Zeit! Ein ganz böses Nichtwort. Zeit darf man nicht sagen. Die bloße Erwähnung könnte sie schon verringern! Wenn ich sage: „Zeit ist relativ. Hast du schon bemerkt, dass an manchen Tagen die Zeit ganz grässlich langsam ist und an anderen kommst du zu nix, auch wenn du das Gleiche machst?“ kommt ein Augenrollen Marke „lass mich bloß in Frieden, ich hab keine Zeit für so einen Quatsch“.
Wo sind sie hin, die Zeiten, in denen Zeit so endlos wie ein Kaugummi war zwischen Weihnachten und Weihnachten? Wo wir eine lange Weile hatten, um uns jede Menge Unfug auszudenken? Es gehört zum guten Ton, sich über Zeit aufzuregen, stets, weil angeblich zu wenig davon da ist.
Ich finde, das stimmt nicht. Jeder Mensch bekommt jeden Tag 1440 Minuten, die er sich einteilen kann. Je nach Typ braucht er Zeit zum Schlafen, zum Essen, zum Danken/Beten. Zeit für die Arbeit und Zeit für das Denken. Zeit fürs Nixtun und Zeit für Planung. Lesezeit! Musikzeit! Bewegungszeit! Blumengieß- und Bewunderungszeit! Also Zeiten für das Wesentliche.
Wir haben nur einen unterschiedlichen Umgang mit Zeit, zum Beispiel glauben wir, dass Zeit vorne anfängt und irgendwo hinten endet, quasi Geburt und Tod. Ist das so? Ist Zeit ein Strahl mit Richtung, also Anfang und Ziel?
Ich halte Zeit für eine fiese Erfindung, um Menschen den Tag zu verleiden. Ich sehe kein Tier mit Uhr, kein Vogel schaut auf eine Watch am Fuß, um einzuteilen, ob er nun einen Wurm fängt oder es die beste Zeit für Gesang wäre und doch ist jeden Morgen auf die Sekunde pünktlich die Amsel am Start. Ohne Uhr, ohne WhatsApp, ohne Memofunktion. Einfach, weil sie es weiß von sich heraus. Was würde denn passieren, wenn wir ohne Uhren wären?
Ich bin immer ohne Uhr und erreiche meine Züge, starte Kurse pünktlich. In unserem Haus sind die Menschen irritiert, weil alle Uhren anders gehen. Eine im Flur, eine wunderbare englische Rosenuhr mit zwei Ziffernblättern, ist die Krönung. Eine der beiden Uhren ist um 5 vor 12 stehen geblieben. Seit dem Stillstand läuft die andere Batterie ohne Unterbruch, erstaunlich. Ich bin gespannt, ob sie eines Tages auf 5 nach 12 stehen bleibt, lang kanns nicht mehr dauern.
Wir lassen uns takten, doch Takt macht krank. Rhythmus ist lebendig, Takt tödlich, es braucht den Schnaufmoment, den Unterschied zwischen Rhythmus und Takt im Leben. Wer gibt den immer schnelleren Takt denn vor?
Herzliche Einladung – vergesst mal diese Uhrensache. Kommt zum Wesentlichen, der Frage nämlich, wie ihr diesen Montag füllen wollt! In Baden Württemberg gibt es im Werbefunk das Pferdle und das Äffle, Idole meiner Jugend natürlich. In einem Spot sagt das Äffle: Des isch eine Affenuhr, zählt die Bananenstunden nur! – wie wäre es, wenn morgen auf eurer Uhr die wahrhaft gelebte Zeit festhaltet? Nämlich die, die ihr mit Leben gefüllt habt?
Tolle 1440 Minuten euch!
Den geheimnisvollen Wald hat Theresa auf dem Jakobsweg durchquert. Hat ne Zeit gedauert 🙂