Langeweile – herrliches Wort. Während ich ein paar Tage im Krankenhaus war, konnte ich nicht lesen, 24 Stunden am Tag wenig zu tun. Was für ein Geschenk! Fensterplatz – Glückstreffer. Menschen beobachten, Blick auf den Stadtring, Tag und Nacht Autos, Züge, endlose Güterwaggons und Tausende von Menschen, die sich nicht bemerkten. 98 Prozent mit Handy in der Hand, die meisten auf dem Weg von oder zur Arbeit im Krankenhaus. Patienten, die man daran erkannte, dass sie panisch aufs Handy schauten und ihre Klinik suchten, während sie das Navi führte (Hunderte Schilder stehen an der Straße, die Klinik hat einen Lageplan). Sie rannten aneinander vorbei und bemerkten nicht, dass eine weinende Frau am Rand stand. Keiner sprach sie an, keiner bot Hilfe an.
In Warteräumen, auf der Station, im Zimmer: Alle hatten Bildschirme vor der Nase. Früher redete man im Krankenzimmer miteinander, tauschte Freud und Leid aus, kannte sich nach einigen Tagen gut, nahm Anteil, lernte Familie kennen. Heute kommt kaum Besuch, weil alles via Facetime läuft. Man sieht sich ja, das reicht. Ich habe kleine Kinder gesehen, die den Tag am Bildschirm switchten und das Angebot der Erzieherinnen, in den Spiel- und Bastelraum zu kommen, ablehnten. 24 Stunden online, selbst am Wasserspender noch. Bedenken wir, was wir für ein Einsamkeitsproblem im Land haben! Hilfsnetzwerke sollen das auffangen, dabei wäre es ganz einfach. Handy aus der Hand legen und ins Gespräch gehen. Wir trauen uns das nicht mehr zu. Virtuell ist vieles einfacher, glauben wir. Nicht angreifbar sein, weil menschlich. Ghosten, wenn nötig. „Leitung abgestürzt“, wenn es unangenehm wird.
Langeweile – ich habe es genossen, die wenigen Wolken wandern zu sehen, ein Gewitter zu erleben, Rettungshubschrauber und Krankenwagen, die allzeit im Einsatz sind. Mein Geist kam zur Ruhe. So, wie früher in den Ferien, wenn alle Spiele gespielt waren und es fürs Baden im Fluss zu kalt wurde kurz vor Schulanfang. Da entstand so eine Kreativität, eine Freude am Tun und ein Kraftschöpfen für den Neuanfang. All das nehmen wir uns jeden Tag weg. Für einen Kasten, der uns dopaminversorgt, abhängig macht und lähmt, was an Menschlichkeit in uns ist. Wir nehmen nichts und niemanden mehr wahr, doch klagen sehr laut, wenn wir uns nicht gesehen fühlen. Finde den Fehler.
Und wenn man Jahre schaute – man sähe längst nicht alles. Stephanie war in den Bergen wandern im letzten Herbst und hat das Foto mitgebracht. Danke.