Der Wort- oder Sprachsinn: Wie verstehen wir denn etwas Gesprochenes? Durch das Ohr und das Hören. Aber das wäre nur „Geräusch“. Wie schaffen wir es, dass aus dem Gehörten etwas Verstehbares wird wie „Wasch dir bitte die Hände“?
Durch diesen Sinn, den Rudolf Steiner das erste Mal 1909 beschrieben hat, nehmen wir Worte nicht nur als Klang wahr, sondern als Wort. Wir Menschen sind mit drei Gaben ausgestattet: Gehen, Sprechen und Denken. Der Säugling reagiert bereits auf unsere Worte, um den ersten Geburtstag herum beginnt das Kind zu sprechen.
Diesen Sinn können wir wunderbar begreifen, wenn wir Helen Kellers Lebensgeschichte lesen, als ihre Lehrerin Miss Sullivan ihre Hand unter fließendes Wasser hielt und Wasser in die Handfläche von Helen schrieb. Da begriff Helen, dass Name und Ding eines sind. Das war der Moment, in dem Helen Keller quasi in die Welt geboren wurde, der sie aufgrund ihrer Taub- und Blindheit bis dahin hatte vollkommen fernbleiben müssen.
Ein Geräusch wie Regen bleibt Geräusch. Ein gesprochenes Wort sagt uns etwas über das Wesen aus, das es spricht. Dieser Sinn vermittelt uns also das Erfassen der Lautgestaltung eines Wortes, aber auch das Erleben von Gestalt und Physiognomie (Körpersprache, Mimik und Gestik).
Schädigend auf diesen Sinn sind abweisende Gesten, double-bind-Botschaften (die auf Kinder extrem negativ wirken), Lügen (Innen und Außen kommen nicht zur Deckung), kaltes Verhalten. Positiv stärken wir diesen Sinn durch angenehme Sprechstimme, Gestik und Mimik in Übereinstimmung zum Gesagten, individuellen Ausdruck.
Dass aus Buchstaben sinnvolle Worte werden, verdanken wir dem Wort- und Sprachsinn. Danke an Ursula für das Foto!