Vernünftig leben – wie weit entfernt sind wir davon. Sebastian Kneipp, dessen Geburtstag sich in diesem Jahr zum 200. Mal jährt, stellte fest, dass er zuerst die Seelen der Menschen in Ordnung bringen musste, um gute Heilerfolge zu haben. Für ihn war die Nervosität der Menschen ein echtes Übel. Ich stelle mir lieber nicht vor, was der Wörishofener Ortspfarrer zu unseren Zeiten sagen würde.
Katja hat dieses sensationelle Foto gemacht. Ein Raubvogel erkennt aus tausend Metern Höhe eine Maus. Er hat enorm scharfe Augen und schaut aus großer Höhe herab. Vielleicht brauchen wir im Leben immer wieder solchen Abstand, um klarer zu sehen, was gerade los ist. Mitten im Getümmel des Alltags erkennen wir vieles nicht. Das ist der eigentliche Zweck von Ferien, dass man wegfährt und auf das schauen kann, was daheim ist, mit dem Abstand, der einen Blick erst möglich macht, der alles umfasst. So kann man sehen, was gut ist und bleiben sollte und was verändert werden darf, damit das Leben wieder runder läuft. Erst der Abstand ermöglicht eine klarere Einschätzung. Innerlich und äußerlich.
Wir sind Meister darin, Sandkörner in unser Getriebe zu werfen – frevelhaftes Verhalten unserer Gesundheit gegenüber wie zu wenig Schlaf, hastiges Essen, seltsame Dinge essen und trinken, zu wenig Bewegung, zu wenig frische Luft. Schlimmer, und da folge ich Sebastian Kneipps Ansicht in jedem Fall, ist der Frevel, den wir Seele und Geist antun. Geistige Nahrung bekommen wir mangels Kulturmöglichkeiten und dem Niedergang der Kirchen (nicht der Spiritualität, die allerdings heute oft relativ schwammige Wege wählt) nur, wenn wir uns selbst darum bemühen. Die Seele wird gebeutelt durch externe Stressfaktoren wie Pandemie und Katastrophen anderer Art, zusätzlich durch Entfremdung, Lieblosigkeit, Einsamkeit und, was am übelsten ist: wir haben kein Gefühl der Selbstwirksamkeit mehr, so dass Hilflosigkeit und Ausgeliefertsein entsteht. Beides hohes Gift für die Seele.
Wir haben immer Handlungs- und Wahlmöglichkeiten. Erinnern wir uns daran, dass wir als Menschen unglaubliche Stärken haben: Phantasie, Kreativität, Einfallsreichtum. Wenn uns selbst nichts einfällt – irgendjemand da draußen hat großartige Ideen, die helfen können. Nachdem wir nun lange alles verschlossen haben nach außen, dürfen wir uns wieder daran erinnern, dass die Stärken des Menschen in seiner Gemeinschaftsfähigkeit und dem kreativen Kollektiv liegen. Menschlichkeit ist tief in uns verankert, der Wunsch zu helfen, zu lieben und geliebt zu werden. Daran hat sich nichts verändert. Erinnerst du dich wieder daran?
Allen einen beweglichen und bewegenden Merkurtag. Hoffentlich trockene Witterung in den Katastrophengebieten und Regen, wo es seit Wochen daran mangelt. Ermutigung an alle, sich zu erinnern, was wir für kreative Schöpferwesen sind.
Danke an Katja für das Foto!