Dorfohren ungeheuerlich, vor allem das Geklingel der Straßenbahnen, das Hupen der Autos und die unglaublich vielen Kirchenglocken. An jeder Ecke eine Kirche, darüber thronte majestätisch die Festung, auf dem nächsten Hügel das zierliche Käppele und dann dieser Riesenkasten von Residenz! In der Kaiserstraße fuhren scheppernd Autos, Magnolien blühten vor dem Bahnhof und dort gab es einen riesigen Brunnen. Kindheitseindrücke. Stets dabei die Brandstätterhörnchen und der Granatsplitter, der uns Kindern den Bauch für den Rest des Tages  füllte, auf dem Marktplatz wurde darüber noch eine Geknickte gepackt. Derart futtersediert konnten die Eltern einkaufen und wir Kinder waren ohnehin eindruckserschlagen.

Im Studium lernte ich ein anderes Würzburg kennen, das „wie komme ich am schnellsten mit dem Rad vom Sanderring zum Hubland“. Die Nachtwege von der Uni nach Hause durch den Ringpark. Die erste Begegnung mit einem Leben am Fluss, der nicht zum Schwimmen da war, sondern eine Schifffahrtsstraße darstellte. Katakomben der Juristenfakultät, vollgestopft mit Büchern, am Wittelsbacherplatz die Holzklapptische im Hörsaal knarzten vor Alter. Das damals moderne Hubland mit Noppenfußboden und der Spaß, sich eine Suppe aus dem Kaffeeautomaten rauszulassen und zu wissen, dass der nächste, der nur einen Kaffee wollte, die zwei Dekoschnittlauchrollen im Kaffee finden würde, die bei der Suppe nie dabei waren.

Jetzt sind es bald 40 Jahre, in denen wir hier sind, Sechs Umzüge haben wir hinter uns mit Erfahrungen verschiedener Viertel. Hier oben auf dem Berg, fernab der Stadt, ist es modern dörflich mit Straßenbahnanschluss, Naturschutzgebiet und stetem Wind. Wir haben Spaß daran, Würzburg als Touristen zu besuchen – mit Residenzführung, der Fahrt mit dem Bähnchen, ein Gang mit dem Nachtwächter durch die Innenstadt, Museumsbesuche. So lernen wir immer wieder die Stadt neu kennen. Gehen Wege, auf denen Dauthendey, Matthias Grünewald, Röntgen, Werner Heisenberg, Balthasar Neumann, Tilman Riemenschneider, Walter von der Vogelweide, Beatrix von Burgund, der heilige Kilian, Albertus Magnus, Petrini, Tiepolo und Siebold gingen. Historischer Boden, Heimat für viele Menschen über die Jahrhunderte, Freud und Leid auf jedem Meter greifbar.

 

Typisch für Franken – Weinbergsausblicke wie dieser, den Sigrid im Bild festgehalten hat. Danke dir!

Maiengrün

Am Berg wärmt die Sonne das Maiengrün

Am Berg wärmt die Sonne das Maiengrün
Und selbst der alltägliche Himmel will blühn.
Er wird stündlich größer und tiefer und kühn,
Zieht Bäume und Menschen zu sich hinauf.
Aller Sehnsucht fällt wie ein Schuss aus dem Lauf,
Und Keiner hält mehr die Liebe auf.

Max Dauthendey, 1867-1918

Stephanie hat diesen blühenden Baum vor einem grandiosen Blau fotografiert. Danke dir!