Vertrauen ist die Grundlage des Lebens. Wenn ich nicht darauf vertraue, dass andere Menschen ihren Anteil an Verantwortung übernehmen, wie sollte ich da in ein Auto, einen Flieger, einen Zug steigen? Ich vertraue dem Piloten, dem Lokführer, den Verkehrsteilnehmern, dass sie wissen, was sie tun. Ohne Vertrauen entsteht Angst und Angst ist ein schlechter Ratgeber.
Als wir Kinder waren, gab es im Dorf keine abgeschlossenen, kamerabewehrten Häuser. Überall konnte man die Tür öffnen, Hallo reinschreien und man schloss sie sorgfältig wieder, wenn keiner da war. Pakete wurden vor der Haustür abgelegt und nicht entwendet. Nachts konnte man im Sommer alles offen lassen ohne Sorge, dass jemand einsteigt. Wir konnten den ganzen Mittag draußen spielen ohne Gefahr. In meiner gesamten Kindheit ist dieses Vertrauen nicht enttäuscht worden. Das ist eine großartige Grundlage für das Leben. Erst später begegneten mir Misstrauen, geschlossene Türen, die Anmerkung, nachts nicht allein in der Großstadt rumzuspazieren, das sei gefährlich, der Mensch wäre des Menschen größter Feind. Auch das habe ich erlebt.
Wir brauchen trotzdem Vertrauen in die anderen. Und wir können wählen, wem wir vertrauen. Ich vertraue bestimmten Marken, dass sie die Standards, die sie proklamieren, auch einhalten. Meinem Bäcker, dass das Brot enthält, was er deklariert. Meinem Biohändler, dass er sorgsam ist. Ich vertraue anderen Menschen, dass sie mich nicht anlügen, dass sie mir Vertrauen gegenüber bringen, damit wir miteinander gut arbeiten können.
Natürlich ist ein Mensch meines Alters nicht (nur) blauäugig oder hängt der Illusion nach, die Welt sei gut und die Menschen drauf auch. Der Zynismus der 20er, der mich verächtlich auf die Menschheit und ihre „Entwicklung“ blicken ließ, ist vorbei. Geschadet hat er nur mir selbst. Er ist der Erkenntnis gewichen – Vertrauen ist unsere geheime Ansage gegen Angst. Und das beginnt bei mir selbst. Vertraue ich mir selbst genug? Übernehme ich Verantwortung auch selbst oder erwarte ich sie nur von anderen? Und ist Erwartung überhaupt angemessen? Von wem darf ich denn etwas erwarten, wenn nicht ausschließlich von mir?
Wer nur in seinem eigenen Feld sitzt, seine Begrenzungen als Sicherheitszaun betrachtet, kann dem anderen nicht vertrauen, ihm keine offene Tür anbieten. Jeder Mensch hat vielleicht aus seiner Warte aus Recht und ich sehe seine Sicht nicht, weil ich meine habe. Bleiben wir offen, bleiben wir neugierig, hören wir zu und lernen wir. Verlassen wir die Box unserer Begrenzung und treffen uns jenseits unserer bisherigen Vorstellungen. Im Bereich der Möglichkeiten finden sich die Lösungen, die unsere Schachteldenke nicht bietet. Out of the box ist nicht nur Dangerzone, sondern „where magic happens“.
Allen mehr Mut zum Vertrauen. Sich selbst und anderen gegenüber. Wir alle wünschen uns Verbundenheit. Ihre Fäden sind aus Vertrauen, Liebe, Offenheit und Freude geknüpft. Das wäre doch mal ein World Wide Web, oder?
Danke an Theresa für das Sonnenaufgangsfoto auf dem Camino.