Dienstags-Nachdenk-Input

Seltsam im Nebel zu wandern, nannte es Hesse mal. Und Wilde schreibt, Nebel mache die Dinge wunderschön – klar, der perfekte Weichzeichner.

Viele fürchten den Nebel. Beim Autofahren ist er äußerst unangenehm, wir wissen ja nicht, was in 30 Metern auf uns wartet. Damit spielt jeder Horrorfilm. Jeder Psychothriller liebt wabernden Nebel, was die Hälfte der Furcht bei Nebel ausmacht. Bei uns ist seit Wochen ein erstaunliches Phänomen. Am späten Nachmittag schleicht er sich so heimlich an. Beim Blick auf die Straßenlaternen, die dann langsam angehen, denkt man erst „sind die Fenster dreckig!“, dann fallen einem die Ringe um die Lampen auf und es wird spürbar innerlich frostiger. Die Kälte kriecht hoch in die Knochen. Wir sprechen nicht von guten minus 20 Grad bei knackiger frischer Luft, sondern diese feuchte Schmerzhaftigkeit um die Frostgrenze herum, die sich des Nebels als Transportmittel bedient. Wie nannte es heute ein Klient: „Es fühlt sich an, als kriecht der Schmerz in die Knochen durch die Augen, die den blöden Nebel sehen.“ Wow! Ihm Oscar Wilde zu zitieren, wäre wohl fatal gewesen.

Ich bin ein wenig zwiegespalten in Bezug auf Nebel. Ich bin einerseits hochbekennender Nebelfan, aber nur, wenn ich nicht in einem fremden Moor herumstehe oder in einer Gegend unterwegs bin, in der ich mich nicht auskenne (was bei Nebel auch mit der eigenen Straße so geschehen kann). Andererseits habe ich Respekt vor dem Nebel, denn ich merke daran, wie wichtig uns klare Sicht ist (als ob die stets verhinderte, was geschehen wird).

Ich mag es sehr, wenn sich Nebel um kahle Bäume schmiegt und dann in zähen Tropfen von den Ästen baumelt, das Moos am Stamm aufseufzend wartet auf das lebensspendende Nass. Mich beeindruckt es, im Nebel herumzuschlurfen und mit nassen Haaren heimzukommen, weil die Feuchtigkeit natürlich auch den frohen Wanderer umhüllt.

Dieses feine novembrige Gefühl Ende Januar! Morbid irgendwie, herrlich. Und wie auf Steffis Foto die Bäume wie mit dem feinen Pinsel hingezeichnet, scherenschnittartig. Eine klare Aussage. So ist es! Mehr haben wir nicht zu bieten! Drei Schritte weiter verschwinden die Schwarz-Weiß-Zeichnungen, das Auge kann sie nicht mehr greifen, alles im Grau schwimmend. Ist doch genau wie im richtigen Leben – ab und an siehst du alles scharf, klar, genau, wie mit Ausrufezeichen in die Himmel geschnitten. Und andere Zeit verbringt man suchend und aufs Licht hoffend in dichtem Nebel, weil es fürs Leben keinen Routenplaner gibt (doch, gibt es. Aber entweder ist er menschengemacht, also die direkte Einladung ans Universum, diese Planung sofort umzuwerfen, oder er ist von woanders her und wir müssen erst begreifen, dass es wenig Sinn macht, die Route zu wechseln, weil uns das „System“ immer wieder auf Kurs setzt). Anregend, diese Nebeltage. Wenn nur auch meine Knochen nicht so stur wären.

Allen gute Wege im Nebel draußen und vor allem gute Wege und grundlegendes Vertrauen, dass die Dinge sich fügen, für die Nebel im Inneren. Nichts bleibt. Weder Sonne noch Schnee noch Regen. Und auch kein Nebel! Es werden wieder lichte und helle Tage kommen, und auch sie haben die Nacht und die Dunkelheit. Der Wechsel macht es lebendig. UNS lebendig.

Einen feinen Marstag euch mit bester Energie für alles.

Danke an Steffen für das zauberhafte Foto der Hingabe mit dem zarten Nebelschleier im Hintergrund.

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