Schale sein, die sich füllt und erst dann ausgießt – das war gestern Abend ein schöner Moment im Stille-Seminar in Kitzingen in der Alten Synagoge, als eine Kursteilnehmerin diesen Text von Bernard von Clairveaux vorlas. Vorher hatten wir die Meditation der Liebenden Güte gemacht, die genau das thematisiert: Erst sich selbst versorgen, den Krug füllen, damit man ausgießen kann ohne Not.
Am nächsten Dienstag, 22. 2. 2022 (großartiges Datum!) ist in der alten Synagoge der Vortrag über „Salutogenese“. Gern einfach kommen, an der Abendkasse wird ein kleiner Unkostenbeitrag erhoben. Wir befassen uns mit der Frage, was uns gesund erhält und überlegen, was das mit Lebenssinn, Machbarkeit und Verständnis zu tun haben könnte.
Zweimal ging es gestern um Kinder in Terminen. Einmal um ein kleines wildes Kind, das sehr lebhaft ist, nachts oft aufwacht und etwas essen möchte, weil es großen Hunger hat, nicht gern mit anderen Kindern zusammen spielt und einen starken Willen hat. Das zweite Mal um einen Jungen, der gerade mit dem Ankommen im Gymnasium ringt. Die Leichtigkeit, mit der Grundschule gemeistert wurde, ist vorbei. Jetzt kommt es darauf an, sich gute Lerntechniken anzueignen und gut geführt zu werden, weil der dritte Verweis wegen Aggressivität im Raum steht.
Über Jahre habe ich einen Elterntreff geleitet, bei dem Eltern in Erziehungsfragen unterstützt wurden. Damals kamen stets die Eltern, die ohnehin sehr engagiert und achtsam waren. Ein Kind ist nichts, was ich „nebenher“ großziehen kann. Es verlangt tägliche Wachheit von den Eltern, Achtsamkeit und klare Regeln. Je kleiner das Kind, desto enger die Leitplanken, damit es Schutz und Sicherheit hat. Mit Dreijährigen muss ich nicht zwei Stunden diskutieren, welche Hose sie tragen. Elfjährige mit Wochenendbeschäftigung Spielkonsole und asozialen Medien wissen nicht, was sie da ihrem Gehirn antun.
Die letzten Jahre mit ihren Herausforderungen haben nichts Gutes beigetragen, damit Eltern und Kinder bestens aufgestellt sind. Ich sehe mutlose Kinder, die sich fragen, warum sie überhaupt in die Schule gehen. Junge Mädchen mit massiven Essstörungen, Schnittverletzungen. Verweigerung an allen Ecken und Enden.
Aufgefordert ist hier die Gesamtgesellschaft. Kinder sind Nachahmungswesen in den ersten sieben Jahren. Jugendliche brauchen Ermutigung, sich zu entwickeln. Junge Erwachsene benötigen Herausforderungen, um zu wachsen, Perspektiven und Möglichkeiten, sich zu probieren.
Kinder sind das Wichtigste, was eine Gesellschaft besitzt, denn sie werden die Zukunft gestalten. Das tun sie, stehend auf dem Fundament, dass die Erwachsenengeneration ihnen ermöglicht. Wenn wir die letzten 24 Monate nicht schleunigst verwandeln in Mut, wenn wir nicht aus der Angst herauskommen und, weiter Panik statt Machbarkeit füttern, töten wir das Potential von Genies. Dazu haben wir Erwachsenen kein Recht.
Es ist unsere Aufgabe, Kinder zu ermutigen. Ihnen die Schönheit des Planeten zu zeigen, damit sie ihn aus tiefer Liebe schützen. Sie mit Liebe zu hegen und zu pflegen, ein freundliches Auge auf sie haben mit der inneren Haltung eines Gärtners, der sehr wohl die Schere einzusetzen weiß, wenn es nötig ist, auch mal einen Stützstab anbringt oder etwas radikal beschneiden muss. Unsere Aufgabe ist es, ihr Potential zu heiligen, auf dass sie es quer gegen Paradigmen denkend und experimentierend nutzen, um unkonventionelle Lösungen zu finden. Out of the box-Denken lernt sich nicht in einem Umfeld der Einengung. Dazu braucht es Erwachsene, die wissen, dass jedes Problem Lösungen ermöglicht, die uns wachsen lassen. Die daran glauben, dass wir alle gemeinsam den Planeten retten werden. Die fördern und fordern, die leiten und erklären, wo es nötig ist. Die auf das lauschen, was aus dem Kind kommt und dem folgen, anstatt es in eine Form zu pressen, die nicht passt. Eltern sein ist eine Herausforderung. Helfen wir Eltern, ihren Auftrag bestmöglich zu erfüllen. DAS ist das beste Investment in die Zukunft der Welt.
Danke an Katja für die Sommervorfreude.