Erntezeit. Die meisten Felder sind geleert. Die Bauern haben die Ernte des Getreides teilweise beendet und es war nicht das beste Jahr. Im Grunde das dritte Dürrejahr in Folge, nur unseren modernen Warenströmen verdanken wir das Vermeiden von Nöten. Ein Luxus, den sich nicht viele Länder leisten können. Lughnasad liegt hinter uns, das Fest, das uns darauf verweist, nicht nur zu ernten, sondern auch gleichzeitig die Saat für das nächste Jahr auszusortieren und wegzulegen. Dankbar zu sein für die Möglichkeit, etwas ernten zu können. Garben wurden gebunden und es wird auch um Schutz für den Rest der Ernte gebeten, denn vieles steht noch auf den Feldern und in den Gärten, manches wird jetzt erst gesät, damit wir im Herbst noch einmal frischen Spinat und Feldsalat haben. Ich warte die Hitzewoche noch ab, dann werde ich auch für den Herbst säen.
Saint-Exupéry stellt klar, dass wir nichts Lohnenswertes ernten, wenn wir aus Profitgründen säen. Das ist im richtigen Leben auch oft so. Wir stecken Erwartungen in Projekte und Menschen mit dem Ziel, dass möglichst viel für uns selbst dabei herausspringt und werden dann entsprechend oft enttäuscht. Natürlich müssen wir Gewinne erwirtschaften, um Geld zu verdienen, denn diese Gesellschaft funktioniert derzeit noch so. Es ist auch gar nicht verboten, Geld zu verdienen. Es geht nur um die Frage, womit man das tut.
Vor Jahren gab es eine Bankenwerbung, die mir gut gefallen hat: „Was macht mein Geld im Kindergarten? Sinn“. Das fand ich prima, denn es zeigt auf, dass das Geld, was ich zurücklege und was meine Bank dann investiert, etwas antreiben kann, was wichtig für die Zukunft ist. Das eine fördert das andere, eine gute win-win-Situation. Sinn, so stellte bereits Viktor Frankl fest, ist die Sache, die das Leben erst lebenswert macht. Wem der Sinn abhanden kommt, kämpft im Überlebensmodus. Ohne Sinn wird es eng.
Sinn ist sehr oft ein Thema in der Praxis. Ich werde gefragt: Was ist denn der Sinn des Lebens? Darauf gibt es keine Patentantwort. Sinn will entdeckt, gefunden werden. Manche Menschen werden geboren und sie wissen schon mit drei, was sie werden sollen und ziehen es konsequent durch und werden Meister ihres Fachs. Andere haben viele Begabungen und verzweifeln, welche sie denn ausbauen sollen, anstatt die zu forcieren, die ihnen gerade am meisten liegt und die anderen mitnimmt für später. Menschen, die den Lebenssinn verlieren, neigen dazu, das Leben loszulassen. Vielleicht besteht der Sinn darin, manches einfach auch auszuhalten und ins Vertrauen zu gehen, dass sich der Sinn schon erschließt. Er kann auch beim Gehen des Lebensweges entstehen – der Sinn ist das Gehen, nicht das Ziel erreichen.
Was immer uns antreibt, morgens aufzustehen, also unser Ikigai – es muss nichts weltbewegend Großartiges sein, sondern etwas, das uns gemäß ist, das unser Herz wärmt. Für manche besteht der Sinn darin, für andere Menschen da zu sein, andere retten Wale, den Urwald oder schreiben Bücher. Wieder andere sind tolle Köche, wunderbare Altenpfleger und großartige Eltern. All das ist und macht Sinn. Manchmal ist Sinn, einfach da zu sein, die Arme auszubreiten und Trost zu geben.
In Zeiten, in denen uns der Sinn zu fehlen scheint, brauchen wir die Kraft, das auszuhalten. Nicht jeder kann das aushalten. Wir können ebenfalls nicht jeden halten, der die Kraft nicht aufbringt und seine Entscheidung gegen das Leben trifft. Dann ist es wichtig, sich um die Familie zu kümmern und für den Menschen gute Gedanken zu haben. Zu versuchen, sich selbst stark zu machen, damit man selbst immer wieder im Feuer des Lebens stehenbleiben kann, ohne zu verzweifeln.
Vielleicht denkt der eine oder andere, dass das schon heftige Themen fürs Wochenende sein mögen. Ja und nein. Wir erleben inzwischen in erhöhter Frequenz in der Praxis, dass Menschen den Sinn nicht mehr greifen können, Fragen ans Leben haben und mit zerstörtem Vertrauen massiv kämpfen. Wenn die Sonne scheint, kann man das offenbar eher abpuffern. In wenigen Tagen klopft der Herbst an und damit die eher dunkle Jahreszeit. Bleiben wir offen für das, was ist. Laden wir selbst immer wieder neu das Leben ein, uns Sinn zu zeigen und Wege zu eröffnen, die wir gehen können oder uns stärkt, dass wir die Phasen, in denen sich wenig Licht am Horizont zeigen mag, aushalten können. Es gibt immer Wege, Möglichkeiten und Türen. Manchmal braucht es die Zeit des Aushaltens und Offenbleibens.
Allen ein gutes Wochenende mit Freude, Freundlichkeit und vielen Momenten, in denen der Sinn des Lebens greifbar werden mag. Und allen, denen es nicht gut geht – geht raus, bewegt euch, wandert in der Natur und lasst Erwartungen auf schnelle Lösungen los. Manchmal kommen die Antworten erst, wenn wir losgelassen haben. Wu wei. Wir geben alles, lassen los und – die Zukunft kann uns die Hand reichen.
Den Gong hat Christoph selbst geschmiedet und er ruft bei uns die Lernenden zu den Mahlzeiten und zurück in den Kurs.