In jedem Moment ist die Ewigkeit enthalten. Das ist eines der Geheimnisse, die Hermes Trismegistos auf Smaragdtafeln geschrieben haben soll. Wie oben, so unten. Wie außen, so innen – das gehört zu den Gesetzen des Universums. Einer meiner Ausbilder hat einmal einen Satz gesagt, den ich erstaunlich fand und erst im Laufe der Jahre verstand: „An der Art, wie ein Mensch seine Schuhe bindet, kann man seine Art erkennen, wie er das Leben insgesamt angeht.“ Insofern ist das im Goetheschen Sinne – der Augenblick repräsentiert die Ewigkeit.
Das sollte schon Grund genug sein, den Dingen eine gewisse Achtsamkeit zukommen zu lassen unter dem Aspekt – was kann ich daran insgesamt erkennen? Wir würden vielleicht ein wenig anders leben, wenn uns bewusst wäre, dass wir unser Schicksal, unsere Art zu leben, zu denken, zu handeln, in jeder einzelnen Geste, jedem Gedanken, allem ausdrücken, nicht nur in der Gesamtschau über ein Menschenleben hinweg betrachtet. Wir würden den Momenten des Lebens viel mehr Beachtung schenken und sie sehr bewusst leben – was könnte dadurch verändert werden!
Aufgefallen ist mir das beim Lesen eines Fragebogens. Man kann daran vieles erkennen – hat jemand sorgsam die Fragen angeschaut und beantwortet? Sich Mühe gegeben mit schöner Schrift? Alles am Rechner ausgefüllt? Wie schreibt ein Mensch? So, dass ich es gut lesen kann oder sehr individuell? Dieser Fragebogen war besonders. Von links oben nach rechts unten drängten sich winzig kleine Buchstaben. Sie hatten große Mühe, nicht aus dem Blatt zu purzeln, so ein Gedränge war das. Sie waren sorgsam gemalt. Jeder Buchstabe ein kleines Kunstwerk, aber so viele Kunstwerke! Ein wahres Wimmelbild.
Ich hielt das Blatt in leichter Überforderung für einen Moment der Ruhe verkehrt herum. Das war großartig. Nun sahen all diese kleinen winzigen Buchstaben nicht wie nur mit der Lupe lesbar aus. Es trat ein zauberhaftes Muster aus kleinen Vogelfüßchen im Schnee hervor. Auf dem weißen Blatt lauter Vogelspuren, getanzt, mit einer ganz eigenen Choreographie versehen. Wie eine Blume entfaltete sich der Tanz auf dem Blatt. Als wäre in der Mitte ein geheimer unbekannter Ausgangs- und Quellpunkt, von dem aus alles, wie mit einer Zentrifugalkraft beschleunigt, an den Rand fliegt.
Wenn ich den Menschen treffen werde, der mir diesen Fragebogen ausgefüllt hat, wird an seinem Platz ein Origamikranich stehen, den ich vor fast 15 Jahren geschenkt bekam. Er hat hier geduldig gewartet, bis ein Mensch kommt, der auf ihn aufpassen wird. Ich bin sehr gespannt, was geschieht.
Ist es nicht erstaunlich, dass sich selbst in einem einzigen geschriebenen Buchstaben so vieles zeigt? Darum, so schreibt Rumi, achte gut auf diesen Tag.
Allen ein wunderbares Wochenende, das vorletzte für den Februar in diesem Jahr. Welche Wunder möchtest du heute entdecken? Was hat dich berührt, wundersam, unerwartet, still und mächtig, kraftvoll und in einem winzigen Augenblick gewahr werdend?
Danke an Theresa für das Foto. Der Baum hat sich noch ein wenig warme Socken angezogen.