Auch uns nervt ab und an die Welt. Riesige Wallung, dass wir uns jeden Praxistag testen und die Daten übermitteln müssen. Am Freitag habe ich versucht, Tests zu bekommen, sinnfrei, fünf habe ich bekommen nach vier Stunden Rennerei. Zum Glück wurde die Regelung für Bayern inzwischen revidiert, aber mal ehrlich: Wie soll man Tests aus dem Boden stampfen, wenn die Lieferfristen Mitte Januar sind? Dann auch noch die Praxen schließen oder auf total Online umstellen? Wir haben jetzt Jahr zwei und versuchen seit vielen Monaten, Menschen, die in Ausnahmesituationen durch die Pandemie und das Gesamte geraten, zu stabilisieren.
Hinter den Kulissen von Praxis und Schule ist wie überall auch mal die Hölle los. Alle Kurse wieder auf Online umstellen. Die einen finden das gut und melden sich noch mit an (geht noch für Rogers und Cardea, ihr könnt noch mit einsteigen!), andere ab, weil sie nur Präsenzkurse wollen. Die Zukunft ist eindeutig Richtung Online für Kurse, egal, ob man das nun mag oder nicht und inzwischen wissen wir gut, was funktioniert und was nicht. Wir können in 5 Sekunden umstellen von Präsenz auf Online, das haben wir jetzt oft genug geübt. Was wirklich anstrengend ist, sind die endlosen Diskussionen, wieso das jetzt notwendig ist und was die Pandemie alles macht.
Die Pandemie macht erstmal nichts, sie ist. Das Drama machen wir daraus. Wir spalten die Gesellschaft. Wir polarisieren. Die Pandemie zeigt alle Schwachstellen auf, die unsere Welt hat. Anstatt dass wir endlich verstehen, dass wir nur ihrem Zeigefinger folgen müssen, der auf ein renovierungsbedürftiges Gesundheits- und Bildungssystem hinweist, uns aufzeigt, wie unmenschlich wir alte, kranke und behinderte Menschen aus unserem Blickfeld geschoben haben, um unserer dynamisch fitten ewig jungen Gesellschaft zu frönen, die es nicht gibt, uns dezent ins Bild rückt, dass die sogenannte digitale Revolution bei uns hinterherhinkt und wir schon jetzt im internationalen Ranking der Arbeitswelt der Zukunft nicht mehr vorne mitspielen werden, wenn wir nicht aufwachen plus x.
Es wäre gut, jetzt die gesammelten Schwachstellen bewusst wahrzunehmen und im laufenden Versuch, das System zu halten, die Veränderungen bereits zu besprechen und anzugehen, von Klima, Weltrettung und allem anderem mal ganz abgesehen. Die Welt brennt an allen Ecken und wir befassen uns mit der Frage, ob wir für das Fest der Liebe schon alles am Start haben dank Black Friday und wer dieses Jahr nicht mit uns feiern darf, weil konträre Meinung und deshalb persona non grata. In Anlehnung an ein berühmtes Fußballzitat: „Was erlaube …“.
Die Pandemie ist nicht der Feind. Sie zeigt nur auf, dass bei uns der Wurm drin ist und zwar schon lange vor der Pandemie, wir gucken halt gern mal nicht hin, wenns unrund läuft. Das ist eine gute Chance zur Wahrheit, oder? Solange wir Lager bilden, die auf Rechthaben beharren, werden wir nicht kommunizieren, wie es nötig ist. Solange Angst uns bestimmt, bekommt der klare Menschenverstand eins auf die Mütze. Solange wir nicht bereit sind, von Grund auf gute Fragen zu stellen, werden wir weiter auf Antworten aus dem Universum hoffen (Antworten, die allesamt vor Augen liegen übrigens, dazu brauchen wir kein Wunder, es sei denn, dass für Umdenken eines not-wendig wäre).
Stundenlang versuchen mir Menschen ihren Standpunkt klarzumachen, egal, aus welcher Richtung der geistige Hintergrund wehen mag. Das ist für mich reine Zeitvergeudung. Jeder darf seinen Standpunkt haben. Er beruht auf dem momentanen Wissen und später werden wir alle schlauer sein. Es geht nicht um das Diskutieren an sich, sondern um die Frage, über welche Inhalte wir das tun. Ich kann mich nach wie vor über alles Mögliche im Zusammenhang mit der Pandemie aufhauen und meine Energie vergeuden. Ich kann mich aber auch um die Frage kümmern, wie Zukunft gestaltet werden mag und wie wir es schaffen, die Menschen jetzt gut durch die Krise zu begleiten. DAS betrachte ich als meine Aufgabe, aber sicher nicht, dass ich eine Meinung habe und die jedem überstülpen muss.
Wenn wir jetzt in diesen Tagen den November abschließen und den ersten Advent gefeiert haben – was soll der Plan für diesen Advent werden, was wollen wir denn willkommen heißen im Mittwinter? Weiteres Chaos, weitere Gräben, die wir aufreißen, oder besinnen wir uns aufs Menschsein, auf Würde, Achtung, Wertschätzung und das Bemühen um eine gute Zukunft für den gesamten Planeten? Was ist dein Adventswunsch?
Nachdem ihr euch im letzten Jahr so sehr gefreut habt über unseren Werte-Adventskalender, werden wir euch ab Mittwoch jeden Tag hinter unserem Türchen einen kleinen Impuls zur Erhaltung eurer körperlichen und geistigen Gesundheit geben. 24 Tage für das Leben.
Allen einen guten Wochenstart. Achtet gut auf euch, körperlich und geistig. Lasst euch nicht von Hass und Verurteilungen aller Art anstecken, das ist ein schlimmerer Virus als alles andere.