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Unerschütterlichkeit

Mit „U“ gibt es einige Tugenden, meine Wahl fiel auf ein Wort, das ich seit Jahrzehnten liebe: Unerschütterlichkeit. Von klein auf lese ich Biografien. Am meisten beeindruckten mich die Lebensbeschreibungen, in denen Menschen wirklich grauenvolle, schwierige und herausfordernde Dinge erlebt, doch nie aufgebeben oder sich für länger in tiefste Verzweiflung gestürzt haben.

Die letzten fast drei Jahre haben jeden Menschen erschüttert in der Vielfalt der Probleme, die uns bewusst werden. Wir sind im Ausnahmezustand durch Kriege, Klimakatastrophe und die Erkenntnis, dass unsere Systeme nicht mehr tragen. Ähnliches erlebten die Menschen in der Antike. Im Außen Chaos und im Inneren der Wunsch nach Ruhe und Frieden. Die Philosophen der damaligen Zeit fanden, dass Seelenruhe/Ataraxie, dabei hilft, das eigene Schicksal anzunehmen, den Tag so zu nehmen, wie er kommt. Epikur empfahl, sich von Furcht, Trauer, zu viel Gier und vielem mehr zu befreien, um Unerschütterlichkeit zu erreichen.

Es geht nicht um nichts fühlen, sondern um seine Emotionen mit einem gewissen Abstand ruhig zu betrachten. Leben ist immer lebensgefährlich, daran ändern wir nichts, nur an der Tatsache, ob wir deshalb in Angst geraten oder nicht.

Wir haben viele Gründe zu Angst und Verzweiflung. Es ist wichtig, anzuerkennen, dass die letzten Jahre für alle Menschen krass waren. Nicht jedem Menschen ist Seelenruhe und Unerschütterlichkeit gegeben (und schon gar nicht immer!). Manchen gelingt das eher, anderen weniger. Es hilft, wenn die unerschütterlichen Menschen andere einladen, gemeinsam Gewaltiges zu bewegen. Der Mensch ist kreativ und im Angesicht des Chaos nicht weniger als in ruhigen Zeiten. Ermutigen wir einander, anstatt uns zu bekämpfen. Dann können wir Krisen anders bewältigen, in der Übung von unerschütterlicher Seelenruhe des Geistes (die sicher nicht verhindert, dass uns die Knie schlottern, hier gilt das gute „und dennoch!“).

 

Allen einen unerschütterlichen Donnerstag.

 

Jeder in seinem Tempo. Sigrid hat die Schnecke für uns fotografiert. Danke dir!

Leben und Sterben

Leben muss man ein Leben lang lernen, und, darüber wirst du dich vielleicht am meisten wundern: ein Leben lang muss man sterben lernen.

Seneca, 4 v. Chr. – 65 n. Chr.

Am stillen Bergsee sitzen macht auch innerlich ruhig. Danke an Sigrid für das Foto!

Treue

Treue: Ein wunderbares Wort, eine feine Tugend. Treue ist selten und kostbar. Treu zu jemandem stehen bedeutet, sich an jemanden zu ankern, fest zu dieser Person zu stehen und mit ihr durch dick und dünn zu gehen. Die Grundlage von Treue ist Vertrauen in eine Person oder einer Sache gegenüber. Wer treu zu jemandem steht, ist verlässlich an seiner Seite. Sich selbst treu zu sein ist eine große Qualität und meint, nicht dauernd das Fähnchen nach dem Wind zu hängen, sondern sich eine Meinung in Ruhe zu bilden und dann dazu auch zu stehen (solange das vernünftig ist).

Treue spielt zwischen Partnern aller Art eine wesentliche Rolle – sowohl zwischen Liebenden ist das ein wichtiger Wert, auch zwischen Geschäftspartnern. Verlässlichkeit ist die Grundlage für Treue.

Wichtig: Werte brauchen eine gegenseitige Definition der Partner, egal auf welcher Ebene! Wenn einer der Partner unter Treue etwas ganz anderes versteht, wird es schwierig. Wie immer gilt: miteinander sprechen schafft Klarheit.

 

Allen einen feinen Wochenteilungstag.

 

Danke an Stephanie für die feinen Frosthagebutten!

Sanftmut

Sanftmut. Was für ein zauberhaftes Wort. Es beschreibt Menschen, die ausgeglichen und ruhig sind, sich durch Geduld auszeichnen, wohlwollend leben. Besonnenheit gehört auch dazu, das sich nicht herausfordern lassen, wenn man gereizt wird. Sanft und Mut klingt zunächst widersprüchlich und doch erinnert Sanftmut an eine der Qualitäten des Wassers – es fließt. Es umfließt Hindernisse. Es sprengt den Stein bei Frost. Es ist klar in seiner Absicht und das erfordert jede Menge Mut, wenn wir es auf uns Menschen übertragen.

Sanftmütige Menschen sind keine Trottel, die sich alles gefallen lassen. Sie bleiben klar und ruhig und ein Satz, in Klarheit, Tiefe, Ruhe und absoluter Präsenz ausgesprochen, hat mehr Durchschlagskraft als jedes Gebrüll.

Wo kannst du heute ein wenig sanftmütig sein in deinem Alltag? Was wir im Kleinen oft üben, gelingt, wenn es darauf ankommt, quasi gewohnheitsmäßig.

 

Allen einen tatkräftigen Dienstag.

 

Auf dem Räuchergefäß liegen heute einige Tannennadeln und verbreiten neben Palo Santo einen feinen Duft. Danke an Ursula für dein Foto!

Respekt

Respekt. Das Wort war früher fast ein Drohwort. Wir mussten allerhand respektieren und der Respekt wurde stets lautstark eingefordert. Heute denke ich: Respekt stellt sich vor anderen Menschen von alleine ein, wenn sie innerlich klar und stark ihren Weg gehen, ohne anderen Vorschriften zu machen und ihrem eigenen Plan folgen. Respekt erlebe ich vor Menschen, vor Natur. Respekt ist die Grundlage menschlichen Zusammenseins – ich respektiere das Leben als Wert an sich und damit generell erst einmal jeden Menschen. Dann gibt es noch den Respekt, der entsteht, wenn sich jemand integer verhält, durch seine Art beindruckt. Das Wort Respekt kommt von respectio: etwas wieder schauen, ich schaue zurück, schätze etwas ein und betrachte etwas. Respekt ist die kleine Schwester der Ehrerbietung.

Oft erlebe ich in Aufstellungen die Qualität der Worte „Respekt, Achtung, Wertschätzung“. Wir nehmen sie oft zusammen wie eine Steigerung: Ich kann respektieren, dass es viele Daseinsformen, Haltungen und Meinungen gibt. Achtung entsteht erst durch einen intensiveren näheren Kontakt mit den Menschen und Wertschätzung drückt die stärkste positive Zuwendung dieser drei Begriffe aus.

Respekt – wer hätte es gedacht – beginnt bei mir selbst. Respektiere ich mich in meinem Sein? Handle ich so, dass ich respektvoll mit anderen und allem umgehe? Wo begegnen mir Menschen, denen ich viel Respekt entgegenbringen kann?

 

Allen einen wunderbaren Start in die letzte Woche vor dem Fest.

 

Nachdem die Praxis bis 2. 1. geschlossen ist und auch die Coachings gerade bis Januar ruhen, kümmere ich mich um das Sortieren der beiden Bücherwände im Haus. Sprich: Alle Bücher kommen nach und nach auf einen Fleck – das Klassenzimmer. Dort sortiere ich die Werke thematisch. Und dann kommt die große Kunst – wie bringe ich das möglichst systematisch und thematisch klar in die Bücherwände? Die erstmal aufgebaut werden wollen und hoffentlich heute in vielen Einzelteilen geliefert werden. Ich wette, das nächste Jahr finde ich nichts mehr wieder. Und ich hoffe, dass das Werk bis Mittwochabend getan ist, wenn der Aufbau der neuen Wand so läuft wie geträumt. Sonst findet Weihnachten halt im Chaos statt, wäre auch nicht das erste Mal.

Lieber Respekt

Es ist viel wertvoller, stets den Respekt der Menschen als gelegentlich ihre Bewunderung zu haben.

 

Jean-Jacques Rousseau, 1712-1778

Stephanie hat den Ballon im Morgenfrost fotografiert. Respekt, das war sicher superkalt für die Ballonfahrer.

Passion!

Passion als Tugend ist ein modernes Wort. Es verwirrt mich oft, weil es für mich eher mit der Leidensgeschichte Jesu und Bachs Matthäus-Passion verbunden ist. Allerdings umfasst Passion mehr als Leidenschaft, vielleicht wäre Inbrunst das deutsche Wort dafür.

Wir denken Passion heute oft in Zusammenhang mit Mission, die zusammen den Antrieb geben, seine innersten Ziele umzusetzen. Da trifft  der Beigeschmack des Leids, denn Passion bedeutet, sich ganz und gar an etwas hinzugeben, mit Haut und Haar einer Sache zu verschreiben und sich zu bemühen, jeden Tag der Umsetzung des Zieles näher zu kommen. Der Sportler, der von Olympia träumt, trainiert dafür nicht ein paar Wochen, sondern er jeden Tag über Jahre. Egal wie er sich fühlt – er geht auf die Trainingsmatte und sieht die Medaille vor sich, fühlt, wie es sich anfühlt, wenn man sie umhängen darf und dafür wird gestrebt. Etwas möglich machen, was andere nicht schaffen, dafür braucht es Passion, die auch Leiden schaffen kann und nicht zu knapp.

Uns mangelt es heute oft an Durchhaltevermögen, Ausdauer und Geduld. Sowie Hindernisse auftauchen, suchen wir neue Ziele, ist es zu mühsam, Durststrecken auszuhalten. Es ist wie beim Spielen eines Instruments – es braucht Jahre, bis die Finger, der Körper, die Fertigkeiten ausgeprägt sind, um den Klang zu erzeugen, den man vielleicht längst in seinem Kopf als die ideale Version hat. Dazu kommt die individuelle Färbung, denn klingen wie xy ist nicht der Plan, auch bei vorgegebenen Noten kann ich sie so oder so interpretieren, Schwerpunkte anders legen und mein Sein in den Klang fließen lassen.

Passion kann kleiner sein. Für den Garten. Mit Begeisterung Socken für andere stricken. Es kommt nicht auf Berühmtheit an, wie viele denken, sondern darum, dass du glücklich bist mit dem, was du tust. Folge der Freude.

Beate fotografiert mit Freude und entdeckt viele Details. Danke für diese schöne Begegnung.

Offenheit

Offenheit ist eine herrliche Tugend. In der Psychologie gehört sie zu den fünf Dimensionen der Persönlichkeit (Extraversion, Verträglichkeit, Offenheit, Gewissenhaftigkeit, Neurotizismus und ihre Gegenspieler als Pole). Oft ist der Begriff mit Neugierde und Kreativität verknüpft, deutlich wird das in „Offen für Neues“ sein.

Wer offen ist, ist einladend, öffnet Geist, Herz und Haus für Menschen, Themen, Thesen, kann Routinen durchbrechen, freut sich über Unbekanntes, testet gern etwas aus und ist an vielem lebhaft interessiert.

Wer offen ist, kann leichter damit leben, dass „der liebe Gott einen großen Tiergarten hat“, verschiedene Meinungen stehen lassen und tut sich leichter, andere Ansichten anzuhören, zu überprüfen und die eigene Meinung auch zu verändern, wenn neue Erkenntnisse andere Resultate ergeben.

Offenheit kann man ein bisschen trainieren, indem man Dinge tut, die man noch nie gemacht hat, eine Veranstaltung besucht, die man früher nicht besucht hätte. Bücher anderer Denkrichtungen liest, Musik aus anderen Bereichen hört und Menschen aus anderen Ländern, Kulturen, Religionen anhört im Sinne von „zeig mir deine Welt, damit ich dich verstehe“.

Offenheit ist ein Schlüssel, mit dem wir so manche Türe öffnen können.

 

Allen einen offenen Freu-Tag.

 

 

Offenheit anders betrachtet von Sina. Danke für dein Foto!

Nachsicht üben

Nachsichtigkeit –  verständnisvolle verzeihende Güte, sagt das Lexikon. Wer nachsichtig ist, kann Fehler vergeben, ist freundlich, zeigt Mitgefühl. Nachsicht ist in der Erziehung ein Baustein zur Entwicklung von Selbstsicherheit, in Teams Bestandteil psychologischer Sicherheit und hilft uns selbst, mit nagenden Gedanken fertig zu werden wenn wir uns selbst gegenüber nachsehen, dass wir auch nur Menschen sind.

Uns fehlt in dieser Gesellschaft die Fehler- und Scheiterkultur. Wir trauen uns kaum, Fehler zu machen aus Angst vor den Konsequenzen Marke „setzen, sechs!“ – bitter, weil Fehler Lernfelder sind. Nachsicht und Hinschauen, was man besser machen kann, ist viel entwicklungsfreudiger. Wem Nachsicht begegnet, der kann leichter wieder aufstehen und es erneut versuchen.

Wir erleben selten Nachsicht. Wie schade, oder? Wie wäre es, wenn du ab sofort ein wenig Nachsicht in dein Leben einbaust – dir selbst und anderen gegenüber? Wir sind lernende Wesen, neugierig, mutig und stark, wenn wir uns das erlauben dürfen. Nur wer scheitern darf, entwickelt den Mut, das große Neue zu wagen!

Allen einen nachsichtigen Donnerstag.

 

Stephanie hat mit der Kamera gemalt. Dankeschön!

Verzweiflung

Die größte Nachsicht mit einem Menschen entspringt aus der Verzweiflung an ihm.

Marie von Ebner-Eschenbach, 1830-1916

Wie startet dein Tag? Bei Stephanie draußen in der zauberhaften Winterlandschaft. Danke für dein Bild!

Mitleid versus Mitgefühl

Mitgefühl – aus allen M-Tugenden habe ich dieses Wort gewählt, weil es wie kein zweites Bestandteil meiner täglichen Arbeit ist. Mitgefühl bedeutet: Ich fühle deinen Schmerz, deine Wut, deine Trauer, deine Angst. Ich verstehe, wie dich das belastet. Ich helfe dir, das zu wandeln oder vielleicht anders damit umzugehen. Doch ich beleidige dich nicht durch Mitleid. Ich sitze dir nicht gegenüber und sage „Das kenne ich auch, bei mir war das aber so viel krasser, damals, als …“, ich wiegle nicht ab mit: „Da musst du dich mal zusammenreißen“ oder gar „Weißt du, in meinem Leben ist das alles viel schlimmer, weil …“. Mitleid nimmt sich oft den Divenplatz auf der Bühne und die Person, der es schlecht geht, kommt sich mies, klein und quengelig vor.

Mitgefühl entsteht aus dem Herzen. Es kennt Schmerz. Es kennt Leid. Es weiß um die belastende Kraft von Leid, doch auch um die Kraft, die entsteht, wenn man es umwandelt, in sein Leben einschreibt, weil es nun mal Bestandteil unserer Biographie ist (das, was wir ins Leben und das Leben in uns einschreibt). Das annehmen können ist ein langwieriger Prozess, darin steckt erlösende Kraft. Was uns begegnet, kann uns stark machen, verwandeln, vielleicht auch erst auf destruktive Irrwege schicken, letztlich ist es das, was zu uns gehört und was zu lernen ist. Was nichts darüber aussagt, ob wir diese Lektion jemals gewollt hätten, oft ist das sicher nicht der Fall, dass wir um Probleme gebeten haben.

Wie gut, wenn jemand da ist, der mitfühlt. Halt anbietet. Lauscht und achtsam schaut, was jetzt gebraucht wird. Eine Umarmung? Ein warmer Tee? Ein liebevoller Blick? Etwas ganz anderes? Jeder kann mitfühlend sein und jeder kann auf Mitleid verzichten.

 

Allen einen liebevollen Wochenteilungstag.

 

Hoffentlich allen, die das brauchen, eine solche Klönschnackbank heute. Danke an Sigrid für das Foto!