Dame Cicely Saunders ist leider nicht allzu bekannt hierzulande, dabei verdanken es Abertausende sterbender Menschen ihr und der Hospizbewegung, dass sie in Würde ihre letzten Tage verleben können. Die Ärztin, Krankenschwester und Sozialarbeiterin Saunders, die 1918 geboren wurde und 2005 starb, begründete die moderne Hospizbewegung und sorgte durch die Palliative Care-Regeln, die 1977 auch bei uns angekommen waren, dafür, dass bis zum Lebensende Würde und Selbstbestimmung am Krankenbett sowohl im außerhäuslichen wie im heimischen Bereich Einzug halten konnten. Bei uns ist das Gedankengut von Saunders zu wenig bekannt. Sterben gehört wie Krankheit generell, wie Alter und Behinderung, in unserer Gesellschaft zu den Tabuthemen. Das ist blauäugig, denn gerade beim Thema Sterben ist vermutlich bislang keiner ausgenommen.
Wie wenig auch Therapeuten das Thema auf dem Schirm haben, wurde am Wochenende deutlich, denn ein Abschlussarbeitsthema der Cardeaausbildung befasste sich mit Hospizarbeit, Palliativ Care und Leben am Ende des Lebenswegs. Die Kurskolleg:innen erfuhren jede Menge Neues, zum Beispiel über die Dignitiy Therapy, die Menschen am Lebensende viel Erleichterung verschaffen kann, wenn Dinge noch ausgesprochen werden können, die sonst vielleicht keinen Raum finden.
Wie viel eine Gesellschaft taugt, sieht man daran, wie sie mit den Randgruppen umgeht und Tabuthemen betrachtet. Nachdem jeder von uns mit dem Tod konfrontiert sein wird, ist mir unbegreiflich, wieso man dieses wesentliche Thema ausgrenzen kann. In der Therapie ist es unglaublich oft Thema und wenn dieses Fass aufgemacht wird, erkennt man auch erst einmal, mit wie viel Ängsten und Nöten alles überfrachtet ist. Wir haben keine Angst vor dem Tod, wir haben Angst vor einem schweren Sterben. Und genau deshalb ist es wesentlich – und nicht erst, wenn man an einer vielleicht tödlichen Krankheit leidet -, dass man sich mit dem Thema befasst, über Patientenverfügungen, Vorsorgevollmachten, Grab, Art der Bestattung etc. Gedanken macht. Im Fall der Fälle müssen Angehörige in einer schwierigen Situation irgendwas aus dem Ärmel zaubern und am Ende ist es vielleicht nicht das, was sich die Person gewünscht hätte.
Gespräche über Mr X, wie manche Patienten den Tod gern nennen, sind mit die besten in meiner Arbeit. Sie sind ehrlich, tief und so voller Liebe und Lebendigkeit, dass wir beide beschenkt sind nach so einem Gespräch. Ars moriendi, die Kunst des Sterbens, gehört zur Ars vivendi, der Kunst des Lebens, untrennbar dazu. Wenn wir im Januar unser LebensKUNSTseminar starten, werden das die Pole sein, zwischen denen sich der Kurs aufbaut, denn „wer nicht stirbt eh er stirbt, der verdirbt, wenn er stirbt“ (wird Abraham a Sancta Clara zugeschrieben). Wer ein gutes Leben leben will, muss bereit sein, das Tor, durch das er bei seiner Geburt hereingeschritten kam, auch wieder herauszuschreiten. Bei der Geburt freuen sich die Menschen, dass ein neues Leben hier angekommen ist. Vielleicht freuen sich beim Tod andere Wesenheiten, wenn der Mensch wieder nach Hause kommt von seinem Ausflug auf den blauen Planeten und dort von möglichst vielen bunten Abenteuern berichten kann, die er auf seiner Reise erlebt hat!
Tod ist nicht schrecklich, sondern gehört mitten ins Leben und dazu. Sonst entsteht Angst und das muss nicht sein. Menschen wie Dame Cicely Saunders haben ihr Leben dieser Aufgabe gewidmet, anderen Menschen zu einem würdigen und angemessenen Tod zu verhelfen. Jeder von uns kann etwas dafür tun. Tod kennt keinen Stand, kein Alter und er kommt zu einer Zeit, in der wir vielleicht nicht damit rechnen, dabei schreitet er sein Leben lang ruhig neben uns her, bis die Stunde gekommen ist.
Allen einen kraftvollen Marstag und – sorgt vor. Leben wir jeden Tag so, dass wir jederzeit abtreten könnten. Das ist eine sehr gewagte Idee bei all den Plänen, die wir dauernd und so gerne haben. Doch eines wissen wir, auch wenn uns das nicht bewusst ist: Leben ist deshalb so kostbar, weil es eben endlich ist. Carpe diem.
Steffi war im Wald unterwegs und hat dieses tolle Bild mitgebracht. Dankeschön!