Wissen wir immer, was wir tun? Wohl kaum. Wir sind so stolz auf unseren Verstand und erleben entsetzt in manchen Situationen, dass er uns offenbar gerade vollständig verlassen hat, wir agieren wie fremdgesteuert. Alte Muster, Glaubenssätze, Vorstellungen haben das Ruder übernommen. Bewusstheit ist eine schwere Kunst, sie zu üben haben wir ausreichend Gelegenheiten.
Menschen verwechseln gern Ego mit Ich. Ego nenne ich gern „Will-Ich“, denn das will dauernd etwas haben. Kaum ist etwas erreicht, will es das nächste, ist etwas gekauft, meckert Will-Ich, dass es doch nicht lange glücklich macht und behauptet, wenn es xy bekäme, wäre es endlich glücklich. Dieses Ego wird niemals still und zufrieden auf der Bank sitzen und den Sonnenaufgang bewundern.
Mit Ich ist auch nicht nur das freudianische, das zwischen einem Es, der Miniaturausgabe des Will-Ichs, und dem Über-Ich Ausgleich schaffen muss, sondern eine Instanz, die weise führt, abwägt, Kopf, Herz und Bauch berücksichtigt und dann aus einer Klarheit heraus agieren kann.
Unsere Welt ist so gestaltet, dass wir kaum Kontakt zu unserem Ich, geschweige denn einem geistigen höheren Ich finden können. Wir sind permanent im Ablenkmodus und vergessen im Gelärm der Zeit, was wahrhaft wesentlich ist. Die großen Dinge finden wir selten auf dem Wühltisch. Sie wachsen in der Stille, in den Momenten tiefer Erkenntnis, die Zeit braucht, nicht mit Belanglosigkeit stiehlt.
Jetzt hätten wir von alters her die stade Zeit. Hier oben auf dem „Berg“ genieße ich es, so weit weg von allem Gewusel in der Stadt, jedem Jingle Bells und Getröte derGlühweinstände zu sein und mich in aller Ruhe mit dem zu befassen, was jetzt dran ist – Arbeiten für 2910 zu einem Ende zu bringen oder mir bewusst zu machen, was nicht möglich ist. Zu danken für die Erfahrungen, die mir dieses 2019 in Fülle geschenkt hat. Wertzuschätzen, was für großartige Wachstumschancen durch Krisen ich haben durfte und was mir geschenkt wurde an Freundlichkeit, Respekt und vielem anderem mehr.
Zeit, mir immer wieder bewusst zu werden, welche geistigen Quellen mich nähren. Werte zu prüfen, ob sie umgesetzt oder eben nicht so tief empfunden wurden, dass sie gelebter Alltag werden konnten und wie das für 2020 neu aufgegriffen werden mag. Freundschaften daraufhin zu betrachten, ob sie tragen oder nicht mehr weiter Bestandteil meines Lebens sind. Meine geistige Verortung anzuschauen, ob sie trägt und Verantwortung für das übernehmen, was 2019 geleistet, aber auch, was versäumt, nicht beachtet, vergessen wurde.
Und mich zu wundern, warum eine riesige Buchhandlung ein Benimmbuch im Regal hat, aber gefühlt 40.000 Kochbücher. Nur so viel dazu, warum ich es gern vermeide, in die Stadt zu gehen.
Allen einen freudigen Jupitertag mit einem schönen Wahrnehmen dessen, was euch an diesem Tag wahrhaft freut. Wie viele Momente schenkt uns so ein Tag in seinen 24 Stunden an Freude! Ist das nicht wunderbar? Werden wir doch an Donnerstagen Freude-Detektive. Dann verschiebt sich auch die hochbeliebte Meckerbrille ein wenig und wird lichter und leichter.
Danke an Theresa für das entspannte Foto aus der Liege vom Sommerstadtstrand auf die Festung.