Mein Beruf bringt es mit sich, dass ich viele Menschen sehe. Manche kommen von sich aus, andere werden geschickt – „wenn du nicht … dann lass ich mich scheiden“ oder es sind Kinder, die sich das auch nicht ausgesucht haben. Das ist die Gruppe der Klienten, vor der ich am meisten Respekt habe, denn sie müssen sich einer fremden Person gegenübersehen, die sie nicht kennen, der sie aber sagen sollen, wo sie der Schuh drückt und das oft in Anwesenheit der Eltern oder Geschwister, die neugierig sind, was ja jetzt wohl ans Licht kommen mag.
Kinder sind großartig. Kinder sind Meister des Überlebens. Kinder sind pragmatisch. Sie erkennen sofort, was Sache ist. Sie gehen neugierig an die Welt heran und erwarten, dass die Welt ebenso neugierig auf sie ist. Sie ergreifen die Welt mit ihren Händen und hoffen, dass die Welt ihre Hände nicht zertrümmert, sondern liebevoll annimmt. Sie öffnen ihr Herz und zeigen, was sie denken und fühlen. Wenn sie älter sind, haben sie bereits jede Menge Erfahrungen gemacht, gute und schlechte. Sie sollen den Erwartungen entsprechen, sich einfügen, bereits als kleines Kind ganztägig berufstägig in einer Institution sein, die das feine Wort des „Kindergartens“, in dem man hoffentlich wachsen und werden durfte, nicht mehr trägt, sondern neudeutsch den Begriff „KITA“ in die Welt hackt. Dort werden sie großgezogen in einer Gruppe Menschen, die das gleiche Schicksal teilen, weil die Eltern berufstätig sein müssen, um Haus, Auto und Unterbringung zu finanzieren, weil es sonst nicht reicht. Kein Wunder, dass manches Kind nicht ins „so pflegeleicht wie möglich“-System passt. Vierjährige haben bereits Ergotherapeuten, Logopäden, Tagesmütter und Psychologen. Und sie haben Angst. So viel Angst, dass daraus im Lauf der Jahre Depressionen werden können, Lebensverweigerungen. Sie ritzen und hungern, um auf sich aufmerksam zu machen. Sie stehen wie nackt im eisig kalten Wind der Welt und warten auf einen barmherzigen Samariter, der ihnen sagt, dass Nonkonformität ein Qualitätskriterium ist. Der ihnen zugesteht, Dinge anders, neu, kreativ zu denken, denn nur das rettet diese Welt. Sie werden mit Fähigkeiten für die Zukunft geboren und oft von Menschen begleitet, die den status quo mit aller Macht aufrechterhalten wollen, weil sie selbst Angst haben.
Kinder an die Macht? Nein. Vielleicht noch nicht. Aber: Würde! Würde! Gebt den Kindern ihre Würde zurück. Lasst sie Liebe der Eltern spüren, anstatt sie in Institutionen zu pressen. Lasst sie rennen, toben, hüpfen, damit sie später Balancen wahren können. Nehmt ihnen ihre Angst, aber schaut in ihre Augen, nicht auf Displays. Lauscht ihren Weisheiten, denn sie bringen den Himmel auf die Erde und seine Wahrheiten mit in ihrem Lebensgepäck. Nehmt sie ernst und achtet ihre Integrität. Lasst sie bunt und vielfältig sein, diese Welt wird nicht von Einheitsschwachhirnen gerettet, sondern von denen, die den Mut haben, alles in Frage zu stellen, neu zu sehen, unbequem zu sein. Weniger „mein Kind ist nicht normal“, sondern ein „wie viel verrückt ist gut“?
Danke allen Eltern, die mir in diesem Jahr ihre Kinder vorgestellt haben. Ich habe viele Meisterinnen und Meister gesehen, die großartige Dinge mit auf diesen Planeten bringen. Mit ihren Ängsten werden sie fertig. Sie brauchen dazu nur ein Umfeld, das ihnen Vertrauen schenkt, ihre Besonderheit nicht als Manko, sondern als Qualität schätzt und Liebe, Liebe, Liebe. Danke allen Kindern, die mir ihre Nöte anvertraut haben. Mir gesagt haben, was sie drückt, aber auch, was sie freut. Die mir gezeigt haben, was sie mitgebracht haben aus den Weiten des Kosmos, aus denen sie hierhergekommen sind auf die Erde, um sie zu einem guten Ort für alle zu machen. Einem gesunden, heilen, ganzen Raum für alle.
Allen einen Mittwoch voller Entdeckerfreude und einen Tag der Ermutigung für alle Kinder! Seid einzigartig, wunderbar und zeigt uns, wie Leben geht.