Gestern ging es beim Abendessen um eine bei uns beliebte Diskussionsfrage: Was ist Beruf, was ist Berufung? Auslöser war eine Aussage vom Tag, als jemand sagte, Berufung müsse doch etwas sein, das „groß“ sei. Irgendwie „der Oberhammer“. Da wäre es doch sicher so, dass man im Innersten wie geflasht von etwas sei, das einen von klein auf vorantreibe. Die dahinterstehende Frage war: Wie finde ich meine Berufung, wenn mich nichts „Großes“ ruft?
Vielleicht darf man mit ein paar Annahmen Schluss machen. Es ist keine Frage der „Größe“ der Aufgabe oder „der Berühmtheit“ oder was immer, um sich zu etwas berufen zu fühlen. Ich glaube, wenn wir das, was wir tun, aus vollstem Herzen lieben, egal, was das ist, sind wir berufen.
Beppo Straßenkehrer in Momo war berufen, Straßen zu kehren, denn er tat es mit Liebe, mit Sorgfalt und tiefstem meditativen Herzen. Andere Menschen pflegen alte oder kranke oder behinderte Menschen und sind dazu berufen. Es ist wenig spektakulär, jemanden zu füttern und für die Person, die gefüttert wird, lebenswichtig. Also – ist das dann groß? Es ist absolut lebenswichtig und wunderbar, wenn es achtsam und mit Geduld geschehen darf.
Wir wachen nicht eines Tages auf und „sind berufen“. Oft genug wachsen wir in unsere Berufungen hinein. Wir sind angekommen, wenn wir tun, was wir lieben. Wenn wir morgens aufstehen und unser „Ikigai“ ist präsent, der Grund, morgens aufzustehen. Es ist vollkommen egal, was wir tun, wenn es aus Liebe, Überzeugung, mit Freude geschieht. Es ist nicht notwendig, auf einen „Ruf“ zu warten. Da erscheint vermutlich keine gute Fee am Bett und schwingt funkensprühend einen Zauberstab und sagt: „Magic! Du bist dazu berufen, xy zu tun“.
Wie finden wir Berufung? Indem wir uns in die Stille begeben, denn nur dort hören wir die innere Stimme, die spricht. Sie ist sehr leise, wird den ganzen Tag überbrüllt vom Ego und seinen Dauerwünschen nach diesem und jenem. In der Stille finden wir die Freude und wenn wir der folgen, sind wir mitten auf dem Weg der Berufung. Den geh einfach. Schritt für Schritt. Wie Beppo Straßenkehrer. Und dann weißt du eines Tages – es ist genau das, was du schon immer machen wolltest. Und dann ist es mit einem Schlag groß. Herzensgroß. Magic.
Allen einen beweglichen und bewegenden Merkurtag.
Danke an Steffi für das Foto des Weges. Welchen möchtest DU gehen? So ganz aus tiefstem Herzen heraus ab sofort? Was hält dich davon ab? Wieso lässt du das zu?