Wolken gibt es wieder am Himmel! Was habe ich sie vermisst im Sommer. Ich mag Wolken, vor allem, wenn ich sie im Wasser liegend betrachten kann, am Morgen oder am Abend, wenn die einzigen Momente des Tages sind, an dem ich verstehe, was mit dem Wort „pfirsichblüt“ als Farbe gemeint ist. Da fällt mir ein, dass Goethe sein Werk über die Farben als wichtiger betrachtet hat als seine literarischen Werke. Erstaunlich, oder? Die Forschung kommt erst langsam drauf, dass auch Goethe in seiner Farbenlehre Erkenntnisse formuliert, die genauso richtig sind wie das, was wir heute naturwissenschaftlich denken. Auch wenn wir vieles nicht wiegen, messen, belegen können, müssen wir uns doch eingestehen, dass es Dinge gibt, die wir einfach nicht erklären können. Noch nicht. Warum also lehnen wir alles ab, wofür es noch keine Nachweismöglichkeiten gibt? Schauen wir doch eher, was wir lernen können von Menschen, die Dinge wahrnehmen, die wir mit unseren irdischen Sinnen nicht wahrnehmen können. Machen wir unsere Erkenntnistore ruhig weit auf und hören auf die Kinder, die so vieles noch sehen und erleben können, was wir alle konnten, ehe es uns abtrainiert wurde, weil es „keine Zwerge und Engel“ gibt. Ist das so? Wirklich? Ich glaube nicht.
Derzeit höre ich von einigen Menschen, die ein Sabbatical machen, dass sie die Frage bewegt, wie man das Jahr am besten verbringt. Die einen wollen möglichst viel erleben und erfahren und brechen sich direkt in der zweiten Woche kompliziert das Bein und müssen alle Reisepläne auf Eis legen. Andere sagen, sie haben Angst vor sich selbst. Angst, zu erleben, dass sie die Zeit nicht füllen können. Auf die Frage, warum denn alles vollgestopft werden soll mit blindem Aktionismus, hörte ich: „ich muss das Jahr doch ausnutzen“. Wir haben verlernt, zu leben. Wir haben verlernt, dass Zeit nicht existiert. Wir haben aufgehört, hinzulauschen, hinzublicken, wahrzunehmen und den Zauber des Moments zu erleben. Vor dem Wohnzimmerfenster blühen leuchtend orange die Ringelblumen. Wie herrlich ist eine einzelne Blüte, was für ein Wunder und welche Wirkstoffe! Allein dieser Anblick kann mich so vieles lehren. Dazu muss ich nicht einen Meter verreisen. Nicht blind umherhetzen. Nur wahrnehmen und mich einladen lassen von dieser Blüte, vor die Pflanze zu treten, sie anzuschauen, mir ihre Geschichte erzählen zu lassen und zu staunen, wie dieses Orange leuchtet, wenn die Dunkelheit schon am frühen Nachmittag kommt. Das betrachte ich als gelebte Zeit, wenn ich mich beschenken lassen kann von der Kraft der Momente. Vom Duft einer Blume. Ihrer Farbe. Und ihrer Schönheit, die kein Mensch so herstellen kann wie die Künstlerin Natur. Und wenn ich dann in der Betrachtung der Pflanze meinen Tee trinke, glaube ich fast, die Zwerge in meinem Garten senden mir ihren Laternengruß.
Allen Momente des Innehaltens. Momente des Entdeckens und Dankens und der leisen Freude über die wunderbare Natur. Allen einen Merkurtag voller Wunder.