Nun haben wir gesamtdeutsche Ausgangsregeln. Deutschland versucht, so weit es geht daheim zu bleiben, wer das kann.
Wir denken ein wenig weiter als die nächsten Wochen. Was wir gerade tun, ist, die Zahl der wirklich Betroffenen gering zu halten. Was wir gerade vermutlich auch tun – die Menschen infizieren, die sich damit wirklich auskennen, also die Mitarbeiter der Kliniken. Wenn die Zeit der Ausgangsbeschränkungen vorbei ist, treffen alle Menschen wieder aufeinander. Die spannende Frage ist, wie das dann sein wird, denn dass sich das Virus bis dahin freundlich verabschiedet hat, ist unwahrscheinlich. Wie kann eine Rückkehr zu einem Alltag gestaltet werden, ohne dass die Massen, die jetzt geschützt sind, gefährdet werden, wenn sie aufeinander treffen? Das sind Fragen, die die Regierungschefs in enger Zusammenarbeit mit den Ärzten, Pflegenden und Klinikleitungen angehen müssen, zeitnah, wenn der Katastrophenzenit durchschritten ist.
Was uns bewegt, ist die Frage nach dem „ganz danach“, also nach der Erkenntnis, wer und was jetzt wirtschaftlich überlebt hat, wieder aufbauen und anfangen kann. Welche Welt werden wir aufbauen? Können wir dazu beitragen, die Welt der Zukunft neu und besser aufzustellen als vorher? Der Kollaps hat mehr oder minder aufgezeigt, was geschieht, wenn Massen mit Unerwartetem konfrontiert werden: Panik, die sich in unüberlegten Hamsterkäufen zeigt, absolute Egozentrik, bei der Narzissten meinen, sich über Anordnungen, die dem Schutz der Allgemeinheit dienen, hinwegsetzen zu dürfen. Das ist das negative Bild unserer Gesellschaft: die Ellbogenmentalität ist sehr weit verbreitet und Einsicht nicht schnell erreichbar, da braucht es erst die massivsten staatlichen Eingriffe, die das Land bisher nötig hatte.
Das kann einen zweifeln lassen, ob es denn darum geht, sich gut neu aufzustellen oder es vielen recht wäre, wenn der Vorcoronatrott einfach weiterginge, sie weiter ihr Grillvergnügen haben und es ansonsten nur darum geht, das eigene Schaf trocken unterzustellen. Dem stehen so viele engagierte Menschen gegenüber, Bürger, die sich vieles einfallen lassen, um Betroffenen zu helfen, Engpässe zu vermeiden und Menschen, die verstanden haben, dass ihre Haltung vielen Berufsgruppen gegenüber überdacht werden sollte.
Die Denkprozesse sind bei uns noch mitten drin, denn wir sind mit vielem in diesen Tagen beschäftigt. Das reicht vom Überlegen, wie wir unsere Kurse für die Schüler gut online gestalten und die Sprechstunden via Telefon laufen können, wie wir unsere kostenlosen Hilfsangebote wie die zwei Stunden Angsttelefon am Tag optimieren. Unsicherheit, Angst, Verzweiflung, Existenzsorgen treiben viele Menschen um. Davon ist wohl keiner ausgenommen. Aber: es kommt auf jeden Einzelnen an. Jeder ist wichtig für das gesamte System. Deshalb glaube ich, dass wir nach diesem Aufwachschock, ausgelöst durch einen winzigen Virus, gute Chancen haben, die Zukunft neu zu definieren. Dann, wenn das Virus händelbar geworden ist. Wenn die Ausmaße im Positiven (weniger Dreck im Wasser, klarere Luft etc., Erfahrung, dass Gemeinschaft etwas ist, was stärker ist als alles andere und vieles mehr) wie im Negativen (kranke Egozentrik, Rücksichtslosigkeit, Profitgier und „Kriegsgewinnler“-Haltung, aber auch Breakdown kleiner und kleinster Betriebe, Arbeitslosigkeit, Wirtschaftskrise etc.) genau angeschaut werden können. Ich bin noch immer für eine breit angelegte Neuausrichtung.
Es war Zeit für den Break, damit wir alles mal neu denken können. Schulen müssen anders aufgestellt werden, stumpfes Lernen macht nicht stark für Herausforderungen wie diese. Das Gesundheitssystem muss neu gedacht werden, ebenso die Bezahlung vieler Berufsgruppen. Wir brauchen einen weiten Horizont, ein großes Herz und einen viel breiteren Blick, eine Neuorientierung an Werten, entlang der Kompassnadel Würde. Wir brauchen den Menschen in seiner menschlichsten Form. Lasst uns gemeinsam nachdenken und neu gestalten.
Allen einen gesunden Dienstag mit der Energie des Mars.