Klarheit

Die Gespräche in der Praxis haben derzeit eine interessante Qualität. Menschen stellen sehr, sehr tiefe Fragen, sind mit Leben und Tod in allen Facetten konfrontiert, auch im übertragenen Sinne. Krasse Zeiten, krasse Fragen. Eine Klientin stellte gestern fest, dass sie aus lauter Liebe und Rücksichtnahme ein ganzes Gespinst aus Halbwahrheiten entwickelt hat und sich nun vorkommt wie die Fliege im Spinnennetz. Jede weitere Bewegung schnürt sie enger.

Das Bild könnte man gerade auf die Welt übertragen. Wir sind in einem Netz aus Unwahrheiten und ungesunden Entwicklungen. Systeme sind überaltert, das Wachstum der letzten Jahrzehnte war nicht auf stabile Fundamente für die Zukunft ausgelegt, sondern auf Ausmelken. Wir hängen in vielem anderen Ländern hinterher und weiterhin das Gegenteil. Wir proklamieren Ansprüche wie Kredite ohne Sicherheiten bieten zu können.

So krass Wahrheit sein kann, sie befreit, schafft Klarheit, dann kann man sich zusammensetzen und gemeinsam überlegen, wo und wie es weitergehen kann.

Weiß jemand zufällig, wo das Kind aus dem Andersen-Märchen abgeblieben ist, das über den Kaiser gesagt hat: „Aber er hat ja nichts an!“

Wir haben schon lange nichts mehr an und tun so, als wären wir in Goldbrokat gewandet.

 

Im Spiegel erkennen wir so manches. Stephanie hat dieses tolle Foto gemacht. Danke!

 

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