7. Türchen: Wirkung des Wassers

Die meisten Menschen verbinden Kneipp-Anwendungen mit Wassertreten. Die Kneipp-Welt ist ein Kosmos großartiger Miniinterventionen mit großer Wirkung und man braucht dazu oft wirklich nicht mehr als eine Gießkanne oder ein Gießrohr (das kann man an den Duschschlauch anschließen, ich vermute, derzeit wollen sich eher wenige im Garten abgießen, denn es gibt die perfekte Kopplung auch für den Gartenschlauch, falls ihr noch ein sehr nützliches Weihnachtsgeschenk sucht). Die Anwendungen sind Sekundenanwendungen, von Wickeln und Auflagen abgesehen, sprich – es gibt keinerlei Argument, sie nicht in den Alltag mit einzubauen.

Warum denn ausgerechnet kaltes Wasser? Das ist so: Im Kontakt mit kaltem Wasser wird dem Körper Wärme entzogen. Das signalisieren unsere Kälte- und Wärmerezeptoren direkt dem Gehirn und das veranlasst stärkere Wärmebildung im Körper. Der Körper sorgt dafür, dass die kalte Stelle wieder erwärmt wird, das bewirkt eine Mehrdurchblutung und die regt ihrerseits wieder das Immunsystem an, besser zu arbeiten, durch die Mehrdurchblutung kann das Blut zudem viel mehr Sauerstoff an die Zellen und Schadstoffe aus den Zellen transportieren und das bedeutet, dass Heilungsprozesse angeregt werden können. Der Körper muss beim Erwärmen selbst aktiv werden (deshalb sind Warmanwendungen nur dann sinnvoll, wenn jemand zu schwach ist zum Selbsterwärmen, also maximal Schwerkranke oder beim ansteigenden Fußbad zur Abwehr eines Infekts), das heißt, dass Selbstheilungskräfte mit aufgeweckt werden. Längerfristig angewendet ist das für den Körper ein tolles Training, um den Wärmehaushalt gut zu regulieren. Man wird abgehärtet, ist also weniger anfällig für Krankheiten. Und da wir ja so gern zur Übertreibung neigen, gleich die Regel dazu:

– Schwache Reize entfachen die Lebensfunktion

– Mäßige Reize fördern die Lebensfunktionen

– Starke Reize hemmen die Lebensfunktionen

– Stärkste Reize bringen die Lebensfunktionen zum Erliegen (Arndt-Schultz-Regel).

 

Das bekannte Motto „viel hilft viel“ ist im Kneippschen Sinne also nicht wahr.

Wir kippen nicht literweise Eiswasser über uns oder laufen eine halbe Stunde lang barfuß durch den Schnee. Mäßig, aber regelmäßig – das gilt für alles im Leben.

Und falls sich jemand Sorgen ob des kalten Wassers macht: wir können euch aus langer Erfahrung sagen, dass das kalte Wasser nur die ersten Male seltsam ist. Irgendwann merkt jeder, wie gut das tut und findet stundenlanges Aufweichen in warmen Badewannen sehr überschätzt.

„Keine der Anwendungen kann schaden, wenn sie in der vorschriftsmäßigen Weise genommen wird – Anfängern, Schwächlingen und älteren Personen gönne ich für den Beginn laues, „abgeschrecktes“ Wasser. Die Fliegen locke ich ja auch mit Honig, nicht mit Salz oder Essig!“, schätzte Sebastian Kneipp das in seiner trockenen Art ein. Also ran an den Wasserschlauch.

 

Kneipps berühmte Gießkanne im Wörishofener Kneippmuseum. Damals gab es noch keine Duschen oder Warmwasser aus dem Wasserhahn.

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