„Was machst du, wenn du erfährst, dass du nur noch ein halbes Jahr zu leben hast“ – das ist die Frage des Buches „Herrn Preindls Sterbeetüden“ von Mathias Wais, ein kleines Buch, das derzeit das Ziel meiner Abende ist. Wenn das Tagewerk getan ist, ab ins Bett und ein weiteres Kapitel der Etüden vorgenommen.
Was für ein Buch! Der Untertitel „Ermutigung“ ist spannend. Wozu soll ich denn ermutigt werden? Zum Sterben? Dazu brauche ich keine Ermutigung, das mach ich sowieso, denn darauf wird mein Leben irgendwie auch rauslaufen. Was mir gefällt, ist der Gedanke des „Sterben übens“.
Das machen wir unbewusst jeden Tag. Jede Entscheidung, die wir treffen, bedeutet den Tod der Sache, gegen die wir uns entschieden haben. Jeder Abschied, jedes Loslassen, alles Zurücklassen ist ein Sterbetraining, jedes Einschlafen ein kleiner Tod, wie die Franzosen den Schlaf nennen.
Aber sich bewusst der Frage stellen, wie man gedenkt zu sterben, ist gewagt. Preindl macht schnell Schluss mit Klinikfolklore und Trallala im Familienkreis. Wenn ich vom Tod höre, dann kommt er oft, wenn alle Angehörigen mal draußen sind. Offenbar stirbt mancher gern seinen Tod in Seelenruhe, nicht mehr genötigt von Verwandten, salbungsvolle letzte Worte zu sagen, die sich tief ins sehnende Herz einbrennen.
Preindl räumt auf in seinem letzten halben Jahr. Er benennt die Dinge klar. Es ist ein Buch zwischen Lachkrampf und „puuuuuh, das könnte hart werden“. Und es ist eine unglaubliche Einladung, das Leben zu ergreifen, solange es noch nicht dabei ist, sich vom Acker zu machen. Wobei Preindl ja auch irgendwo Glück hat, sein Doc gibt ihm im wahrsten Sinne des Wortes eine Deadline. Das Sterben ereilt jeden auf seine Weise, mancher wacht morgens einfach nicht mehr auf. Keine Zeit für Dramen, Abschiede und keine Antwort auf die Frage „wo ist der Schlüssel zum Tresor?“ Insofern hat eine Krankheit, die stetig voranschreitet und wo Dinge absehbar werden, auch diesen einzigen Vorteil des Abschiednehmenkönnens (wenn das einer ist, die Frage habe ich noch nicht für mich beantwortet, sie betrifft auch eher die Überlebenden).
Deshalb – üben wir das Sterben. Stellen wir uns dem Thema mal ganz bewusst. Malen wir uns ruhig unseren Tod aus, immer wieder, in vielen Varianten, wie Preindl das macht. Folgen wir seinen Gedanken, oft genug könnten es genau unsere eigenen sein. Was geht uns da dann durch den Kopf? Preindl macht es vor. Höchstes und Banalstes. Irgendwo dazwischen werden wir vermutlich unterwegs sein, fürchte ich. Es ist wirklich hilfreich, sich darüber mal Gedanken zu machen und nicht immer nur, wie in Seminaren oft üblich, bei (schlechten) Grabreden über sich selbst stehen zu bleiben.
So, wie jede Geburt einmalig ist, wird jeder Tod einmalig sein. Wir mögen uns viele Gedanken über beide Tür- und Schwellenerlebnisse machen. Letztlich geht jeder diesen Weg rein und raus alleine, er kommt und geht mit nix, nackt, kann nur mit dem punkten, was er ist, nicht was er hat. Darum möge als Anregung die Frage dienen – wer BIST du? Reicht das schon für den „guten Tod“ oder ist noch ein onpack zu deinem Leben nötig? Dann aber los, oder? Bevor die Deadline gefühlt zu früh ruft und du noch rein gar nicht bereit bist.
Allen ein feines Wochenende. Macht was aus euren 48 Stunden.
Zwar nicht ganz die Barke des Fährmanns über den Styx, die Theresa fotografiert hat, aber auch ein schönes Bild zum Thema.