Das Land hat gewählt und sich für einen Abwartekurs entschieden. Es gibt keinen mächtigen Schritt in die eine oder andere Richtung, was vernünftig ist, wenn es an tragenden, überzeugenden und machbaren Visionen mangelt. Ein Abwatschen durch Entscheidung für Extreme aller Art hat es nicht gegeben. Es ist wie ein Votum für „jetzt haltet mal den Ball flach und benutzt das Gehirn“, hoffen wir, dass die Botschaft ankommt und nicht als Freifahrtschein für Balztänze aller Art benutzt wird, was ich befürchte.
Im Grunde hat das Land reagiert wie die USA nach Donald Trump – erstmal eine Verschnaufpause nach einem Kopf wie Obama, der für das damalige Land noch zu klug war und einer Regression hin zu Haudraufs ist jetzt bei uns auch so eine Art „abwarten und Tee trinken“ angesagt. Bis wir eine Regierung haben, kann es dauern, wer weiß, welcher Platzhirsch sich durchsetzt, im Grunde sind sie austauschbar, weil bislang farblos.
Was jetzt passieren sollte, geschieht auf anderen Ebenen. Uns darf bewusst werden, dass wir uns nicht auf „Made in Germany“ alter Zeiten ausruhen können. Da würde es das deutsch gesprochene Made eher treffen, bei uns ist gewaltig der Wurm drin im Land. Es ist jetzt die Zeit, die Weichen grundsätzlich neu zu stellen (was vermutlich nicht auf der Agenda der künftigen Regierung steht). Das Land braucht Perspektiven und Mut. Mut, die Dinge, die mies laufen und übel stinken ans Licht zu holen und zu entsorgen.
Perspektiven auf allen Ebenen, denn wir schlafen seit Jahren schon ein auf veralteten Lorbeeren, die niemals unsere waren und verschlafen den Anschluss an andere Ländern, die ihr Bildungssystem auf Vordermann bringen, über neue Wirtschaftsformen nachdenken und längst aufgehört haben, egozentrisch eigene Pfründe zu verteidigen, sondern zu überlegen, wie man auf gute Weise netzwerken und sich gegenseitig unterstützen kann.
Die Flutkatastrophe hat wie alle Katastrophen dieser Art (auch der Anfang von Corona war so) gezeigt, dass wir durchaus ein mitfühlendes Volk sein können, das sich gegenseitig stützt. Gemeinsam für etwas einzutreten, was vielleicht sehr, sehr viel Arbeit ist, aber letztlich gute Resultate für die meisten generieren kann, verbindet und stärkt. Zukunft ist nichts, was wir erwarten können, sondern etwas, das gestaltet, geplant und organisiert sein will, vor allem im Hinblick auf die Laufzeit, die dieser Planet noch hat, wenn wir weiter unserer Gier frönen wollen. Es geht nicht darum, dass jeder so viel aufhäuft, wie er stapeln kann, sondern alles so zu verteilen und aufzubauen, dass es für alle in Frieden reicht. DAS ist eine wahre Revolution, die dem Planeten als Ganzem nutzt.
Wir werden einander in Zukunft nicht mehr alle verstehen. Andere Menschen haben andere Auffassungen, Meinungen, einen anderen Glauben und andere Lebensformen. Das werden und müssen wir nicht en Detail begreifen oder gut finden. Es ist, wie es ist. Der Planet leidet und es wird Zeit, sich über solche Unterschiede und Befindlichkeiten hinweg zu begegnen gemäß der Aussage von Rumi: „Jenseits von richtig und falsch liegt ein Ort. Dort treffen wir uns.“ Es wird Zeit, dass wir aufwachen und uns auf den Weg machen, um diesen Ort zu finden.
Die Rettung des Planeten ist der neue Stern von Betlehem und sie geht jeden Einzelnen etwas an. Bleiben wir nicht bei nationalen Spielereien stehen, sondern denken wir groß, weit, offen und aus der Zukunft heraus. Sonst produzieren wir weiterhin immer mehr vom Gleichen, was bisher auch schon nicht einmal ansatzweise ein Schritt in die längst notwendige Richtung war. Wenn wir aus 20 Jahren in der Zukunft zurückschauen auf 2021 – was waren die notwendigen Schritte, die wir gegangen sind? Zukunft ist kein Ort im Nirgendwo, sondern direkt hier, wo wir sind, und sie kann uns beraten und leiten, wenn wir aufhören, uns andauernd in der Vergangenheit aufzuhalten und irgendwas nachzutrauern, was längst tot ist und aufhören, im rosaroten Traumland unterwegs zu sein. Im Jetzt gibt es das alles nicht. Nur Klarheit und das Gehen des nächsten Schritts, das Atemholen des nächsten Atemzugs.
Allen einen ermutigenden Marstag.
1928 wurde das zweite Goetheanum in Dornach fertiggestellt, ein riesiger Betonbau, weit über die damalige Zeit hinausragend in seiner Gestaltung. Die Verschalung beim Betongießen lässt den Beton wirken wie Holz, vor allem, wenn man in der sehr frühen Morgensonne im Gebäude unterwegs ist.