Heilungsprozesse können lange dauern. Das gilt nicht nur für körperliche Themen, sondern für so gut wie alles, was heilen möchte. Das vergessen wir gern in unserer „Ruckzuck“-Gesellschaft, in der alles fix und sofort gehen soll. Diese Haltung macht etwas mit Menschen. Wenn ein älterer Mensch am Knie ambulant operiert wird und alleine lebt – wie kommt er zurecht mit der Tatsache, dass er sein Bein vielleicht Tage nicht belasten darf? Wer hilft ihm, wenn er das vorab nicht wusste, dass er ja auch zu Kontrollen muss, zur Physio oder ganz banal mal auf die Toilette?
Alt, krank, behindert sind die großen Tabuthemen dieser Gesellschaft. Eine Gesellschaft und ihren ethisch-moralischen Zusammenhalt erkennt man an ihrem Umgang mit Alter, mit Krankheit und Behinderung. Wenn diese These stimmt, schaut es nicht gut aus mit unserer Gesellschaft. An der Tür unseres Bioladens prangt das Schild der Kampagne „Öko statt Ego“. Das ist sinnig, juckt aber viele ebenso wenig wie die Frage nach einem gelingenden Umgang mit den Randgruppen. Gern wird dann „der Staat“ angefordert, von dem man ansonsten wenig sehen will.
Wer ist denn bitte der Staat? Jeder Einzelne ist der Staat. Der Ozean besteht aus Millionen von Wassertropfen, dieser Staat aus 80 Millionen Einwohnern, die die Spitze des Staats wählen und bei allen Wahlen neu entscheiden können. Das bedeutet – Verantwortung tragen. Die Wähler für das, was sie wählen. Die Gewählten dafür, dass sie nach der Wahl ihre Vorversprechen nicht mit Sachzwängen abtun.
Das Zauberwort für alles lautet „Übernimm Verantwortung“. Verantwortung dafür, wie du dich fühlst – das tust allein du selbst, denn keiner hat die Macht, deine Laune positiv oder negativ zu beeinflussen, es sei denn, du erlaubst das. Verantwortung dafür, was du willst – wer mit dem Billigflieger in die Ferien all inclusive fahren will, handelt und muss sich das bewusst machen, wie er das tut. Alles hat Konsequenzen.
Es wird Zeit, das Anspruchsdenken fahren zu lassen und die Verantwortung zu übernehmen. Unzählige Arbeitsplätze in der Pflege sind unbesetzt. Menschen haben keine Ansprache, weil keiner da ist, der das tun könnte. Das Personal, das vor Ort ist, gibt alles, damit es den Menschen soweit gut geht, doch jedes Plus ist nicht mehr leistbar. Ehrenamtliche versuche auszugleichen, doch es reicht nicht.
Frage – wie willst du selbst leben, wenn du alt, krank, behindert bist? Was bist du bereit, jetzt zu tun, damit Menschen, die alt, krank und behindert sind, würdig leben können und du selbst auch, wenn es dich eines Tages betrifft? Eine Gesellschaft, die ihre Verantwortung für einen Appel und ein Ei verschenkt, um sich vermeintliche Freiheiten zu erkaufen, erschafft sich ihren künftigen Käfig selbst, ohne das auf dem Schirm zu haben. Sei du selbst die Veränderung, die du in der Welt sehen willst, hat Mahatma Gandhi gesagt. Wer also willst du sein, heute, morgen, künftig?
Allen einen erkenntnisreichen und freudigen Jupitertag. Das wunderbare Seefoto hat Katja gemacht. Danke!