Für die von Proust beschriebene Situation gibt es den Begriff des Wu-Wei, oft übersetzt mit „Handeln durch Nichtstun“. Gemeint ist allerdings nicht, nichts zu tun. Gemeint ist, dass ich alles beigetragen habe, was mir zur Lösung eines Problems machbar und sinnig erschienen ist. Ich habe Fachleute zur Beratung hinzugezogen, das Schwarmwissen gebeten und mir den Kopf zerbrochen, vieles unternommen und ich bin an den Punkt: Ich weiß es nicht. Ich habe keine Ahnung, keinen Plan und sehe keinerlei Weg aus dieser Situation. Dann lasse ich los. Übergebe es einer höheren Weisheit, weil meine nicht ausreicht. Das ist der Moment des vollkommenen Loslassens. Der absoluten Desillusionierung, der Enttäuschung im Sinne von „Ende der Täuschung, dass ich es lösen kann“. Ich lasse los. Ich merke, wie ich durchatme. Ich spüre, dass sich etwas verwandelt. Nicht ich atme, sondern es atmet mich. Ich schlafe eine Nacht darüber.
Das ist oft der Punkt, an dem sich das Blatt wenden kann. An dem Veränderung initiiert wird und Neues entstehen darf. Erst dann. Es hat die Erfahrung gebraucht, dass ich alles gegeben habe und es hat nicht gereicht. Dann MUSS ich ins Vertrauen gehen, kann ich losgehen und hoffen, dass irgendetwas meine Schritte lenkt. Da bemerke ich das Tor, von dem Proust spricht. Erst jetzt kann ich es sehen, erkennen, das Tor öffnen und durchgehen.
Wir erkennen in diesen Wochen: es gibt keine Daseinssicherung. Keine Lösung, die für alle gut ist. Kein Wunder. Also geben wir unser Bestes, was uns jeden Tag möglich ist, machen, was in unserer Macht steht, und alles andere lassen wir los. Jenseits der Wertungen, jenseits der Hoffnungen und ihrer Enttäuschungen, jenseits dessen, was wir gern gut oder schlecht nennen, ohne zu bemerken, dass die meisten Dinge und Themen viel komplexer sind als wir erkennen, ist ein Garten, wie Rumi schreibt. Dort treffen wir uns. DAS ist das Feld der Möglichkeiten, das wir erst dann betreten können, wenn wir uns unserer Begrenzungen bewusst geworden sind UND sie angenommen, akzeptiert, zugelassen haben. DAS erst ist der Schlüssel zu dieser Pforte.
Wir haben es in diesen Tagen sehr nötig, unser Bestes zu geben UND ins Vertrauen zu kommen, dass nicht nur wir Lösungen finden müssen, sondern das Feld sich dann zeigt, wenn wir aufhören zu erwarten, zu werten, zu wollen und uns gegenseitig zu zerstören. Erst dann sehen wir die Pforte, durch die dann hindurchzugehen sein wird.
Allen einen Tag voller Vertrauen. Voller Momente, in denen wir die vielen kleinen wunderbaren Momente des Alltags erkennen und als Seelennahrung mitnehmen dürfen. Wo kannst du heute deinem Mitmenschen ein Zeichen der Freude, der Wertschätzung schenken in diesen Zeiten? Jedes Lächeln erhellt die Welt und wärmt das Herz. Das eigene und das der anderen.
Wasser – faszinierend, wie es über Felsgestein perlt mitten im Wald. Sina hat das für uns im Bild festgehalten. Danke!