Manchmal wundert man sich ja durchaus. Mich fragte gestern jemand nach einem Lied mit Wachtelruf und dem Herrgott. Die Frage bezog sich darauf, dass ein Klient über den Tod des Vaters sprechen wollte. Es dauerte eine Weile, während er mir von seinem Vater berichtete. Dann dämmerte mir das Bild einer Schallplatte hoch mit dem Montanara-Chor, die auch bei meinem Vater oft und gern gelaufen ist. Es war die Waldandacht von Franz Wilhelm Abt und dank Suchmaschinen fanden wir dann das Stück auch recht schnell.
Der Klient berichtete, dass er sich sehr wohl im Wald fühlt und manchmal andächtig gestimmt dort seine täglichen Runden mit dem Hund geht. Er hat dort Ruhe, auch wenn es im Wald selten ruhig ist und kommt innerlich mit sich ins Reine. Was ihm hängen geblieben war und bei seinen Waldgängen immer wieder durch sein Gehirn spukte, war die Zeile „Dann gehet leise nach seiner Weise der liebe Herrgott durch den Wald“, so wie mir auch. Als Kind habe ich oft überlegt, wie denn der Herrgott gehen mag, ob er auch feste Schuhe trägt (Du weißt: Im Lurchiland schallts lange noch!) und vielleicht mit seinem langen Bart im Brombeergebüsch hängen bleibt. Und was sagt mein Klient: „Genau das hab ich mich auch immer gefragt und warum er lieb ist und ich galt als ungezogen.“
Da waren wir beim Thema „Wandlung der Pädagogik im Lauf der Zeitgeschichte“ und uns fiel auf, wie stark jede Generation durch die Geschehnisse ihrer Zeit geprägt ist.
In meiner Kindheit hingen überall die Fahndungsplakate mit den Fotos von Terroristen. Wir standen davor, kauten Kugelkaugummi aus dem Automaten, hatten Bonanzaräder, lutschten chemieverseuchtes Wassereis oder Datschweck und gruselten uns. Besondere Schockmomente, wenn einer sagte: „Du, ist das nicht dein Onkel?“ und alle Blicke der Erwachsenen sich auf uns bohrten. Eiserner Vorhang, kalter Krieg, Atomgefahr – das waren die Erinnerungen unserer Zeit, VW Käfer, Prilblumen und Bluna bei Festlichkeiten neben Käseigel und Stachelbeerbuttercreme (das pure Grauen). Heutige Kinder haben andere Bilder, wenn sie später an ihre Jugend zurückdenken.
All das prägt uns Menschen viel mehr, als wir uns vorstellen können. In dieser Phase wird auch die Macht von Glaubenssätzen grundgelegt und viele Paradigmen. Weil sie kollektiv geglaubt werden, sind Aussagen dadurch wahrer? Halten sich Hummeln an die These, dass sie zu dick zum Fliegen sind?
Wo glaubst du und folgst Thesen, die vielleicht nicht stimmen? Wie können wir uns orientieren in Zeiten von Fakenews und Verwirrung? Gar nicht in vielen Fällen. Wir können immer wieder nur zu uns selbst zurückkehren und versuchen, die bestmögliche Version von uns selbst zu werden, mit unseren Macken, Ecken, Kanten klarkommen und unseren Werten folgen, um unseren Lebensweg zu gestalten.
Allen einen liebevollen Freitag! Maike hat ein spannendes Insekt fotografiert in den Bergen – Biene? Hummel? Ich weiß es nicht. Es trägt jedenfalls ein Outfit, das auch bei kühlerem Wetter Schutz bietet. Danke für dein Foto!