Tage wie dieser

Der Postbote überreicht mir einen Umschlag und sagt: „Die erste Weihnachtspost für Sie“, Werbung für einen Winterzirkus. Offenbar muss ich mit dem sofortigen Ende des Jahres rechnen, nachdem ich gefragt wurde, weshalb ich noch nicht alle Weihnachtsgeschenke habe. Es gibt nur wenig Menschen, die von uns ein Weihnachtsgeschenk bekommen, sie sind entweder sehr alt, krank, gehandicapt oder unsere erwachsenen Kinder, Wir sind eher der Auffassung, dass Weihnachten eine Auszeit ist, in der man sich trifft, gemeinsam isst, trinkt, erzählt, singt und eine gute Zeit hat, fernab von irgendwelchem Prunk und Achtgangmenü. Total okay, wenn das jemand liebt und sich darauf freut, dass der Baum meterhoch und tonnenschwer behangen ist. Wir stellen einen auf die Terrasse, mit Seilen gesichert, mit sturmsicherer Lichterkette eingewickelt, weil wir zwischen den Jahren gern Sturm haben und wegen Pflegefall das Wohnzimmer keinen Platz mehr bietet. Bei uns ist das schlicht, wir tragen weder Weihnachtspullover noch Abendkleider, hier spielt kein Orchester auf, wir singen selbst, quatschen, trinken literweise Tee und futtern selbstgemachte krumme Vanillekipferl, einfaches Buttergebäck, Lebkuchen nach uraltem Rezept und hoffen, dass die Zimtsterne weich genug sind. Da muss ich nicht Jahre im Voraus planen und organisieren. Wer da sein mag, ist da; wer was anderes machen will, macht das. Seit dem Tod der Eltern feiern wir Auszeit von einst starren Abläufen, Ritualen und Fressnarkosen. Sollten wir es vermissen, können wir das ändern. Was uns gefällt am Fest machen wir, alte Zöpfe dürfen gehen.

An einem Tag wie diesem Mittwoch hatte ich ehrlich gesagt andere Sorgen als Weihnachtsfestgestaltung. Aber vielleicht sprachen so viele vom „Fest der Liebe“, weil sie etwas brauchten, das ihnen wieder Halt und Hoffnung gibt.

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