Erkenntnis ist nur der Trostpreis – wie oft sage ich diesen Satz. Klienten hören ihn, Schüler auch. Erkenntnis ist schön, wenn man sie denn hat. Doch nutzt alle Erkenntnis nichts, wenn wir nichts daraus machen. Es geht immer darum, aus einer Erkenntnis die notwendigen Handlungsimpulse abzuleiten und dann in einer feinen Teamarbeit zwischen Kopf, Herz und Bauch drei Buchstaben zu berücksichtigen: TUN.
Manchmal sind es Kleinigkeiten nur, die zu tun sind. Manchmal ergeben sich aus Kleinigkeiten hochumwälzende Dinge, bei denen dann kein Stein mehr auf dem anderen bleibt und sich alles verändert. So, als kaufe man ein neues Möbelstück und mit einem Mal fällt einem auf, wie unschön die Tapete ist, dann passt der Teppich nicht mehr dazu und irgendwann artet das in die Komplettsanierung des Hauses aus. Gelegentlich ist es das Beste, was man tun kann, gleich gründlich die Dinge zu verändern, anstatt über den Fleck an der Wand ein Bild zu hängen, bei dem man bei jedem Draufschauen WEISS, dass darunter ein Fleck ist.
So ist es derzeit in vielen Familien. Da hat sich in Jahrzehnten vieles angesammelt, fein unterm Teppich, und nun ploppen allseits viele Themen auf, ausgelöst durch das Jahr und seine Kraft. Wie alle Veränderungszeiten, in denen die Menschheit eingeladen ist, Quantensprünge für möglich zu halten, dürfen wir uns von vielem trennen, was nicht mehr in unser Leben passt – überkommenen Meinungen und Ansichten. Falschen Partnern. Berufen, die keine Berufung sind. Illusionen, denen wir uns keine Sekunde länger mehr hingeben können und wollen. Ehrlichkeit, Klarheit und Wahrheit, drei relativ unerbittliche Durchleuchter dunkler Ecken in unseren Herzen, unserer Seele und unserem Denken.
Wir steuern aufs Jahresende zu und auch wenn der Sonnenschein uns vorgaukelt, es sei noch restlicher Spätsommer – wir wissen, dass wir seit dem Monatsanfang in der dunklen Hälfte des Jahres sind, in der die Schleier zwischen den Welten durchlässig werden. Leben und Tod berühren sich eng und so geht es in den Praxisstunden oft um diese Fragen. Der Tod rückt näher in den Blick in diesem Jahr und so setzen sich endlich die Menschen ehrlicher und direkter mit diesem Thema auseinander. Jeder weiß um seine Endlichkeit, doch drängen wir das Thema gern sehr weit an den Rand, sourcen Krankheit, Behinderung und Sterbeprozesse aus in spezielle Einrichtungen, anstatt sie dahin zurückzubringen, wo sie hingehören: direkt in die Familie hinein. Wer den Kreislauf von Geborenwerden und Sterben manches Mal erlebt, steht anders in seiner Lebensrealität und weiß sich aufgehobener nicht nur in diesem großen Kreislauf, sondern auch in den Jahreszeiten und in jedem Tag, jeder Stunde, jedem Moment. Denn alles sind Fraktale der Ewigkeit, die einen schönen Blick durchs Kaleidoskop ergeben, wenn wir den Mut haben, ins Licht zu schauen.
Allen einen tatkräftigen Dienstag!
Den Farbrausch, den der Herbst 2020 jeden Tag in Fülle schenkt, hat Maike im Weinberg festgehalten. Danke.