Hamburg
Das Hafenleid — die Alsterdiamanten —
Das sind für mich so fertige Begriffe,
Da fallen Zahlen um die großen Schiffe,
Wenn ich begönnert aber missverstanden
Zwischen den Reedern sitze an der Bar,
Die scheinbar nur um Whiskysoda knobeln.
Indessen denk ich immer vor den nobeln
Kaufherren an mein schlechtgekämmtes Haar.
Dann die, die aus den Schiffen sich verstreuen:
Unangenehme, plumpe Wunderlinge,
Sie schenken bluterlebte Wunderdinge
Und wollen nichts, als sich mit ändern freuen.
Wie sie das erste beste runter gießen,
So gierig wie die weißen Hafenraben — — —
Muss man den Schlüssel selbst erschmiedet haben,
Um ihre seltnen Märchen zu erschließen.
Und alles kenn‘ ich: Backbord, Luv und Lee,
Das »Rundstück warm«, die Segel und die Lichter,
Die hellen abgesalzenen Gesichter.
Fuhr ich vielleicht umsonst sechs Jahr zur See!
Hier bunte Ratsherrn flatternd um die Masten,
Dort steife Flaggen, die zur Börse hasten.
Und steife Grogs, Qualm, Tabak, Nebeldunst.
Du fragst nach Kunst? ach Hummel, Hummel — Kunst!
Nachts klang zwölf Glasen — (nein, vielleicht zwölf Uhr) —
Wie aus Westindien — dumpfes Dampfertuten,
Ich träumte (aber dieses lüg ich nur)
Ich träumte eben von der Tante Bur, —
Kann es wohl sein, dass Augenwimpern bluten?
Hier trink ich morgens Bier auf nüchtern Magen
Und häufe Wurst auf grobes, schwarzes Brot,
Und fühle mich so stark in jeder Not,
Ich würde mich hier schämen, je zu klagen.
Ringelnatz, Reisebriefe eines Artisten