Donnerstags-Nachdenk-Input

Seltsam. Ein Requiem im Internet, weil man persönlich nicht anwesend sein darf. Der Server des Klosters, in dessen Kirche das Requiem stattfindet und übertragen wird, bricht zusammen, Stunden später kann man das Requiem auf you tube anschauen. Die Kamera filmt von der Empore. Im Gestühl sitzen die Mönche und singen. Ein schlichter Holzsarg steht im Raum. Ein großer Mensch wird verabschiedet, der so vielen Menschen wie ein Leuchtturm im Leben wichtige Richtungen gewiesen hat. Schon als Studenten sind wir ihm begegnet. Regelmäßig haben sich die Wege gekreuzt, obwohl wir nie Schüler waren. Wenn wir tütenbepackt über den Hof gingen, spitzt er gern in die Tüten und kommentierte das Gekaufte. Als wir eine Holzmeditationsbank unterm Arm hatten, meinte er lächelnd „nutzt sie auch gut“. Tun wir.

Gestern in dieser extrem seltsamen Atmosphäre vor dem Bildschirm mit dem Blick in eine vertraute Kirche aus ungewohnter Perspektive habe ich lange darüber nachgedacht, wie wichtig manche Menschen für unser Leben sind. Sie haben uns tief geprägt, unserem Leben entscheidende Wenden gegeben, manchmal unser Leben erst sinnvoll gemacht. Mir zumindest ging es so, dass ich immer dann, wenn es notwendig war, einem Leuchtturm begegnet bin, der mir Türen aufgezeigt hat, die nun zu betreten waren. Diese Menschen waren nie einfach. Sie forderten nichts und zeigten auf, sie waren restlos überzeugt, dass ich die innere Arbeit gut selbst tun kann. An diesen Menschen wächst man. Sie stehen absolut klar im Leben. Sie wanken nicht. Sie sind absolut verlässlich. Ruhig. Besonnen, Wenn sie sprechen, hat es Gewicht. Ein paar meiner Leuchttürme sind schon über die Schwelle gegangen. Einige leben zum Glück noch und stehen weiterhin an Bifurkationspunkten meines Lebens. Nicht, dass sie mir den Weg wiesen, keinesfalls. Sie stehen da und vermitteln mir das Gefühl „du wirst es lösen“ und auch das Wissen „so oder so – du kommst da raus, wo du rauskommen sollst. Geh und lerne.“

In meiner Arbeit mit Menschen in der Heilpraktiker-für-Psychotherapiepraxis SeelenGarten und in unserer Schule LebensRaum versuchen wir, zu stehen. Ruhe und Schutz zu bieten für die Zeit, in der das notwendig ist und jemanden froh ziehen zu lassen, weil wir wissen – er oder sie wird es auf seine Weise genau richtig machen. In diesen Tagen sitze ich jeden Tag mehrere Stunden am kostenfreien Sorgentelefon. Die Sprechstunden sind auch auf Telefon umgestellt. Die Kurse, die online möglich sind, laufen online. Wir dürfen nehmen, wir dürfen geben. So geht der Kreis, wie die Zahnräder auf dem Foto. Sie greifen ineinander, das große Ganze funktioniert nur so. Jeder von uns kann so ein Zahnrad sein, das ein anderes bewegt, aber auch von anderen bewegt und damit berührt werden darf.

Allen einen bewegenden Jupitertag.

Auch dieses Foto hat Ursula gemacht, der ich sehr dankbar bin für ihre tollen Bilder. Ich freue mich stets über schöne Fotos, wie herrlich, wenn so viele Menschen so gute Fotoaugen haben.

Kommentar posten