Monthly Archives: Juli 2024

Ich fühle wie verzaubert …

Ich fühle wie verzaubert

Im Weltenschein des Geistes Weben

Es hat in Sinnesdumpfheit

Gehüllt mein Eigenwesen

Zu schenken mir die Kraft

Die ohnmächtig sich selbst zu geben

Mein Ich in seinen Schranken ist.

Der Wochenspruch aus dem anthroposophischen Seelenkalender von Rudolf Steiner für diese Woche.

Lieben Dank an Beate für das tolle Foto!

Im Schlafanzug geht auch

Manchmal ist das Gehirn wie leer. Im Vorfeld war viel zu tun, viel Wallung außenherum und dann kommt so ein Punkt, da sind die Termine überschaubar, kann man aufräumen, sortieren, nachtragen und was ist? Hirnleere. Man sitzt da und schaut in die Teetasse und sagt sich – wenn ich jetzt nicht pflegen müsste, würde ich heute einfach mal einen Schlaftag machen. Einfach so, weils nötig ist. Da lacht der Pflegling, weigert sich, die kurze Hose anzuziehen, weil er findet, dass er heute eine dicke warme lange braucht, bittet um sein Spielzeug und versteht nicht, wie man auf die Idee kommt, an einem weiteren extrem schwülen Tag, an dem sich Aufgeschobenes stapelt, nicht aktiv durchs Haus hüpfen zu wollen. Na gut. Kompromiss war eine Schlafanzugshose – lang genug für ihn, dünn genug für mich. Nun sitzt ER im Schlafanzug, baut seine Puzzles und ich stelle fest, dass er durchaus die Fähigkeit hat, einen auf den Fokus des Tages hinzuweisen. Ja, der Kaffee kommt auch sofort. Sekunde noch. Hab mein Hirn gerade erst wieder aufgefunden und eingelegt. Und es meldet – dann gehen wir halt heute Abend früher ins Bett. Das reicht auch. Hope so.

 

Ab und an ist es schön, sich in Gedanken an den Strand zu begeben. Christoph hat das in Skye getan, Danke für das Bild!

Aufstellungssonntag

Aufstellungssonntag – das ist eine so tief berührende und bewegende Arbeit! Nicht nur, dass Menschen viele Erkenntnisse haben, für mich ist das oft eine Friedensarbeit im Hinblick auf unsere Ahnenreihe. Wir wissen wenig vom Leben unserer Vorfahren, was sie geprägt hat, warum sie waren, wie sie waren. Manche Menschen vermissen wir schmerzlich, bei anderen geht es leichter. Gelegentlich erkennen wir die Bedeutung, die andere Menschen in unserem Leben haben, erst, wenn sie nicht mehr da sind – nicht umsonst ist das „Memento mori“, das „Bedenke, dass du sterblich bist“ so wichtig für uns. Unter diesem Aspekt gestalten wir manche Worte anders, verzichten auf manchen Zwist, Streit und Hass, weil er letztlich uns selbst treffen kann. Bei Aufstellungen erkennen wir nicht selten sogar die Macht von Gedanken – sie besitzen tiefgreifende Wirkungen auf uns und andere. „Achte auf deine Gedanken“ – vielleicht magst du diesen Gedanken und seine Folgen mit in deinen hoffentlich wunderschönen Freitag nehmen!

 

Man kann mit Menschen aufstellen, mit Kissen, Zetteln, Figuren – jede Art hat ihre eigene Qualität.

Wohin der Weg dich führt

Wohin führt uns unser Lebensweg? Wir wissen es nicht. Wir machen Pläne, das Leben hat andere – wenn wir zurückschauen, erkennen wir vielleicht so manche Weisheit des Schicksals in Bezug auf die Wege, die wir dann genommen haben.

Was nimmst du wahr?

Der Genter Altar der Gebrüder van Eyck – ein Semester lang habe ich mich im Studium mit diesem Werk und anderen der van Eycks befasst. Wir wurden darin geschult, jeden Pinselstrich genau zu betrachten, um zu entscheiden, von wessen Hand er gemalt wurde – ein Schülerwerk? Ein Meisterwerk? Zu welcher Zeit? Der Wurf der Falten gab Hinweise auf die Entstehungszeit, ebenso die Bewältigung perspektivischer Fragen und vieles mehr. Während des Studiums dachte ich manchmal – wofür brauche ich denn im späteren Leben sowas?!

Heute weiß ich es. Ich bin es gewohnt, auf Details zu achten. Auf Blicke, auf Gesten, Mikrobewegungen. Zwar nicht mehr in Bezug auf Kunstwerke (wobei – doch!), sondern Menschen. Waren es früher Datierungsfragen, sind es heute Fragen nach Zustand, Geschichten, Erlebtem. Spurensuche im Lebendigen. Ein Geschenk, welche Geheimnisse und Rätsel nicht nur in der Kunst, sondern auch im Alltagsleben verborgen sind. Menschen sind so großartige Wundertüten!

 

Was kannst du beobachten, wenn du andere Menschen siehst? Erkennst du Kollegen an ihrem Gang? Schaust du hin oder darüber hinweg und nimmst wahr oder eben nicht?

 

Theresa hat den Genter Altar besucht. Danke für das Bild!

Fraktale, Fokus, Fülle aller Art

Draußen Hitze. Drinnen spannende Themen. Ein Mann, der einen gigantischen Marathon an Herausforderungen in den letzten Monaten absolviert hat und nun – die großen Baustellen sind geschafft – in die totale Erschöpfung gerät. Eine Frau, die alles für ihre Arbeitsstelle und die Familie gegeben hat und jetzt zum 60. Geburtstag die Kündigung bekommen hat und sich fragt – was will ich nun tun? Eine Prüfungskandidatin, deren Nerven blank liegen, dabei hat sie ein großartiges Wissen und eine wahre Begabung für ihren Wunschberuf. Eine Mutter, deren Kind sehr sensibel ist und mit seinem Schulalltag struggelt und den Familienalltag aufmischt. Das Leben mit seinen Irrungen und Wirrungen. Einzelschicksale und doch bewegen viele Menschen ähnliche Themen. Wie lösen wir die Knoten unseres Lebens?  Wie finden wir Wege aus Krisen? Spannende Interviewfrage gestern für die Zeitung „Kann der Compoundeffekt allen Menschen nützlich sein?“

Jeder ist individuell, muss seinen Lebensweg auf seine eigene Weise abschreiten, die Themen angehen und dennoch gibt es vieles, was für alle gilt. Wir müssen alle sterben, atmen und etwas trinken. Der Rest ist unterschiedlich. Wir gehen alle von unterschiedlichen Punkten aus los auf unserem Weg durch die Welt und haben verschiedene Ziele und Routen. Die einen sind super Kletterer, die anderen schwimmen lieber und die dritten gehen Schritt für Schritt in großer Ruhe. Es gibt kein richtig oder falsch, nur die Ermutigung – mach es auf die dir mögliche beste Weise.

 

Hab einen spannenden Tag voller froher Überraschungen.

 

Ein Farn als Fraktal – aus den Blattspitzen wachsen Minifarne.

Freunde

Neulich haben wir den Bücherschrank regalweise von vorne fotografiert, um zu überlegen, ob die Sortierung sinnig ist. Bei der Menge (das ist nur einer, wir haben noch eine Bücherwand) ist das ein logistisches Wagnis, weil ich Bücher blind greifen können muss. Seit dem letzten Umräumen vor drei Jahren finden meine Hände Bücher bis heute nicht, das dauert Jahre bei mir. Thematisch geht aufgrund der Regalhöhe nicht immer und zudem steht alles zweireihig (was der doppelten Menge Fotos entspräche). Photoshop hat witzigerweise alles in ein einziges Bild gepackt und das kommt doch meiner Vorstellung, über ein langes Feiertagswochenende in einer riesigen Buchhandlung eingeschlossen zu werden, recht nahe. Fehlen nur noch Tee und Kekse. Bücher wiederlesen macht durchaus Freude. Bei manchen habe ich das so oft gemacht, dass sie nur noch doch Klebestreifen zusammenhalten. Bücher sind Freunde fürs Leben.

 

Ausnahmemomente

Das ältere Kind ist zu Besuch und so konnte ich am Wochenende endlich an einen meiner Kraftorte fahren, den Benediktushof in Holzkirchen, gemütlich einen Kaffee trinken, den tollen Japangarten genießen, in der Buchhandlung stöbern und im Hofladen. Das sind Kraftmomente im Alltag, die einfach schön sind. Menschen, die nicht ans Haus angebunden sind aus irgendwelchen Gründen (bei mir ist es ein Pflegefall) können sich nicht vorstellen, wie es ist, nicht weg zu können. Für die meisten ist es normal, mal einen Kaffee trinken zu gehen, ein Museum zu besuchen, irgendwohin zu fahren oder Essen zu gehen. Solche Stunden sind Kostbarkeiten und ich bin sehr dankbar, dass das möglich war. Ein gutes Stück Chaos im Garten ist ebenfalls wieder geschafft. Am nächsten Wochenende ist Aufstellungswochenende – ich freue mich!

Gedankentraum

An Sinnesoffenbarung hingegeben

Verlor ich Eigenwesens Trieb

Gedankentraum, er schien

Betäubend mir das Selbst zu rauben

Doch weckend nahet schon

Im Sinnenschein mir Weltendenken.

Wochenspruch aus dem anthroposophischen Seelenkalender von Rudolf Steiner

Hilflosigkeit

Hilfloses, das Hilfe erwartet und deshalb schrecklich ist, das ist ein interessantes Bild, das Rilke uns vor das Seelenauge stellt. In der Praxis erlebe ich oft Hilflosigkeit. Sie äußert sich als Aggression, als Schweigen, als Rückzug in die tiefsten Innenhöhlen oder als Anklage, als Opfergesang und anderes. Wir sind alle so verbogen, dass wir Hilflosigkeit als Schwäche betrachten und es nicht wagen, um Hilfe zu bitten. Würden wir das tun, wären wir offenbar selbst unfähig, etwas zu erledigen.

Hilflosigkeit ist ein Gefühl, das jeder kennt. Manchmal tritt es auf, weil etwas zu schwer zum Tragen scheint, weil wir uns in die Ecke gedrängt, ertappt oder ausgeliefert fühlen. Es wäre so viel einfacher für uns alle, wenn wir uns klarmachen: Hilflos sind wir letztlich alle immer wieder. Es erfordert Mut, sich ein Herz zu fassen, um Hilfe zu bitten und damit klarzukommen, dass sie nicht immer auch gewährt wird. Wenn wir uns das mehr  trauen, können wir auch leichter Hilfe anbieten und es wäre für die Helfenden nicht so ein Eiertanz. „Schatz, rate wie ich mich fühle“ – das ist selten erfolgreich. Mund aufmachen, sagen, was ist und dann kann der angesprochene Mensch antworten. Wer bittet, bekommt öfter etwas als gedacht übrigens, denn Helfen ist im Menschen innewohnend, weil es gut tut.

 

Allen ein freundliches, hilfsbereites Wochenende.

 

Treppen mit Schrift – faszinierend. Hier mit Goethe.

Prinzessin

Vielleicht sind alle Drachen unseres Lebens Prinzessinnen, die nur darauf warten, uns einmal schön und mutig zu sehen. Vielleicht ist alles Schreckliche im Grunde das Hilflose, das von uns Hilfe erwartet.

Rainer Maria Rilke